31. Dezember 2012

Siebenbürgen in kleinem Format: Die Sammlung Max Kraus kommt nach Gundelsheim

Obwohl in Graz 1913 geboren, aufgewachsen und bis zu seinem Lebensende am 19. Juli 2012 dort wohnend, verband Dr. Max Kraus mit dem Herkunftsland seiner Eltern eine innige Zuneigung. Mit der Sammlung von Poststempeln und -marken schuf er sich eine eigene kleine siebenbürgische Welt in Graz. In diese konnte er eintauchen, wenn er von den Mühen des Alltags in seiner HNO-Praxis ausspannen wollte.
Im Laufe der Jahrzehnte entstand eine wunderschöne Sammlung, die akribisch vervollständigt wurde und kaum etwas ausließ, was Siebenbürgen betrifft und mit Briefmarken zu tun hat. Der Wunsch von Dr. Max Kraus war, dass nach seinem Tod diese kleine, aber durchaus wertvolle Sammlung – allein die Briefmarken stellen einen beträchtlichen Wert dar – den Kultureinrichtungen in Gundelsheim zukommen möge. Die Sammlung soll demnächst übergeben werden.

Dr. med. dent. Max Kraus, der Vater von Dr. Max Kraus, war aus Schäßburg zum Studium der Zahnmedizin nach Graz gegangen und hatte dann, nachdem seine Promotion in Ungarn nicht anerkannt worden war, hier seine Praxis eröffnet. Die in Leer bei Hamburg zur Zahnarztassistentin ausgebildete Mutter von Dr. Max Kraus, Maria, geborene Krasser, stammte aus Mühlbach. So vereinten sich im Junior gleich zwei siebenbürgische Landstriche, das Kokeltal und der Unterwald. Die während einiger Ferienzeiten nach dem Ersten Weltkrieg bei den Großeltern in Schäßburg und Mühlbach verbrachten Wochen waren für den jungen Max die „unbeschwertesten Tage seines Lebens in einer geordneten, patriarchalischen Welt, mit Zuschaun beim Großvater in der Werkstatt, den vielen Originalen, der Toleranz ihnen gegenüber“, sehr prägend. Später waren erst wieder in den 1970er Jahren Verwandtenbesuche möglich. All die Jahrzehnte blieben seine Verbindungen nach Siebenbürgen aufrecht.

Der Grazer Mediziner Max Kraus, 2011. ...
Der Grazer Mediziner Max Kraus, 2011.
Wie Dr. Max Kraus in einem seiner Sammlung beigefügten Text schreibt, nahm er, soweit ihm das gelang, all jene Orte auf, die „einmal eine siebenbürgisch-sächsische Kirchengemeinde hatten, sofern wenigstens Ortsstempel aus der österreichischen, ungarischen oder rumänischen Zeit“ vorliegen. Die rumänischen Poststempel wurden nach einem rumänischen Postorteverzeichnis von seinem in Schäßburg lebenden Brief- und Tauschpartner, dem Mathematiklehrer an der Bergschule Julius Ambrosius (1930-1992) kontrolliert, zu einer solchen aus ungarischer Zeit hatte er leider keinen Zugang.

Den eigentlichen Zweck seiner Sammlung sah Max Kraus darin, anhand des Ortsstempels auch ein „Bild der Geschichte dieses Landes“ zu zeichnen. Er schreibt weiter: „Zur Zeit der ersten Ausgabe von Briefmarken 1850 war das überwiegend deutsche Siedlungsgebiet im Großfürstentum (…) noch in neun sogenannte Stühle mit eigenartig ineinander verzahnten Grenzen und zwei Distrikte im Norden (Nösnerland) und Südosten (Burzenland) eingeteilt. Dazu kam die Haupt- und [spätere] Universitätsstadt des Landes, Klausenburg im gleichnamigen ungarischen Komitat.“ Außer den Hauptorten der Stühle und Distrikte sowie der Hauptstadt „hatten noch 30 weitere auf den ersten Abstempelungen deutsche Ortsnamen. 1861 kam ein Teil Nordwest-Siebenbürgens, 1866 dann das ganze Großfürstentum zu Ungarn. Von da ab gab es nur noch ungarische, bald nach 1918 nur noch rumänische Ortsstempel“. Interessant sind natürlich auch jene Ortsnamen, die auf mundartliche bzw. heute nicht mehr übliche Schreibweisen zurückgehen, z. B. Agnethlen, Medvisch, Mühlenbach oder Porumbach. Ein Spiegelbild der politischen Verhältnisse sind auch die Veränderungen, die die Ortsnamen nicht nur sprachlich erfuhren. So hieß Mühlbach im Unterwald bei den Ungarn Szaszsebes, rumänisch anfangs Sebeșul săsesc, dann Sebeș-Alba und schließlich nur noch Sebeș, jud. Alba.

Dass die Umstellung nach dem Ersten Weltkrieg verwaltungsmäßig nicht in allen Dingen glatt verlief, ist nicht verwunderlich, kamen doch die neuen Teile des rumänischen Staates aus der ungarischen (Siebenbürgen und Banat), der österreichischen (Bukowina) und der russischen (Bessarabien) Jurisdiktion. Diese galt es, im Verlauf der folgenden Jahre mit der rumänischen Verwaltung und Gesetzgebung in Einklang zu bringen. So war auch die Anschaffung neuer Briefmarken und/oder Poststempel nicht überall gleich möglich, so dass es sogenannte Überdruck-Ausgaben gibt, d. h. auf Siebenbürgen bezogen, ungarische Marken mit rumänischer Wertangabe und rumänischem Hoheitsstempel (Regatul României). Andererseits wurden oftmals noch bis 1920 ungarische Poststempel verwendet; Gleiches praktizierte Ungarn, nachdem Teile Siebenbürgens im Sommer 1940 von Rumänien abgetrennt und Ungarn angegliedert wurden, und umgekehrt Rumänien, als diese Gebiete 1944/45 wieder rumänisch geworden waren, hier auch zweisprachig angewandt.

Es ließe sich noch auf viele Besonderheiten der Sammlung hinweisen, wie z. B. auf jenen Briefumschlag von 1834 aus Bukarest, der durch die Quarantänestation im Roten Turm Pass ging und deshalb mit einem so genannten Cholerastempel und -siegel versehen ist. Auch die zahlreichen Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachsen, die auf Briefmarken oder Sonderstempeln in Erscheinung treten, geben Einblick in die kleine Welt in Siebenbürgen. Man könnte allein mit den Aussagen auf den Briefmarken oder auch der Briefkarten eine kurze Zeitreise durch die Geschichte des Landstrichs im Karpatenbogen nachzeichnen.

Udo W. Acker

Schlagwörter: Briefmarken, Graz, Gundelsheim

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