30. März 2012

Ioan C. Toma inszeniert Goethes „Faust“ in München

FAUST: Welch tiefes Summen, welch heller Ton/ Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?/ Verkündigt ihr dumpfen Glocken schon/ Des Osterfestes erste Feierstunde? – Die Osterglocken halten Faust vom Selbstmord ab. Es kommt zum Teufelspakt. Die Tragödie nimmt ihren Lauf. Der siebenbürgische Regisseur Ioan C. Toma (1953 in Kronstadt geboren) inszeniert im Mai 2012 in München Goethes Faust I und II. Mephisto trachtet nach Faustens Seele, Toma nach einem jungen Publikum. Der Spielort, die Reithalle in München, wurde 1894 als Exerzierhalle des Königlich Bayerischen Regiments „Kronprinz“ erbaut. 1994 feierte hier Star-Regisseur Peter Stein mit seiner „Orestie“ einen Triumph.
„Warum ‚Faust’“? Regisseur Toma, der auch die Bühnenfassung erarbeitet hat – für die Kostüme zeichnet die Schäßburgerin Bonnie Tillemann verantwortlich –, pariert diese (unterschwellig skeptisch intonierte) Frage gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung so: „Er ist einer der tragischsten Helden der Weltliteratur und gilt als Meisterwerk Goethes: Faust ist lange vor uns ins Zeitalter des beschleunigten Lebenstempos und der unbegrenzten Fortschrittsdynamik aufgebrochen. Seinem Hunger nach Erkenntnis, seinem ehrgeizigen Ziel, sich die Natur untertan zu machen, ordnet er ohne Rücksicht auf Verlust alles unter, und so bestimmen Irrtum und Maßlosigkeit, Gewalt und Tod seinen Lebensweg. Ein Weg, der zwangsläufig in Zerstörung enden muss: Selbstzerstörung, Zerstörung von anderen und somit letztendlich die Zerstörung der tradierten Welt. Das Verhältnis des Menschen zu seiner äußeren und inneren Natur, das Körperliche und das Virtuelle, die Spannung zwischen Mann und Frau, die Vergewaltigung der Natur, sind Goethes hoch aktuelle Themen. Es ist eine Aufführung, die besonders auch für ein jugendliches Publikum gedacht ist – eine Annäherung an einen der meistzitierten deutschen Literaturtexte.“
Die Badewanne als ein zentrales Bühnenelement von ...
Die Badewanne als ein zentrales Bühnenelement von Ioan C. Tomas Faust-Inszenierung: „Mephisto“ Gerd Lohmeyer (links) mit „Faust“ Johannes Schön. Foto: Bonnie Tillemann
Ach! Die guten alten Leute, sonst so sorglich um das Feuer,/ Werden sie dem Qualm zur Beute! Welch ein schrecklich Abenteuer! – Diese Verse beschreiben in Faust II den Tod von Philemon und Baucis, Gestalten der griechischen Mythologie, Sinnbilder der ewigen Liebe, der Bescheidenheit und des absoluten Gottvertrauens, die als Dank für ihre Menschlichkeit von Jupiter vor einer Flut gerettet und später im hohen Alter in zwei Bäume verwandelt wurden, um ewig zusammenzubleiben. Faust überlässt Philemon und Baucis den Flammen des Teufels. Damit erreicht die schuldhafte Verstrickung des faustischen Menschen ihren Höhepunkt.

Toma führt aus, wie er seine Inszenierung angelegt hat, in der das Wasser eine wesentliche Rolle spielen soll: „Mit der Rettung des Wanderers aus den Meeresfluten werden Philemon und Baucis das Spiel eröffnen und das Geschehen bis zu ihrem tragischen Ende als rein menschlicher Kontrapunkt begleiten. Die Textauswahl folgt den Ereignissen gewissermaßen auf einer Wasserader. Thales eröffnet mit der Feststellung: Alles ist aus Wasser entsprungen! Alles wird durch das Wasser erhalten! Es ist bemerkenswert, dass sowohl Gretchens Kind als auch der Sohn Helenas ihren Tod im Wasser finden. Nach dem Verlust seiner Kinder im nassen Element wendet Faust sich nun großen Aufgaben zu. Er will einen Damm errichten, um: Das herrische Meer vom Ufer auszuschließen! Eine gigantische Verdrängungsaktion. Den großen dramaturgischen Bogen spannen die zwei Wetten, die im ersten Teil geschlossen und Ende des zweiten Teiles aufgelöst werden. Gott geht auf Mephistos Wettvorschlag ein und wirft Faust als menschliches Versuchsmaterial ins Feld. Es geht um die Verführbarkeit einer Menschenseele. Eben diese Seele verpfändet Faust in der zweiten Wette an Mephisto, der sich ihm dafür als Diener anbietet. Faust erlaubt ihm sogar ausdrücklich, ihn schmeichelnd zu belügen und mit Genuss zu betrügen, bis er sich selbst gefallen mag, das sei für ihn der letzte Tag. Dabei gleicht die Bühne unter Gottes Auge einer Lagerhalle der menschlichen Irrtümer und Träume, in der Mephisto Raum und Zeit beherrscht.

Es ist verblüffend zu verfolgen, wie Mephisto den rebellischen Faust manipuliert und mit ihm ein brillantes Katz-und-Maus-Spiel durchführt. Weder in Gretchens noch in Helenas Armen spürt Faust das größte Glück. Erst das Scharren von Spaten, die sein Grab schaufeln, das der blinde Faust jedoch für zukunftsorientierte Bauarbeiten hält, lässt sein Herz höher schlagen. Blind, betrogen und selbstgefällig verliert Faust seine Wette. Doch dann ...“ – Vorhang auf zur Faust-Premiere in der Reithalle München (Heßstraße 132) heißt es am 9. Mai 2012 um 20.00 Uhr. Weitere Aufführungen folgen am 13., 14., 15., 16., 18., 20., 22., 23. und 24. Mai, jeweils um 20.00 Uhr. Kartenreservierung unter Telefon: (089) 12162371.

Christian Schoger

Schlagwörter: Theater, München

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