16. Februar 2022

Zwei Kronstädter in Unterfranken: Ein Bericht zwischen „Schnitterfest“ und „Baumstriezel“

Als Günther und Margarete (Gretl) Tartler am 1. Dezember 1990 nach Grafenrheinfeld gezogen sind, haben beide sicherlich nicht geahnt, dass sie ein knappes Vierteljahrhundert später zum gesellschaftlichen Inventar der Gemeinde unweit der Kugellagerstadt Schweinfurt im nordbayerischen Unterfranken gehören. Eine Gemeinde, die bekannt ist für ihre über 30 aktiven Vereine und für ihr Geschick, Neuankömmlinge schnell in diese Vereine zu integrieren.
Ehepaar Tartler mit Ehepaar Keller in Tracht. ...
Ehepaar Tartler mit Ehepaar Keller in Tracht. Fotos: Christian Keller
Es muss wohl kaum ein Jahr später gewesen sein, als der damalige Vorsitzende des „Obst- und Gartenbauvereins“, ein Zusammenschluss von Bürgern, die besonders die Gartenkultur und die Pflege der Landschaft zum Ziel haben, auf das junge Ehepaar aufmerksam geworden ist. Aufgefallen ist ihm wohl ihr Interesse für den Garten. Besonders Günther Tartler hatte ein Geschick und Wissen, das ihm buchstäblich in die Wiege gelegt wurde.

Dieses Wissen stammt aus 1245 km Luftlinie von Grafenrheinfeld entfernt. Nämlich aus der Heimatstadt der Tartlers, dem siebenbürgischen Kronstadt. Genau genommen aus der Gärtnerei seines Großvaters, Emil Tartler. Die Staudengärtnerei war bekannt für ihre eigenen Züchtungen. Schon als Kind hat der kleine Günther mit seinem Bruder Gerhardt ein eigenes Beet bestellt. Die Leidenschaft für Garten und Natur hat ihn seitdem nie losgelassen. Daran änderte auch seine berufliche Laufbahn nichts. Als gelernter Chemiefacharbeiter hat er zunächst in der Farbenindustrie und nach dem Militärdienst in einer Flugzeugfabrik in Weidenbach gearbeitet. Dort hat er auch seine spätere Frau Gretl kennengelernt. Neben dem Gartenbau hat er sich sogar mit der Imkerei beschäftigt. Sein Vater hatte 50 Bienenvölker.

Pflanzenkatalog der Gärtnerei Emil Tartler ...
Pflanzenkatalog der Gärtnerei Emil Tartler
Dass die Grafenrheinfelder solche Qualitäten natürlich sofort in ihre Vereine holen, ist wahrscheinlich eines der Erfolgsrezepte des lebendigen Vereinslebens der Gemeinde. Der Vorsitzende des Gartenbauvereins hat die beiden Tartlers, wahrscheinlich nicht ohne Hintergedanken, einfach gefragt, ob sie beim traditionellen „Schnitterfest“ mitmachen würden. Das Schnitterfest wird seit vielen Jahren in Grafenrheinfeld immer am letzten Sonntag im Juli gefeiert. Man feiert den „letzten Schnitt“ der Getreideernte. Es ist ein Erntefest. Nicht zu verwechseln mit dem Erntedankfest im Oktober. Es ist nur zu vermuten, dass die Tartlers dort zum ersten Mal mit den fränkischen Spezialitäten Backschdekasbröeder (Brote mit Limburger Käse), Schmierebröeder (Marmeladenbrote), Wörschdbröeder (Wurstbrote), Öpfl­mousd (Apfelwein) und Plootz (Blechkuchen) in Kontakt gekommen sind.

Großer Erntetag mit den Kindern ...
Großer Erntetag mit den Kindern
Der Rest ist Geschichte und es kam, wie es in „Rafeld“ (Grafenrheinfeld) immer kommt, wenn man was kann, bereit ist, sich für die Gesellschaft einzusetzen, auf die Menschen zugeht und offen ist für Neues. Seit 1992 sind die Tartlers Mitglieder im „Obst- und Gartenbauverein“ (heute: Verein für Gartenbau und Landespflege), seit 2002 war Günther der 2. Vorsitzende und ist seit 2006 1. Vorsitzender dieses wichtigen Traditionsvereins. Seine Frau Gretl ist ihm als Schriftführerin eine wichtige Stütze. Daneben ist Gretl als Schriftführerin der Kreisgruppe Schweinfurt – Gochsheim des Verbandes der Siebenbürger Sachsen aktiv.

Günther Tartler zeigt den Kindern die jungen ...
Günther Tartler zeigt den Kindern die jungen Kartoffeln.
Dem Grafenrheinfelder Bürgermeister Christian Keller war es eine Herzensangelegenheit, dass die Kindergartenkinder zumindest einmal direkt erleben, woher die Lebensmittel kommen. Günther und Gretl Tartler haben zusammen mit einem Team des Vereins den Acker über das ganze Jahr hinweg gehegt und gepflegt. Eigentlich waren nur Grumbern (fränkisch für Kartoffeln) geplant. Es kamen noch Blumen, ein Riesenkürbis, Rote Beete und Tomaten, Hokkaido-Kürbisse, Son­nenblumen und Zuckermais dazu. Ein unvergessliches Erlebnis für die Kinder, das viele vielleicht nie gehabt hätten.

Bei einem Besuch des Bürgermeisters beim Gartenbauvorsitzenden und seiner Frau wurde natürlich eine siebenbürgische Spezialität serviert. Gretl hatte einen Baumstriezel gebacken. Ihr wichtiger Hinweis kam auf jeden Fall noch rechtzeitig: „Leg die klebrigen Seiten zusammen, dann kleben die Hände nicht!“

Christian Keller (Erster Bürgermeister Grafenrheinfeld)

Schlagwörter: Kreisgruppe, Schweinfurt, Kronstadt, Ehepaar, Porträt, Bürgermeister, Landwirtschaft, Gärtner

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