26. Oktober 2012

Wie es zur Enthüllung der Gedenktafeln in Mediasch kam

Mit der Initiative von Günther Schuster und Hansotto Drotloff zur digitalen Erfassung historischer Aufnahmen legte das Kulturreferat der Heimatgemeinschaft Mediasch den Grundstein für ein historisches Archiv der Kokelstadt, das in den vergangenen acht Jahren einen beachtlichen Umfang erreicht hat. Dabei entstand ein Netzwerk von Interessierten, die die Geschichte ihrer Heimatstadt unter neuen Gesichtspunkten beleuchten. Drotloffs folgender Text wurde bei der Enthüllung der Gedenktafeln am 8. September 2012 in Mediasch vorgelesen (siehe Bericht in dieser Zeitung).
So kam es zur Begegnung mit Nachkommen von Willi Folberth, der mit seinem Bruder Fred Anfang des 20. Jahrhunderts nach USA ausgewandert war. Carl Goodwin und seine Schwester Sue Goodwin Peyron stellten zahlreiche Unterlagen aus ihren Archiven zur Verfügung. 2007 besuchte Sue Peyron mit Ehemann Efren Europa und Siebenbürgen – und es wurde, auf Initiative der HG Mediasch, die Idee geboren, dem Erfinder, seinem Bruder und dem verehrten Lehrmeister Adolf Haltrich Gedenktafeln in Mediasch zu widmen. Das durch Spenden unterstützte Projekt hat zur Annäherung zahlreicher Menschen aus verschiedenen Ecken unseres Globus geführt. An der Enthüllung der Tafeln konnte der Initiator des Ganzen, Hansotto Drotloff, aus beruflichen Gründen nicht teilnehmen. Sein dort vorgelesenes Grußwort wird im Folgenden leicht gekürzt wiedergegeben.
Gedenktafeln am Haltrich-Haus in der Steingasse ...
Gedenktafeln am Haltrich-Haus in der Steingasse in Medisch erinnern an Adolf Haltrich, Friedrich und Wilhelm Folberth. Foto: Johannes Hager
Gestatten Sie mir bitte, bevor die Gedenktafeln zur Erinnerung an Adolf Haltrich und seine beiden Vettern, die Brüder William and Frederic Folberth, enthüllt werden, an zwei Begegnungen zu erinnern, die etwas mehr als einhundert Jahre auseinander liegen. Da ist zunächst die Begegnung zwischen dem Schlossermeister Adolf Haltrich und den Folberth-Brüdern. Haltrich, der etwa von 1895 bis zu einem Tod im Jahre 1957 in diesem Hause lebte, war eine bemerkenswerte Persönlichkeit in Alt-Mediasch. [...]. Als Lehrmeister vermittelte er zahlreichen Lehrligen eine gründliche Ausbildung. Etwa 20 seiner Lehrlinge emigrierten und trugen seinen Ruf in die weite Welt. Unter ihnen taten sich besonders Friedrich Folberth, Haltrichs Vetter, und sein jüngerer Bruder Wilhelm hervor. Nach einer gründlichen Berufsausbildung trieb es auch sie fort in die USA, wo sie in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts eine vielversprechende Karriere beim Automobilhersteller „Oldsmobile“ begannen. Von der Leidenschaft getrieben, das Unbekannte zu erforschen, erfand William, wie sich Wilhelm Folberth seit seiner Einreise nach Amerika nannte, im Jahre 1919 den ersten mechanischen Scheibenwischer, der durch Vakuum angetrieben wurde, das der Automotor erzeugte. Zusammen mit dem Bruder, den man nun Frederic nannte, starteten sie 1921 die fabrikmäßige Produktion und erzeugten bis 1925 Scheibenwischer in großer Zahl. [...] Lassen Sie uns nun auf dem Weg ins 21. Jahrhundert und auf dem Weg zu der zweiten der eingangs erwähnten Begegnungen kurz im Jahre 1931 verweilen. Wohlhabend geworden, besuchten die Brüder Folberth wiederholt ihre Heimatstadt. 1931 kam Willi Folberth, ausgerüstet mit einer Amateur-Filmkamera und einem Filmprojektor, und beeindruckte die Zeitgenossen mit den Aufnahmen, die er bei zahlreichen Reisen durch die USA gemacht hatte. Vetter Haltrich, immer auf der Suche nach einem Anlass zum Scherzen, überzeugte ihn, eine Parodie auf Fritz Langs berühmten Film „Die Frau im Mond“ zu drehen, der kürzlich auch in Mediasch gezeigt worden war. Für die Hauptrolle konnte der junge Gymnasiallehrer Hermann Oberth gewonnen werden, der heute allgemein als „Vater der Weltraumfahrt“ angesehen wird. Oberth hatte kurz zuvor als technischer Berater an Fritz Langs Film mitgewirkt. So kam es, dass in Haltrichs Weingarten kurzerhand der geheimnisvolle Film „Die Mediascher Raketenfahrt zum Monde“ gedreht wurde.

Ich nenne diesen Film „geheimnisvoll“, weil sich seine Spuren schon bald nach seiner Entstehung verloren und er durch die katastrophalen Ereignisse aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, die das Gesicht Europas vollständig verändern sollten, in Vergessenheit geriet. Haltrich erwähnte den Film ganz kurz im Jahre 1936, und Hans Barth nahm das Thema 1983 auf, was letzten Endes, wiederum Jahre später, im Jahre 2004, zu der erwähnten zweiten Begegnung führte, als der Unterfertigte sich auf den Weg machte, nach Spuren des vergessenen Films zu suchen, in der Hoffnung, ihn wieder aufspüren zu können. Es war eine lange und anstrengende Suche, und sie führte zu zwei unerwarteten Ergebnissen. Enttäuschend war, dass die Umstände aufgeklärt werden konnten, unter denen der Film bereits in den späten 1930ern verloren ging. Das zweite Ergebnis war die Begegnung mit den Familien Folberth und Goodwin aus den Vereinigten Staaten. Mit Hilfe von Carl Goodwin und seiner Schwester, Sue Goodwin Peyron, war es möglich, das Schicksal der Brüder Folberth and der Brüder Haltrich sowie von zahlreichen ihrer Freunde und Verwandten zu erforschen, von denen viele Anfang des 20. Jahrhunderts in die USA emigrierten. Drei Menschen, die aus Mediasch stammen, aber derzeit im Ausland leben, Sue Goodwin Peyron, Carl Goodwin und Hansotto Drotloff, wurden zu Freunden und kehrten, jeder auf seine Weise, in jene Stadt zurück, in der sie ihre Wurzeln haben. Das greifbare Ergebnis dieser Begegnung sind die beiden Gedenktafeln, die Sie nun enthüllen werden.

Hansotto Drotloff

Schlagwörter: Mediasch, Ehrungen, Erfinder, HOG

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