3. Dezember 2015

Vier Epochen – vier Konzerte mit Ilse Maria Reich

Dass in der evangelischen Erlöserkirche die Musik, besonders die Kirchenmusik, einen großen Stellenwert hat, ist vielen Landshutern bekannt. Von festlich gestalteten Musikgottesdiensten bis hin zu Konzerten wie zuletzt der Aufführung der „Petite Messe Solennelle“ von Gioacchino Rossini reichen die musikalischen Angebote. Ein Erlebnis der besonderen Art aber war für Interessierte der Orgelmusik geboten. Die Organistin Ilse Maria Reich lud zu vier Konzerten ein. Das Besondere daran: Die Besucher durften auf der Orgelempore direkt neben dem Orgelspieltisch auf extra aufgestellten Stühlen Platz nehmen und der Künstlerin beim Spielen auf die Finger und natürlich auch auf die Füße schauen. Ein Blickwinkel, den man sonst bei Orgelkonzerten nicht hat. Es war der Organistin sichtlich ein Anliegen, das Publikum hautnah am Entstehen der Musik teilhaben zu lassen, und die Zuhörer und in dem Fall auch Zuschauer nahmen dieses Angebot gern an.
Ilse Maria Reich spielte Musik aus vier Epochen. Um der jeweiligen Stilrichtung gerecht zu werden, war für jede Epoche ein eigenes Konzert angesetzt. Zu Beginn jedes Konzertes gab Ilse Maria Reich einen kleinen Einblick in die jeweilige Zeit und erzählte kurz von den charakteristischen Merkmalen der damaligen Musik und wie sich das Musikverständnis über die große Zeitspanne vom Barock bis heute entwickelt hat. Mit einer abwechslungsreichen Auswahl an Stücken und Informationen zu deren Komponisten ließen sich die Zuhörer in die jeweilige Epoche versetzen.

Das erste Konzert stand unter dem Motto „Orgelmusik des Barock“. Zu hören waren das Präludium in e-Moll von Nikolaus Bruhns, Variationen über den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ von Dietrich Buxtehude und von Johann Sebastian Bach die Choräle „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, „Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not“, die sehr bekannte Choralbearbeitung über „Jesu bleibet meine Freude“ und die Passacaglia in c-Moll. Dabei galt es, an diesem Abend durch geschickte Registrierung die Melodielinien so hervorzuheben, dass ihnen der Zuhörer immer folgen kann, zum Beispiel mit einem Trompeten-Register beim Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Bei polyphonen oder fugierten Passagen half die deutliche Artikulation von Reich, um die Musik trotz ihrer Vielstimmigkeit immer transparent und klar erscheinen zu lassen.

Das zweite Konzert war der Klassik gewidmet. Reich wies darauf hin, dass die Orgelliteratur dieser Zeit nicht so umfangreich ist wie die des Barock oder später der Romantik und stark von der Klaviermusik beeinflusst wurde. Als Vertreter der Klassik standen Jan Zach mit einer Fuge in a-Moll, Wilhelm Friedemann Bach ebenfalls mit einer Fuge in a-Moll, Carl Philipp Emanuel Bach mit einem Präludium in D-Dur, Jan Krititel Kuchar mit einer Pastorella und natürlich Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven auf dem Programm.
Organistin Ilse Maria Reich. Foto: Christoph ...
Organistin Ilse Maria Reich. Foto: Christoph Reich
Eine neue Epoche, ein neues Konzert, ein neuer Klang. Die Orgelwerke der Romantik schufen in der Erlöserkirche im dritten Konzert eine ganz neue Stimmung. Typisch für die Orgelmusik der Romantik ist das Streben nach einem orchestralen Klanggemälde. Dies hat zur Folge, dass die Instrumente dieser Zeit hauptsächlich viele unterschiedliche Acht-Fuß-Register haben, um die verschiedenen Instrumente eines Orchesters darzustellen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Ilse Maria Reich bei dieser Konzertreihe den Spagat zu bewältigen hatte, vier verschiedene Stilrichtungen auf ein und derselben Orgel stilsicher und authentisch zu interpretieren, was ihr durch eine sehr feinfühlige und differenzierte Registrierung meisterlich gelang. Hier sah man als Zuschauer auch, dass das überaus anspruchsvolle Repertoire dieses Abends der Organistin einiges an Körpereinsatz abverlangt. Auf dem Programm standen: Präludium und Fuge über den Namen BACH von Franz Liszt, Sonate Nr. VI in d-Moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Präludium, Fuge und Variation in h-Moll von César Franck und die Choralfantasie „Ein feste Burg ist unser Gott“ von Max Reger. Die Musik entwickelte sich weiter und so endete die Konzertreihe mit einem Abend, der die moderne Orgelmusik im Fokus hatte. Einige ihr gewidmete Stücke, die Ilse Maria Reich in der Philharmonie in Bukarest uraufgeführt hat, spielte sie auch in diesem Konzert: „Consonanzen“ und „Allegro veloce e caratteristico“ von Liana Alexandra, „Fantasia per Organo solo con Ricercari“ von Wilhelm Georg Berger und „Schäferspavane mit Vogelrufen“ von Myriam Marbé. Des Weiteren waren „Sechs rumänische Tänze“ von Bela Bartók und „9 Epigramme“ von Zoltan Kodaly zu hören. Wer vermutet, dass die moderne Musik beim Publikum nicht so angenommen wird wie die Werke früherer Epochen, der irrt. Lang anhaltender Applaus würdigte die große Leistung der Künstlerin.

Die gut besuchten Konzerte erfreuten sich großer Beliebtheit und waren ein Genuss für Aug und Ohr. Abschließend bedankte sich Pfarrer Lorenz von Campenhausen bei Ilse Maria Reich für die gelungene Konzertreihe mit einem Blumenstrauß und fügte hinzu: „Ich dachte immer, dass man Dekan werden muss, um so eine gute Organistin zu bekommen“.

Joachim Schober

Schlagwörter: Reich, Orgel, Konzerte, Landshut

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