4. August 2016

Zum 150. Geburtstag des Porträtmalers Robert Wellmann

Robert Wellmann, von dem hier die Rede sein soll, wurde am 10. Juli 1866 in dem 35 km von Hermannstadt entfernten Marktflecken Reußmarkt geboren, wo er auch seine Kindheitsjahre verbrachte. Als weiterführende Schule besuchte er das Hermannstädter Brukenthal-Gymnasium, wo er, zusammen mit seinen Schulkollegen und Malerfreunden Fritz Schullerus, Arthur Coulin und Octavian Smigelschi das Glück hatte, den herausragenden Kunstpädagogen und Maler Carl Dörschlag als Kunsterzieher vorgesetzt bekommen zu haben. Carl Dörschlag „befreite die in Siebenbürgen seit dem Barock stagnierende bildende Kunst aus ihrer Lethargie“ und seine Vorbildfunktion für eine ganze Generation junger Maler (zu den oben Genannten kam noch Karl Ziegler dazu) kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
1884 besuchte Wellmann die Zeichenlehrerschule in Budapest, wo er sich mit Fritz Schullerus und Octavian Smigelschi bei Professoren wie Bertalan Székely wiederfand. In Budapest hausten, in einer „Bude“ zusammengedrängt, die drei Siebenbürger Kunststudiosi: Robert Wellmann aus Reußmarkt, der viel zu früh verstorbene Pfarrerssohn Fritz Schullerus und der talentierte Notarssohn O. Smigelschi – so Ernst Schnell in seinen autobiografischen Notizen. Im selben Jahr noch zogen sie nach München, damals eine der wichtigsten Kunstmetropolen Europas. Mit Arthur Coulin inskribierten sie an der Königlichen Bayerischen Akademie der Bildenden Künste bei Professor Gabriel Hackl; etwas später gesellte sich noch Friedrich Mieß aus Kronstadt dazu. Erste Ausstellungen in Siebenbürgen (1887 und 1890 in Hermannstadt,1893 in Schäßburg, meist mit den Kollegenfreunden Fr. Schullerus und O. Smigelschi zusammen), machten den Namen Wellmann bekannt, wenn auch dieser, in einem Brief an Arthur Coulin über die Aussichtslosigkeit, in Siebenbürgen Resonanz für das eigene Werk zu finden, geschweige denn sich seinen Lebensunterhalt nur als Maler verdienen zu können, meinte: „An Siebenbürgen zu denken ist Torheit oder du wirst Zeichenlehrer“.
Robert Wellmann, um 1905/10 (Beschriftung von ...
Robert Wellmann, um 1905/10 (Beschriftung von Emil Sigerus). Sammlung Carl Engber, Brukenthalmuseum. Foto: Konrad Klein (mehr zu dieser Fotografie in Kleins Text in der gedruckten Ausgabe, Folge 13 vom 10. August 2016, Seite 4).
Nach Kriegsende gründete Wellmann 1918 eine für Damen gedachte Zeichenschule in Berlin, die allerdings nicht besonders florierte. Deshalb, und auch wegen seiner Fähigkeit, sich gut zu „vermarkten“, siedelte er 1925 nach Italien um und versuchte sich, mit einigem Kapital ausgestattet, als Sodawasserfabrikant in Cervara di Roma in den Sabiner Bergen. Wichtig für Siebenbürgens Kunstgeschichte ist es deshalb, weil er hier, in der ländlichen Stille fernab vom hektischen Rom, eine vorrangig für seine malenden Freunde aus Siebenbürgen zwecks längerer Studienaufenthalte gedachte Künstlerkolonie gründete und selbst finanzierte. Cervara di Roma wurde ein Pilgerort nicht nur des „mächtigen Häufleins der ersten Generation der siebenbürgischen malenden Moderne“ (wie sie der Kunsthistoriker und Verleger Walter Myss nannte), sondern auch der Vertreter der zweiten Generation von siebenbürgischen Malern der 80er und 90er Jahre des 19. Jahrhunderts (Hans Eder, Ernst Honigberger, Margarete Depner, Eduard Morres, Heinrich Schunn). War für diese beiden Malerriegen zunächst München ein bedeutender Bezugspunkt, so wurde nun die Malerkolonie in den Sabiner Bergen zur wichtigen Inspirationsquelle während der Jahrhundertwende, so wie das Atelier von Friedrich Mieß zwanzig Jahre später eine werden sollte.

