26. Dezember 2011

Tagebuch aus dem Kriegsjahr 1916 des Kerzer Pfarrers erschienen

Im Honterus Verlag in Hermannstadt ist in diesem Herbst der Band „Wie der Krieg auch zu uns kam“ von Carl Reich (1872 -1953) erschienen. Reich, der 25 Jahre lang Pfarrer in Kerz war, führte im Kriegsjahr 1916 Tagebuch. Darin schildert er die Flucht der Kerzer Sachsen in das 15 Kilometer entfernte Kirchberg. Rumänische Soldaten, die durch den Roten-Turm-Pass in Siebenbürgen eingebrochen waren, hatten Gehöfte im sächsischen Ortsteil niedergebrannt. Ungarische Husaren, die sich rächen wollten, legten rumänische Höfe in Schutt und Asche. Die deutschen Truppen, die darauf von Westen und Norden ins Land einmarschierten, drängten den Feind über die Karpaten zurück und verlegten die Front nach Süden. Über den Alt, bei Kerz, hatten die Pioniere eine Holzbrücke errichtet, worüber die Flüchtlinge in ihren Heimatort zurückkehren konnten.
Reich erzählt von der Geburt und Nottaufe eines Kindes in einem Keller (auf den Namen Gotthelf getauft) und dem Tod einer jungen Frau während der dreiwöchigen Flucht, von dem Kirchberger Pfarrer Viktor Kästner – ein Sohn des Mundartdichters – , der die Kerzer freundlich aufnahm, von einem Flugzeug, das am Alt abgeschossen und in der Kirchenburg in Kirchberg ausgestellt wurde, von dem Einfall des Feindes in Braller und Martinsberg, er berichtet von einer abenteuerlichen Tagesreise mit der Eisenbahn nach Hermannstadt, schließlich von der ersten Fahrt seines Lebens mit einem Auto. Es gelingt Reich, trotz der unruhigen Zeit, mit Fassung über die Ereignisse zu berichten. Das Kerzer Tagebuch gehört zu den seltenen Augenzeugenberichten aus der sogenannten „Rumänenzeit“ des Ersten Weltkrieges, als Südsiebenbürgen geräumt, Hermannstadt evakuiert und das Burzenland mit Kronstadt von den Truppen Rumäniens besetzt wurde.
Der von Friedrich Schuster herausgegebene Band umfasst auch eine Chronik der Jahre 1905-1930, in denen Reich der evangelischen Kirchengemeinde Kerz vorstand, ein Fragment seiner Autobiografie, einen Aufsatz über den Liederdichter Georg Meyndt und 19 Briefe. Die Schreiben sind an seine Tochter Regine und deren Ehemann Kuno Galter (Lehrer und Pfarrer in Großschenk, Freck und Karlsburg) adressiert sowie an seine Söhne Otto (1903- 1991) und Karl Gustav Reich (1905-1997), die späteren Mundartdichter und -dramatiker. Carl Reich gab 1914 die Lieder Meyndts („Kut, mer sängen īnt vun den Līdern des Georg Meyndt“) heraus, mit dem er befreundet war, und machte sie bekannt. Freundschaftsbeziehungen entwickelte er auch zu den Dichtern Carl Römer, Josef Lehrer und Ernst Thullner, die, wie Meyndt, dem Komponisten Hermann Kirchner Gedichtvorlagen für dessen 1897 in mehreren Auflagen erscheinenden „Siebenbürgisch-Sächsischen Volkslieder“ zur Verfügung gestellt hatten. Auch standen ihm Otto Piringer, Schuster Dutz, Christine Maly-Theil, Misch Orend und Grete Lienert-Zultner nahe. Er selbst schrieb sächsische und hochdeutsche Gedichte und komponierte zahlreiche Melodien, die teilweise Volkslieder geworden sind. Am bekanntesten ist die Melodie zu Otto Piringers Gedicht „Angderm Līrber såß ich īst“, die in der Weihnachtszeit des Jahres 1923 entstand.

Carl Reich wurde in Mediasch geboren, verbrachte seine Kindheit in Hetzeldorf und besuchte das Lehrerseminar in Hermannstadt; er war Lehrer in Schlatt, Reussen, Reichesdorf und Hermannstadt und Pfarrer in Almen und Kerz. In der Zeit seines Ruhestandes bekleidete er das Amt eines Pfarrvertreters in Freck, Jakobsdorf bei Agnetheln, Honigberg und Rothbach im Burzenland. Er starb in Großschenk, wo sich auch sein Grab befindet.

Der 128 Seiten starke Band umfasst zwölf Abbildungen, die das gesellschaftliche und kulturelle Leben in der Ortschaft illustrieren und Carl Reich inmitten seiner Familie und Gemeindemitglieder zeigen. Da Reichs Zeit in Kerz von Ausreisewellen nach den Vereinigten Staaten von Amerika und Argentinien geprägt war, sind Fotos auch aus diesen Ländern abgebildet. Eines zeigt eine sächsische Doppelhochzeit in den USA, ein anderes eine Veranstaltung in Buenos Aires des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Argentinien.

Das Buch erscheint in der Reihe „Kerzer Hefte“, deren erster Band „Kerzer Adressbuch und die Kerzer Turmknopfchronik“ 2007 verlegt wurde. Der Buchumschlag zeigt fünf Kerzer Männer als Soldaten, darunter zwei Brüder, die sich 1915 in Brünn trafen und das Wiedersehen mit einem Bier feierten. Einer der Brüder sollte aus dem Krieg nicht mehr heimkehren.

FS

Carl Reich, „Wie der Krieg auch zu uns kam. Tagebuch 1916. Kerzer Chronik, Schriften, Briefe“, herausgegeben von Friedrich Schuster, Honterus Verlag, Hermannstadt 2011, 128 Seiten, ISBN 978-973-1725-71-0, 7,00 Euro (zuzüglich Versand), zu bestellen bei Friedrich Schuster, 74906 Bad Rappenau, Kirchardtsbrunnen 37, Telefon: (07268) 911264, E-Mail: Friedrich.Schuster[ät]ymail.com.

Schlagwörter: Buchpräsentation

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  • 29.12.2011, 18:34 Uhr von Reini: Als ich noch in meinem einstigen Heimatort Kerz lebte, kam ich mit diversen Personen aus älterer ... [weiter]

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