26. Januar 2015

Kurtfritz-Handel-Ausstellung in Bad Wimpfen eröffnet

Die Städtische Galerie Bad Wimpfen präsentiert aktuell in Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim 50 Werke aus den letzten dreißig Schaffensjahren des in Nürtingen beheimateten Bildhauers Kurtfritz Handel, Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2009. Die Ausstellung „Kurtfritz Handel. Landschaft in Bronze“ ist noch bis zum 15. März in der Galerie im Alten Spital, Hauptstraße 45, in Bad Wimpfen zu sehen (Dienstag bis Sonntag, 10-12 Uhr und 14-17 Uhr). Die Vernissage fand am 11. Januar im Beisein des Künstlers statt. Der Bürgermeister der Stadt Bad Wimpfen, Claus Brechter, sagte in seinem Grußwort: „Mit einer besonderen Ausstellung wollen wir ein besonderes Jahr eröffnen, das Kulturjahr Bad Wimpfen 2015.“ Brechter ließ die seit einem Jahrzehnt praktizierte, gute Zusammenarbeit zwischen den Museen Bad Wimpfen und dem Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim Revue passieren. In die Ausstellung führte die Leiterin der Museen der Stadt Kornwestheim, Dr. Irmgard Sedler, ein. Ihr Vortrag unter dem Titel „Kurtfritz Handel und die Schwerkraft der Materie“ wird im Folgenden in Auszügen wiedergegeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme an, dass Kurtfritz Handel nur den Eingeweihten unter Ihnen als der Schöpfer der jüngsten Version der Bambi-Figur bekannt ist, des Symbols des gleichnamigen Medien- und Fernsehpreises. Dieses ist wohl sein populärstes Werk. Doch der anspruchsvolle und gleichzeitig bescheidene Künstler hat um seine Person nie großes Aufheben gemacht. Das „Bambi“ sei „nur eine Auftragsarbeit“ gewesen und nehme den entsprechenden Platz in seinem Werk ein. In seinem Œuvre der letzten drei Jahrzehnte huldigt der 1941 in Rumänien geborene Bildhauer Kurtfritz Handel hauptsächlich dem Bronzeguss, dieses noch vor Holz, Stein und Ton, welche wichtige Werkphasen seines Künstlerdaseins bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein geprägt haben. Im biographischen Zusammenhang des Bildhauers vollzog sich diese Hinwendung zu einem der ältesten künstlerischen plastischen Verfahren zeitgleich mit seiner Aussiedlung aus Rumänien im Jahr 1985 und dem darauffolgenden Eintritt ins Künstleratelier der größten deutschen und einer der bedeutenden europäischen Kunstgießereien, das ist die Gießerei Strassacker in Süßen. Die nun alltägliche Erfahrung von Kurtfritz Handel mit dem Bronzeguss bzw. mit dem Wachsausschmelzverfahren war jedoch nur Auslöser für den vom neuen Material bestimmten Werkabschnitt im künstlerischen Schaffen dieses Bildhauers. Kurtfritz Handel hatte seine unverwechselbare Handschrift Mitte der 1980er Jahre, als er seinen Lebensmittelpunkt in die Bundesrepublik verlagerte, längst schon gefunden.
Vernissage in Bad Wimpfen: der Künstler Kurtfritz ...
Vernissage in Bad Wimpfen: der Künstler Kurtfritz Handel (außen rechts) mit Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum Gundelsheim, und Dr. Markus Lörz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Siebenbürgischen Museums. Foto: Edda Handel
In der Rückschau präsentiert sich das Gesamtwerk dieses Künstlers siebenbürgischer Herkunft weniger durch Variationen immer neuer stilistischer Experimente und thematischer Vielfalt, auch kaum durch Sprünge und abrupte Brüche, als es vielmehr durch eine beeindruckende Variantenbreite einiger weniger, konstant gepflegter Grundgenres und Themen gekennzeichnet ist. Dies alles vollzieht sich im Spannungsfeld von figurativer Formgestaltung und technisch hervorragender Lösung. Dazu gehören sowohl die Porträtplastik, als auch die von Natur und Architektur inspirierten Kompositionen sowie die Kleinplastik (…). Der künstlerische Antrieb für diese Beharrlichkeit auf der Suche nach immer ausgefeilteren technischen Ansätzen und Materialherausforderungen ist und bleibt bei Handel hauptsächlich aber ein innerer, ein der Künstlerpersönlichkeit des Bildhauers immanenter Ansatz. Auf die Frage, was ihn denn am Bronzeguss seit Jahren so ungebrochen fasziniere, was ihn zu immer neuen Gestaltungsansätzen etwa seiner Landschaften antreibe, erhielt ich eine klare Antwort – und zwar, dass es ihm während des ganzen Entstehungsprozesses eines Kunstwerkes zuallererst um das Gesetz der Materie ginge, um die Herausforderungen der Eigengesetzlichkeiten des angesprochenen Bronzemetalls: „Ich bin immer auf der Suche nach der Leichtigkeit jenseits der Schwerkraft, ich suche die Aufrichtung und die Schwebe hinter dem Fall.“ (…) Die Originalität des Handelschen Œuvre auf der Suche nach neuen Formen schöpferischer Wirkung liegt dementsprechend dann auch hauptsächlich in dem Spannungspotential von stofflichem, schwerem Bronzematerial und dem sinnlich erlebbaren Unstofflichen. Es geht ihm um das besondere Fluidum der Aussparungen im Landschaftsobjekt und um die raumöffnenden Körpergerüste expressiver Entmaterialisierung und physiognomischer Charakterisierung (…). Hinzu kommt eine Tendenz zur Stilisierung und zur akzentuierten Reduktion bis hin zum Äußersten, jedoch ohne Aufgabe der figürlichen Ansätze, so dass vor allem seine Kleinplastiken nunmehr als graphische Spuren im Raum, als „Zeichnungen im Raum mit dreidimensionalem Charakter“ wahrgenommen werden.

