10. März 2022

Kreisgruppe Freiburg: Deportation nach Russland

Kornel Kwieczinsky erzählte am 15. Februar in der Kreisgruppe Freiburg über die Deportation nach Russland. Die ersten beiden Termine waren Corona zum Opfer gefallen. Erst beim dritten Anlauf sollte es klappen. Große Erwartung und Anspannung herrschte bei den vielen Besuchern. Kornel Kwieczinsky, 94 Jahre alt, wohnhaft in Endingen im Kaiserstuhl, zog schon in den ersten Minuten alle in seinen Bann. Gewählte Sprache, spannende Augenblicke, persönliche Betroffenheit hinterließen bei den Zuhörern immer wieder verständnisvolles Nicken, Kopfschütteln oder sogar Tränen in den Augen.
Kornel Kwieczinsky. Foto: Horst David ...
Kornel Kwieczinsky. Foto: Horst David
Es war ein ganz persönlicher Bericht, mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen. Als 17-jähriger Jüngling, zusammengepfercht in Waggons mit einer Vielzahl von anderen jungen Menschen, ging es auf eine dreiwöchige Reise ins ferne, kalte Russland. In den Baracken mit 40 Personen in einem Raum bei einem Platzangebot von knapp 50 Zentimeter Liegefläche pro Person war schon der nächtliche Schlaf alles andere als erholsam. Die Mahlzeiten waren streng rationiert und sollten die Menschen bei Kräften halten, sowohl die Männer, die als Arbeitskräfte im Kohlebergwerk gebraucht wurden, als auch die Frauen, die ausschließlich für das Beladen der Lkws mit Hilfe von Schaufeln zuständig waren, beides Schwerstarbeit. Der tägliche Arbeitsweg vom Lager bis zur Arbeitsstätte gestaltete sich je nach Jahreszeit sehr beschwerlich. Jeder Mensch hat schon mal den Ausdruck „sibirischer Winter“ gehört, aber erst durch das anschauliche Erzählen über Schneesturm und Graupelschauer waren die Eiskügelchen und der Sturm auch für die Zuhörer fast schon auf der Haut spürbar. Auch der Alltag im Bergwerk war sehr schwer, immer wieder gab es Unfälle und Krankheiten. Es gab aber auch eine andere Seite. Fast schien es, als hätte Kornel Kwieczinsky daraus Kraft geschöpft. Immer wieder beschrieb er die Natur, ließ uns teilhaben am Plätschern des Baches mit glasklarem Wasser und am Eichenwäldchen, das je nach Jahreszeit in hellem grün erstrahlte, die gekräuselten Blätter verlor oder sogar unter Schnee erstickte.

Es wurden Freundschaften geschlossen, sowohl unter den Deportierten als auch zu den russischen Arbeitskräften, die dort ihr täglich Brot verdienten, um die Familie zu ernähren. Etwas ganz Wichtiges unterschied aber beide Gruppen voneinander. Die Deportierten hatten die Hoffnung heimzukehren in einen anderen, ihren ehemaligen Alltag, weg vom ganz normalen Alltag der russischen Arbeitskräfte, die hier beheimatet waren. Ohne Unterschiede zu machen half man sich gegenseitig.

Nach fünf Jahren betrat Kornel Kwieczinsky nach siebentägiger Fahrt wieder Heimatboden. Nicht alle hatten das Glück, von dieser Reise zurückzukehren. Mancher starb an Schwäche, Krankheit oder sogar, wie Margarethe Petri, eine Zuhörerin, berichtete, durch Selbstmord, wie ihr Schwager, weil er diesen Strapazen nicht gewachsen war. Sie war sichtlich gerührt und bedankte sich bei Kornel Kwieczinsky, da sie nun aus erster Hand erfahren habe, welchen Leidensweg ihr Schwager erlebt habe. Auch andere Zuhörer stellten interessiert Fragen und Herr Kwieczinsky wurde nicht müde zu erzählen. Große Hochachtung, nicht nur für das Erlebte und Erzählte, sondern auch für die Art und Weise, wie Kornel Kwieczinsky diesen Abend meisterte. Auch wenn manche Episoden für ihn sehr schmerzhaft waren, konnte man feststellen, dass er mit dieser Zeit ausgesöhnt war, dass er seinen Frieden geschlossen hatte und dass er glücklich war, dass es Menschen gibt, die sich für das Erlebte interessieren. Bei der Frage nach dem Danach, nach der Zeit im Anschluss an die Deportation, war uns allen klar, dass es hoffentlich zeitnah eine Folgeveranstaltung geben sollte. Möge Herr Kwieczinsky gesund bleiben, um diesem Wunsch nachzukommen.

Ursula Stefanovici

Schlagwörter: Freiburg, Deportation, Donbas, Veranstaltung, Kwieczinsky

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