16. Mai 2023

Kreisgruppe München: Nachruf auf Hans Zultner, Mitbegründer und Ehrenvorsitzender der Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof e.V.

Hans Zultner, Gallionsfigur der Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof, wurde am 30. März im Kreise einer großen Trauergemeinde in Unterschleißheim beerdigt. Die Nachbarschaft hat nun auch ihren zweiten Gründungsvater verloren. Dennoch bleibt sein Erbe, seine Handschrift überall in der siebenbürgischen Nachbarschaft sicht- und spürbar.
Hans Zultner (1937-2023) ...
Hans Zultner (1937-2023)
Wer war eigentlich Hans Zultner? Gewiss kein Glattgebügelter, aber einer, der aus gutem siebenbürgischen Sachsenholz geschnitzt war. Sein Leben war ein typisch siebenbürgisches im 20. Jahrhundert. Geboren wurde er 1937 in Radeln (Kreis Kronstadt) in einer traditionellen Bauernfamilie. Das gewohnte beschauliche Dorfleben währte nicht lange, denn mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs endete dies alles. Die wehrfähigen Männer meldeten sich freiwillig fast geschlossen zur Deutschen Wehrmacht. Zurück blieben die Alten, Kinder und Frauen jeden Alters. Auch Vater Zultner folgte diesem Ruf und ließ Frau und zwei Buben im Vor- und Schulalter zurück.

1945 musste der kleine Hans erneut tapfer sein. Rumänien hatte kapituliert, sich von Deutschland abgewandt und war damit den Sowjets ausgeliefert. Die Siebenbürger Sachsen büßten nun für ihr Bekenntnis zum Deutschtum. Die Sowjetunion benötigte Arbeitskräfte für den Wiederaufbau und rekrutierte dazu die zurückgebliebenen Frauen im Alter von 18 bis 30 und Männer von 17 bis 45 Jahren. Die Kinder mussten, ihren Eltern, vor allem meist den Müttern entrissen, zurückbleiben. Die Zultner-Buben wurden getrennt, fortan lebte Hans bei den Eltern der Mutter, sein Bruder bei den Großeltern väterlicherseits. Ihre Mutter sahen sie jedoch nie wieder, sie verstarb in Russland. Hans absolvierte die Schule und wurde anschließend in Kronstadt zum Elektriker ausgebildet.

Der Vater hatte den Krieg überlebt und in Deutschland eine Bleibe gefunden. Soldaten aus Siebenbürgen wurden nur nach Deutschland entlassen, denn aufgrund der veränderten Welt nach dem Krieg blieb ihnen die Rückkehr in die Heimat versperrt. So blieb den Zultners wie vielen anderen auch nur der Briefkontakt. Als es endlich möglich war, dass Vater Zultner seine Söhne besuchen durfte, schlug das Schicksal erneut zu, er kam bei einem Autounfall ums Leben. Hans Zultner wagte es dennoch 1960, auf abenteuerliche und lebensgefährliche Weise nach Deutschland „auszureisen“. In München fand er kurzzeitig Unterkunft bei einer ihm bekannten Familie. Arbeit gab es reichlich. Der tüchtige, wissbegierige junge Neubürger lernte schnell. An den Wochenenden ging’s ins Umland, überall konnte man Landsleute treffen. In Lohhof gefiel es ihm besonders gut. Dort lernte er die junge Siebenbürgerin Sophie Potsch kennen. Eine gute und zukunftssichere Arbeitsstelle schaffte die Voraussetzungen, dass Hans und Sophie 1962 heiraten konnten. Die nacheinander geborenen Söhne Heinz und Kurt machten die Familie komplett.

Zu den seit Kriegsende in Lohhof lebenden Siebenbürger Sachsen fand Hans Zultner schnell Zugang und wie in der alten Heimat üblich, halfen sich alle gegenseitig beim Hausbau und es fand viel geselliges Beisammensein statt. Aber auch zu den ortsansässigen Vereinen pflegte er gute Beziehungen. Ganz besonders zum Heimat- und Trachtenverein Würmbachtaler Lohhof, hier holte er sich die notwendigen Informationen, wie ein Verein zu führen ist. 1970 wurde dann die Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof gegründet, Michael Wellmann zum 1. Vorsitzenden, Hans Zultner zu seinem Stellvertreter benannt. Die Führung der Nachbarschaft war für Hans Zultner Herzensangelegenheit und Lebensaufgabe zugleich. 1987 wurde auf seine Initiative hin die Jugendtanzgruppe ins Leben gerufen. Sie wurde und ist bis heute das Sinnbild der Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen in Lohhof.

Immer mehr Bräuche aus dem früheren siebenbürgischen Leben, die während der kommunistischen Ära in der alten Heimat verboten waren, wurden in das Vereinsleben der Nachbarschaft aufgenommen. Diese Wiederbelebung alter Traditionen war ein wesentlicher Beitrag zur Integration in der neuen Heimat, fügte sie sich doch gut in das bayerische Volksleben ein. Unter diesem Aspekt und mit Blickrichtung auf die Zukunft schuf Hans Zultner 1995 die Voraussetzungen zur Eintragung ins Vereinsregister. Die Integration in das örtliche Kultur- und Vereinsleben war damit endgültig vollzogen. 1997 rückte Hans Zultner bei Neuwahlen an die Spitze des Vereins, Wellmann wurde Ehrenvorsitzender.

Hans Zultner hat die Nachbarschaft Lohhof nicht nur über Unterschleißheim hinaus bekannt gemacht, sondern gleichzeitig dafür gesorgt, dass sie auch im Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland Gewicht hatte. Sein unermüdliches Streben, der Nachbarschaft Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu verschaffen, hat dazu beigetragen. Von Hans Zultner bewusst herbeigeführt, vollzog sich 2002 ein Generationswechsel an der Vereinsspitze, auch er wurde nun Ehrenvorsitzender. Wie ein richtiger Vater hatte er seinen „Kindern“, den Mitgliedern der Nachbarschaft, den Weg in die Zukunft geebnet. Für all dies sei dem Nachbarvater „Zuli“ herzlich gedankt.

Erika Mühlbacher, eine alte Weggefährtin

Schlagwörter: München, Lohhof, Nachbarschaft, Nachruf, Zultner

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