Gestalterisch ist das Schaffen von Kurtfritz Handel, wie schon erwähnt, hauptsächlich dem Figürlichen verpflichtet. Zum einen ist es von einer reflektierten Rückbindung an die akademische Bildhauertradition und deren Formensprache geprägt. Hierbei zitiert der Künstler deren wichtigste Positionen, als da sind – Architektonisierung der Natur durch Symmetrie und Reduktion, Verkehrung in der Wahrnehmung von Vorhandenem und Nichtvorhandenem, Verbindung von Gewachsenem (Natur) und Gewordenem (Architektur). Er zitiert und variiert diese in anspielenden Formkonstellationen stets neu, ausgehend von Säulen, und Bögen, von Stelen oder Torsi. Gleichzeitig bringt er den Mut auf, diese Konstellationen im zeitaktuellen künstlerischen Kontext in eine unverkennbar eigene bildnerische Position umzuformen: Hügellandschaften etwa werden bei Kurtfritz Handel durch Verkehrung der kompakten Volumina in ausgesparte Raumöffnung eigenwillig gestaltet und dabei verrätselt, wie etwa die Komposition „Hinter dem Berg“ (2011). Reliefserien („Wiese“, 2011) spielen mit dem Gegensatz des Massigen und Starren (quadratische Bronzetafeln in der Wiederholung) zum überaus Zart-Organischen und Beweglichen (das Wiesengras im Wind).

Der Bildhauer Kurtfritz Handel setzte im letzten Jahrzehnt verstärkt Landschaftserfahrung in plastische Objekte um: „Große Weide“ (2000), „Bruchwald“ (2002), „Wald“ (2008), „Holunder“ (2010), „Wiese mit Lilien“ (2011), „Windweide“ (2011) – so betitelt der Künstler seine Arbeiten. Handel bringt Landschaftserfahrung zum einen als konkret-geographischen Ort zur Sprache: Die „Eibesdorfer Berge“ (2009) seiner siebenbürgischen Heimat oder aber der „Große Arber“ (2006), die „Bayerische Landschaft“ (2006) und der „Weinberg im Täle“ (2006) bei Frickenhausen am Fuße der Schwäbischen Alb – sie alle lassen über ihre exakt lokalisierbare Titelinformation einen persönlichen Erfahrungs- und Erinnerungshintergrund des Künstlers zumindest erahnen. Vielen dieser plastischen Objekte mit dem malerischen Charakter eines Landschaftsausschnittes, bei denen der Künstler ganz gezielt auf die atmosphärischen Qualitäten des Lichtspiels auf der modellierten Bronzefläche setzt, sind erzählerische Momente eigen: Der Zusammenhang etwa zwischen dem Spiel mit Wölbungen und weichem Ausschwingen der Oberflächen und der Viehherde, die sich im Abwärtszug zur „Heimkehr“ von der „Großen Wiese“ – so der Titel eines Werkes von (1997) – ordnet, lässt Deutungen von Almabtrieb und melancholischen Sommerabenden zu, wobei die allgegenwärtig pointiert-komischen Elemente (siehe die „Kuh mit Schatten“) immer wieder für die nötige Brechung allzu überschwänglicher Gefühlsduselei sorgen.

