29. Dezember 2011

"Kronstadt und das Burzenland"

Studium Transylvanicum ist bekanntermaßen ein offener Kreis meist junger, an der Landeskunde Siebenbürgens und des Donau-Karpatenraumes interessierter Menschen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Ungarn und Rumänien. Studium Transylvanicum ist mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde und dem Siebenbürgen-Institut auf Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar eng verzahnt. Die Mitglieder treffen sich seit 1986 regelmäßig zu Workshops und Akademiewochen. Der Band „Kronstadt und das Burzenland. Beiträge von Studium Transylvanicum zur Geschichte und Kultur Siebenbürgens“ dokumentiert (mit einer Ausnahme) die Vorträge aus den Akademiewochen der Jahre 2008 bis 2010.
Das Buch wurde mit finanzieller Unterstützung des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Universität München (IKGS) über den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien in Kronstadt gedruckt.

Die Publikation enthält 16 Texte, nach räumlichen Kriterien gebündelt, Beiträge über Kronstadt, das Burzenland und Siebenbürgen. Der nahezu 300 Seiten starke Band enthält ein Verzeichnis der Abkürzungen, ein Personen- und ein Ortsnamenregister, aber leider keine Kurzangaben über die Autoren der Texte. Da alle Beiträge historische Relevanz haben, sollen sie hier kurz besprochen werden.

Die Zeit nach 1989 behandeln die Beiträge von Friederike Mönninghoff („So viele Möglichkeiten, zu Tode zu kommen“: die rumänische Revolution 1989 aus der Sicht von Zeitzeugen und „Wanderung zwischen zwei Welten“ – Rumänien und Deutschland als doppelte Heimat der Siebenbürger Sachsen?), beides soziologische Studien anhand der Bearbeitung von Interviews mit mehreren Dutzend Personen, die an den beiden historischen Ereignissen, der Revolution von 1989 und der Auswanderung der Siebenbürger Sachsen, teil hatten. Beide Texte sind, so die Autorin, „Untersuchungen auf Mikroebene, um herauszufinden, was eine solche zeitgeschichtliche Zäsur (…) für den Einzelnen bedeutet“.

Das 19. Jahrhundert ist in zwei Referaten behandelt. Flavius Ardelean bespricht „Aspekte der Modernität bei den Kronstädter Rumänen am Ende des 19. Jahrhunderts“, indem er den demografischen Wandel und die wirtschaftliche, politische und kulturelle Emanzipation der Rumänen dieser Stadt untersucht. Ebenfalls das 19. Jahrhundert behandelt der Beitrag von Stéphanie Danneberg „Kronstadt und Hermannstadt. Geschichte einer Rivalität in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts“.

Zwei Beiträge enthalten Inhalte, die u. a. auch touristisch relevant sind: „Die Schwarze Kirche in Kronstadt und der Tourismus – ein Dokumentationsversuch der Außenwahrnehmung“ von Petra Antonia Sârb und „Die Székler zwischen Mythos, Revitalisierung und Autonomiebestrebungen“ von Julia Bruckbauer. Weitere Texte betrachten Menschen und Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so der nahezu 50 Seiten umfassende Beitrag von Dionisie N. Arion „Kampf um die Macht in der Honterusgemeinde. Das Auftreten der Kronstädter sächsischen Nationalsozialisten bei den Stadtpfarrer- und Presbyterwahlen 1932/33 im Spiegel der Korrespondenz von Dr. Konrad Möckel“. Darin werden die gründlichen Forschungsergebnisse des Autors über eine Seite des nationalsozialistischen Aufbruchs in Siebenbürgen mit einer akribischen Detailgenauigkeit betrachtet und mit Fußnoten versehen, in denen der neueste Wissenstand zum Thema NS-Zeit speziell in Kronstadt und im Burzenland festgehalten ist.

Thomas Șindilarius Beitrag „Erich Jekelius und das Burzenländer Sächsische Museum“ thematisiert ein Kapitel Kronstädter Geschichte, die Gründung und den Aufbau des Burzenländer Sächsischen Museums. Ein für Kronstädter spannender Beitrag, gezeichnet vom Florian Kührer, trägt den Titel „Von Dieben und Doktoren. Die Rumänisierung Kronstadts. Das Beispiel der Jorgastraße“. Er schildert die Wandlungen der politischen Verhältnisse in dieser Stadt nach dem Ersten Weltkrieg exemplarisch an der Jorgastraße oder Jorgazeile am südlichen Rand des Schloßberges und am nördlichen des Stadtparks von 1918 bis 1944. Diese Zeile hat damals eine Entwicklung vollzogen, die sich in der Architektur, den Besitzverhältnissen der dort entstandenen Immobilien und der Namensgebung dieser Straße offenbart. Sie widerspiegelt eine Facette der Politik des rumänisch-nationalistischen Zentralstaates orthodoxer Prägung. Die Straße hieß (und heißt) im Volksmund strada doctorilor (Doktorengasse) oder Șirul hoților (die Räuberzeile), in Anlehnung an das korrupte soziale Umfeld der Zeit, in der die Villen der Jorgazeile gebaut wurden.

Die zum Teil recht heterogen anmutenden Beiträge sind oft spannungsgeladen, so auch jener über die Sagen aus den Kurutzenkriegen (Zsófia Szirtes), ein Beitrag zur Kirchengeschichte des Burzenlandes (Martin Armgart) und Thomas Șindilarius Studie über den möglichen Ursprung der blau-roten Symbolfarben der siebenbürgisch-sächsischen Fahne. Spannend auch der Text von Silvia Popa über die unsichtbare Grenze zwischen Evangelischen und Katholiken in den siebenbürgischen Städten des 18. Jahrhunderts. Zur Geschichte der Stadt und des Burzenlandes gehört auch der Text von Timo Hagen über das Studentendenkmal in Marienburg. Aus dem siebenbürgisch-sächsischen Rahmen fällt der Beitrag von Petronela Solttész „Dimitrie Paciureas Spätwerk: Zur Entwicklung und Bedeutung des Motivs der Chimäre“. Hier handelt es sich um Skulpturen eines an Brâncuși erinnernden rumänischen Bildhauers, des Symbolisten Paciurea, der in den 1920er Jahren in seinen Spätwerken Chimären, also Tier-Mensch-Mischwesen dargestellt hat. Erwähnt sei noch ein Beitrag des für die Geschichtsforschung bedeutsamen Kronstädter Archivars Friedrich Stenner (1851-1924) über die Wandlung der politischen Verwaltung in Kronstadt im 19. Jahrhundert. Das Buch enthält einige sehr gute Illustrationen. Der Band bietet auch für Nichthistoriker wertvolle lokalgeschichtliche Mikrostudien und wissenschaftlich fundierte Informationsquellen zur Geschichte Siebenbürgens.

HvK

Bernhard Heigl und Thomas Șindilariu (Hrsg.): „Kronstadt und das Burzenland. Beiträge von Studium Transylvanicum zur Geschichte und Kultur Siebenbürgens“, Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde Heidelberg und Aldus Verlag Kronstadt, 2011, 296 Seiten. Preis 14,90 Euro. ISBN 978-3-929848-91-5.

Schlagwörter: Rezension, Burzenland, Kronstadt, Jubiläumsjahr 2011

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