30. Dezember 2011

Industriedenkmäler Rumäniens ­dokumentiert

Zeugnisse der Industriegeschichte wurden bis vor nicht allzu langer Zeit weder besonders beachtet noch geachtet, geschweige denn geschützt oder erhalten. Viele dieser für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung wichtigen Zeugnisse sind verfallen oder verschwunden. Seit einigen Jahrzehnten wird der Erfassung und dem Erhalt von Denkmälern der Wirtschaftsgeschichte und Industriekultur größere Bedeutung beigemessen. Seit geraumer Zeit leistet Dr. Volker Wollmann Überzeugungsarbeit für den Erhalt von Industriedenkmälern in Rumänien. Er ist (im positiven Sinn) ein „Lobbyist“ für die materiellen Zeugnisse der wirtschaftlichen Entwicklung in dem südosteuropäischen Land, die von vielen (im besten Fall) nicht beachtet werden oder (im ungünstigen Fall) einfach abgerissen werden. Ein Ergebnis dieser jahrzehntelangen Dokumentation ist ein mehrbändiges Werk zum vorindustriellen und industriellen Erbe in Rumänien, dessen erster Band kürzlich erschienen ist und hier kurz vorgestellt werden soll.
In der Einleitung gibt Wollmann einen Überblick über die bisherigen Bemühungen von Personen und Institutionen, Industriekultur in ­Rumänien zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Insbesondere Museen haben dabei Pionierarbeit geleistet. Die Gliederung folgt der Bedeutung der technischen Denkmäler für die Menschen. Entsprechend wird mit Anlagen zur Wasserversorgung begonnen. Es folgt die Versorgung mit Gas. Sehr ausführlich dargestellt werden Denkmäler des Nichteisenbergbaus. Die umfassenden Kenntnisse zu diesem Bereich sind auch ein Ergebnis der (in dieser Zeitung vorgestellten) mehrbändigen Dokumentation „Silber und Salz in Siebenbürgen“. Dem Salzbergbau und seinen Hinterlassenschaften ist das nächste Kapitel gewidmet. Zudem werden Denkmäler des Kohlebergbaus, der Erdölförderung und Eisenverhüttung beschrieben. Der Kupferverarbeitung ist ein eigenes Kapitel gewidmet, ebenso den Metall verarbeitenden Betrieben. Zu Letzteren gehören beispielsweise das Rieger-Werk in Hermannstadt und „Schiel“ in Kronstadt. Der erste Band schließt mit Ausführungen zu Denkmälern der chemischen Industrie.
In vielen Wirtschaftsbereichen hat Siebenbürgen eine Vorreiterrolle im heutigen Rumänien gespielt. Entsprechend ausführlich werden die Industriedenkmäler dieser Region beschrieben. Das Buch von Wollmann ist daher (auch) ein unentbehrliches Nachschlagewerk für den an der Wirtschaftsgeschichte Siebenbürgens Interessierten. Es ermöglicht gleichzeitig interessante Einblicke in die wirtschaftliche Grundlage vieler Gemeinden, Städte und Regionen Siebenbürgens. Es liefert dadurch für Ortshistoriker interessante Informationen und Anregungen zum Weiterforschen.

Das Buch ist durchgehend reich und farbig bebildert. Der Fundus des Autors an historischen und aktuellen Fotos, Zeichnungen, Plänen und sonstigen Abbildungen scheint (fast) unbegrenzt zu sein! Es wäre wünschenswert, wenn das Buch bzw. die ganze Reihe nicht nur in Rumänisch, sondern auch in weiteren Sprachen erscheinen könnte, um das Thema einem breiteren Leser- und Forscherkreis zugänglich zu machen.

Der zweite Band (der zu Beginn des nächsten Jahres erscheinen wird) beinhaltet die technischen Denkmäler aus der Industrie für Baumaterialien (Zement, Kalk, Mauersteine, Ziegel), Holzverarbeitung, Zellulose- und Papierherstellung, die Produktion von Keramik, Steingut und Glas, die Verarbeitung von Wolle, Baumwolle, Seide und Hanf, das Mühlwesen, Getreidesilos und Lagerhäuser. Einen wichtigen Stellenwert haben die siebenbürgisch-sächsischen Kleinbetriebe, vor allem für die Holzverarbeitung (Möbelherstellung) sowie die Textil- und Lederindustrie.

Der dritte Band beginnt mit dem vorindustriellen und industriellen Erbe der Lebensmittelindustrie (Zucker, Essig usw.) sowie die Genusswarenindustrie (Alkohol, Bier). Er beinhaltet die wichtigsten technischen Denkmäler aus dem Bereich des Transportwesens (Eisenbahnen, Brücken, Viadukte, Bahnhöfe, städtischer Verkehr), desgleichen Feuerwehrtürme, Sternwarten, Leuchttürme, Theater, Filmtheater, Kurorte und öffentliche Bäder. Zudem aufgenommen werden Gedenkstätten, Gedenktafeln und Geburtshäuser namhafter Pioniere der Technik und des technischen Denkens in Rumänien sowie Grabmale von Verunglückten in Grubenkatastrophen wie jenen in Anina im Jahre 1920.

Uwe Konst

Volker Wollmann: Patrimoniu preindustrial și industrial in România [Vorindustrielles und industrielles Erbe in Rumänien]. Vol. I [Band I]; Sibiu/Hermannstadt: Editura Honterus Verlag, 2010, ISBN 978-973-1725-66-6, 356 Seiten, zu bestellen zum Preis von 14,00 Euro (inkl. Versand) bei Dr. Volker Wollmann, Telefon: (06261) 64174.

Schlagwörter: Industrie, Wirtschaftsgeschichte, Volker Wollmann

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