Neben der Natur ist und bleibt die Historie, mal greifbar im hinterlassenen Objekt oder aber als literarisch-poetischer Topos eine Inspirationsquelle für Kurtfritz Handel. Einem seiner wichtigsten Projekte der letzten Jahre, dem Türen-Zyklus, liegt die Beschäftigung mit der mittelalterlichen Kirchenburgthematik in seiner siebenbürgischen Heimat, genauer mit einer Wehrtür in Arbegen im Kokelgebiet, zugrunde. Einst der einzige Zugang in der Burgmauer um die Wehrkirche herum, wurden diese für heutige Verhältnisse kleinen, gedrungenen Türen aus massiven Eichenbohlen gefertigt und mit Eisenbeschlägen verstärkt: Zerbrochenes, ausrangiertes landwirtschaftliches Gerät wie Haken, Spaten und Sensen, Fragmente ausrangierter Türbänder und -angeln, Hufeisen oder gar Teile alter Rüstungen finden sich als Beschlag und zugleich Zeugnis alter bäuerlicher Alltagskultur und Zivilisation auf den von Kurtfritz Handel ins Visier genommenen Türen beisammen. Längst gehören die Kirchenburgen mit ihren von Wehrtürmen strotzenden Ringmauern und ihren Wehrtüren zum Mythos der siebenbürgischen Kulturlandschaft. Im Bewusstsein der Siebenbürger Sachsen sind sie zu übermächtigen Symbolen der Standhaftigkeit und des Widerstandes gegen alle Unwägbarkeiten der Geschichte geworden. Und nicht zuletzt gelten sie bei den vom protestantischen Weltbild geprägten sächsischen Gemeinschaften als das zum greifbaren Bild geronnene Lutherwort: „Ein feste Burg ist unser Gott“. „Solange die Geschichte dies gewollt hat“, sagt Handel. Handels Tür-Objekte nennen sich dementsprechend „Abwehr“, „Zeitenpendel“, „Elegie“, letzteres auf Adolf Meschendörfers „Siebenbürgische Elegie“ und deren Existenzhinterfragung siebenbürgischen Lebens im Karpatenbogen anspielend.

Die thematisch aufs Landschaftliche ausgerichtete Präsentation wird durch einige wenige Porträtplastiken ergänzt. Deren Physiognomie in der Momentaufnahme – ob Bauer oder Poet – eint die gestalterische Tendenz, das Beseelte des Ausdruckes mittels pointierter Haltung zu verstärken. Über die Andeutung anatomischer Körperlichkeit im Fragmentarischen dislozierter Hände, über eine am Nasenrücken herabrutschende Brille gelingt Handel hier, bei aller auf das zu porträtierende Individuum ausgerichteten Darstellung, eine Typisierung, die ins Genrehafte hinüberschwappt (Oskar Pastior, Georg Scherg). Die Haupttendenz von Kurtfritz Handels Schaffen bleibt unverrückbar dem Optimismus vorbehalten. Eine geglückte Beseelung der Landschaft, eine Darstellung frei von Aggressivität, Porträtkunst gewürzt mit erzählerisch-anekdotischer Szenerie – das ist Kurtfritz Handels künstlerische Handschrift.(…)

Schlagwörter: Handel, Sedler, Gundelsheim, Ausstellung, Bildhauerei

Bewerten:

14 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.