18. Dezember 2019

Theater in Backnang: Goethe war gut

Mann, der konnte reimen … 4610 Verse allein in „Faust“. Das weiß auch Lehrer Roth im Theaterstück „Faust auf dem Dorf“. „Mâ doare capu“, ist die Reaktion der geübten Bauerntheater-Schauspieltruppe aus dem Dorf neben „der Stadt“. Die soll dieses Jahr die größte Tragödie in deutscher Sprache auf die Dorfbühne bringen, so will das der Herr Lehrer, damit sie den Anschluss an die deutsche Kultur nicht verpassen.
Trotz hartnäckigem und leidenschaftlichem Einsatz des Lehrers, den Dörflern die Geschichte um Faust, Gretchen, Mephisto, Kupplerin usw. schmackhaft zu machen, wehren sich diese geschlossen gegen das ehrgeizige Projekt. Die junge Sophia hat Angst um ihren guten Ruf und ihre Verehrer, wenn sie in Gefängnisfetzen auf der Bühne stehen muss. Der älteren Frau Bell fehlt im Stück der obligatorische Zigeuner, den man Mores lehren muss. Der jugendliche Held Schuller fürchtet die Konsequenzen der kirchlichen Instanzen, wenn sie den Teufel und so eine Bagage auf die Bühne bringen. Die Lage scheint verzwickt, das Projekt droht zu scheitern. Auch das Drängeln der akkuraten Hausherrin Frau Roth und des fleißigen Tischlermeisters Krauss, der sich alljährlich um die Bühnendekoration kümmert, bringt sie einer Lösung nicht näher. Der einflussreiche Herr Bock hat schließlich einen rettenden Gedanken: Mit ein bisschen Einsatz vom Lehrer Roth könnte man das Stück doch ein „kitzken“ umändern. Beflügelt durch die Bestätigung der anderen (außer vom Herrn Lehrer Roth), gestaltet er den Inhalt des Stückes nach den Vorstellungen der Schauspieler um. „Faust“ wird zu „Hans“ – angelehnt an Goethes Vornamen – und das „Gretchen“ schlicht zu „Grete“; zusammen lautet der Titel nun „Hans und Grete“ von Johann Wolfgang von Goethe. Assoziationen zum Märchen „Hänsel und Gretel“ sind beabsichtigt und erwünscht (außer von Herrn Lehrer Roth). Auch dass das Stück mit der Hochzeit der beiden jugendlichen Hauptdarsteller enden muss, findet großen Anklang bei allen (außer natürlich …). So ist zum Schluss von „Faust“ – der größten Tragödie in deutscher Sprache – nichts mehr übrig, nur noch ein Bauerntheater nach alter Tradition, das alle Beteiligten vor Glück erstrahlen lässt (außer …). Aber das macht gar nichts, denn „der Goethe erfährt’s eh nicht mehr!“ Umrahmt wurde die gesamte Handlung von den Beiträgen einer Berichterstatterin, die immer wieder Einblicke gab in die Gepflogenheiten und Bräuche einer siebenbürgischen Dorfgemeinschaft!
Begeisterten das Publikum in Backnang (von ...
Begeisterten das Publikum in Backnang (von links): Monika Köber als Berichterstatterin, Jutta Plajer – Regie, Kathi Rill als junge Heldin Sophia, Günther Hihn als junger Held Schuller, Christian Beckert als fleißiger Tischlermeister Krauss, Brigitte Hihn als akkurate Hausherrin Frau Roth, Maria Breckner als Kupplerin Frau Bell, Hermann Gunesch als einflussreicher Herr Bock und Manfred Plajer als Lehrer Roth. Foto: Johanna Gunesch
Die Theateraufführung war der Auftakt zum Herbstball der Kreisgruppe Backnang in der Dorfhalle Steinbach. Nach vielen Proben und hingebungsvollem Üben war es für die Darsteller sehr erfreulich, dass sie das Stück „Faust auf dem Dorf“ vor großem Publikum aufführen durften. Der ganze Abend entpuppte sich als Riesenerfolg. In der ausverkauften Halle heizten die „Schlagerbengel“ kräftig ein. Die feierfreudigen Gäste ließen sich gern bis in die späte Nacht zum Tanz einladen und genossen die ausgelassene Stimmung. Die Band brachte die Halle zum Beben, die Gäste trugen gute Laune bei, die Organisatoren boten den Rahmen, Metzgerei Hermann sorgte für das leibliche Wohl, für den Bezug zur alten Heimat sorgte die Theatertruppe und Goethe hätte es bestimmt gefallen, denn wie sagte er so treffend: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen, und jeder geht zufrieden aus dem Haus!“

Monika Hamlescher-Hihn und Jutta Plajer

Schlagwörter: Backnang, Theater

Bewerten:

13 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.