27. Dezember 2011

Kunstkalender des Agnethlers Michael Barner

Die HOG Agnetheln hat aus Anlass des 130. Geburtstages und 50. Todestages des Agnethler Malers Michael Barner einen Kunstkalender herausgegeben. Der siebenbürgische Maler Michael Barner (1881-1961) war ein Original. Das Leben mit Originalen ist schön. Es kann auch schön anstrengend sein, wenn es sich um Menschenoriginale handelt, die ihre von Talent und Temperament geprägte Einmaligkeit ausleben wollen. Ausleben bedeutet bei Original-Künstlern, schöpferisch sein zu dürfen und zu können.
Die Handwerker-Stadt Agnetheln, deren Kind Barner gewesen ist und wo sich heute die meisten bildnerischen Zeugnisse seiner Begabung finden, zeichnet sich in diesem Fall dadurch aus, dass sie, das heißt ein Kreis von Förderern mit einem Schneidermeister an der Spitze, dem jungen Barner längere Studienaufenthalte finanziert hat. Dass Barner keine volle Ernte einbringen konnte, liegt an verschiedenen inneren und äußeren Umständen, jedenfalls aber nicht an den Bürgern seiner Heimatstadt. Mit den ihren Mitteln angemessenen Aufträgen sorgten sie mit für das tägliche Brot des Künstlers. Sie bestellten bei „Mischonkel“ Blumenstücke und Stadtansichten, und sie mögen sich manchmal darüber gewundert haben, dass auch die Bilderrahmen mit farbigen Mustern bemalt wurden. Eine Schrulle mögen einige gemeint haben, es war eher der abgeschwächte Nachhall eines Programms, jenes des Jugendstils, der gegen scharfe Trennungen zwischen Bilderwelt und Außenwelt war. Als provozierende Schrulle darf die von zahlreichen Anekdoten bezeugte Eignart gelten, allzu statisch-pathetische Motive wie Burgen oder Heroen augenzwinkernd am Rand mit Geflügel zu schmücken, sich an konsternierten Blicken zu weiden und dann mit wenigen Pinselstrichen die Hühner oder Gänse spurlos zu entfernen. Aber Spannungsspuren bleiben in den Bildern: im Laub der Bäume, dem kahlen Geäst, den Wolkenformationen, dem raffinierten Dialog der Farben (etwa zwischen Rot- und Grüntönen in einem überraschend modernen Erntebild).
Ausgezeichnete Reproduktionen von Blumenbildern, aber auch von Landschaften, Stadtwinkeln, Stillleben und Alltagszenen finden sich in dem vor Jahreswechsel herausgebrachten Barner-Kunstkalender. Da keine Wochentage eingetragen sind, behält der Kalender über die Jahre seine Gültigkeit. Mit drucktechnischer Sorgfalt und informativer Dichte herausgebracht von der HOG Agnetheln unter Beratung und fotografischer Unterstützung durch Marius Joachim Tătaru vom Siebenbürgischen Museum Gundelsheim. Die informative Dichte meint die rund fünfzig zusätzlichen Bilder, Zeichnungen, illustrierten Manuskriptblätter und Partituren auf den Rückseiten und Zusatzblättern des Kalenders, der auf diese Weise das Gewicht eines Erstkatalogs voller Überraschungen erreicht. Diese Leistung war möglich durch den besonderen lokal- und kunstpatriotischen Einsatz von Helga Lutsch, die – auch unterstützt vom Harbachtalmuseum in Agnetheln – reiche Schaustücke für eine virtuelle Ausstellung zusammentrug. So haben die Agnethler und die siebenbürgischen Kunstfreunde in diesem Jahr (130 Jahre seit Barners Geburt, 50 Jahre seit seinem Tod) einen ganz besonderen Kalender: indem sie Barner ehren, ehren sie sich selbst. Die Hälfte der reproduzierten Bilder zeigt Blumen: Margeriten, Zinnien, Ringelblumen, Astern, Chrysanthemen, Pfingstrosen. Diese Bilder stammen vornehmlich aus Privatbesitz. Keine Exoten an Farbe und Form; es sind übersichtliche Sträuße mit Blumen aus dem Hausgarten. Sie mögen als unpolemische Replik auf die Sträuße der Schreinermaler gelten. Handwerk und Kunstwerk als Freunde. Ein Leben mit Originalen, selbst mit reproduzierten Originalen kann schön sein.

Horst Schuller


Den Kalender kann man zum Preis von 10 Euro bei der HOG Agnetheln, Gitte Henning, Heidelberger Straße 135, Telefon: (07131) 483137, E-Mail: Gitte-Henning[ät]gmx.de bestellen.

Schlagwörter: Agnetheln, Kalender, Kunst

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