Wie das Schicksal nun einmal eigenartige Parallelereignisse parat hält, suchten just um diese Zeit in ihrem Versuch, der siebenbürgischen künstlerischen Enge zu entfliehen, die beiden dichtenden Maler Ernst und Gusto Gräser, später auch der Bruder Karl, alle aus Kronstadt stammend, Gesinnungsgenossen, um eine von Zwängen und Technisierung befreite, neue Form menschlichen Zusammenlebens zu inaugurieren. Mit den drei künstlerisch veranlagten Hofmannschwestern, mit der Fabrikantengattin Albine Neugeboren und dem Maler und Tänzer Rudolf von Laban als Mitglieder, gründete dieses Häuflein der sieben Aufrechten in Gottfried Kellers Schweiz, auf dem Weinberg oberhalb Asconas, der bald zum „Monte Verita“ wurde, eine alternative Künstlergemeinschaft, der sich später berühmte Künstlerpersönlichkeiten der Dada-Gruppe und Literaten wie Hesse, Hauptmann, Toller, Lasker-Schüler etc. anschließen sollten. Die prägende Persönlichkeit war allerdings Gusto Gräser, der Apostel einer naturhaft-anspruchslosen Lebensform, mit vegetarischer Ernährung, mit als kreatürlich empfundener Nacktkultur und weiblicher Gleichberechtigung. Später kam noch Darwinismus, Theo- und Anthroposophie (Rudolf Steiner sollte im ebenfalls schweizerischen Dornach bei Basel sein Goetheanum, Zentralstelle seiner praktizierten anthroposophischen Lehre, gründen) und Philosophie (Ernst Bloch) dazu. Nun, gerade so alternativ, derart „ausgeflippt“ war Wellmanns Malerrefugium nicht gedacht – in gesittet-bürgerlicher Weise, mit nur leicht bohemienhaftem Touch, ging es ihm, wie auch seinen Malerfreunden, eher um Modalitäten der malerischen Praxis und um kunsttheoretische Belange.
Robert Wellmann: Die Bockelung 1890, Öl, Lw ...
Robert Wellmann: Die Bockelung 1890, Öl, Lw 172x126 cm, Brukenthal-Museum, inv 1248
Von der siebenbürgischen Maler-Pioniergeneration lebten viele in äußerst dürftigen Verhältnissen: Fritz Schullerus und Arthur Coulin starben jung, der erfolgreichere Smigelschi erreichte auch kein hohes Alter, bloß Robert Wellmann überlebte auch noch den Zweiten Weltkrieg. Nach mehreren Ausstellungen in Budapest, München und Berlin, die ihm Bildverkäufe und zum Teil lukrative Aufträge einbrachten, ehelichte er im fortgeschrittenen Alter von 72 Jahren eine gewesene Schülerin, Gizella Horváth, die Tochter des Dechanten der evangelischen Kirche in Paks, Sandor Horváth, zu dem das Paar 1938 zog. Dort, in Ungarn, verlebte Wellmann seine letzten Lebensjahre bis zu seinem ihn im Februar 1946 (vor 70 Jahren also) ereilenden Tod, entweder in Paks selbst oder auf einem vom Schwiegervater geerbten Gut in Gyapa. Darbte die Familie schon während der Weltkriegsjahre, so vor allem nach 1945, als ihnen das Gut mit Herrenhaus und Äckern ersatzlos enteignet wurde. Sie durften bloß ein Zimmer im geräumigen Landhaus bewohnen, den Rest des Hauses belegte man mit fremden Familien. Durch den Verkauf von Bildern und letzter Vermögensreste hielt sich das Ehepaar Wellmann nur knapp über Wasser .Oft sah man die beiden mit dem weißen Eselsgespann in den nahen Wald zuckeln, um mittels gesammelter Pilze ihre Speisekarte aufzubessern. Auch kam es vor, dass mitleidige Mieter mit Essen aushalfen. Gizella Horváth überlebte ihren Mann um zehn Jahre, viel länger tun es aber seine in Galerien und Privathäusern in Rumänien, Italien, Deutschland, Österreich und den USA befindlichen, mit feiner Hand und zart schattenden Tönungen ausgeführten Zeichnungen, seine überaus expressiven, naturalistisch-realistischen Porträts; deutsches, gründlich ausgeführtes Malerhandwerk paart sich immer wieder in seinem Oeuvre mit italienisch-sonniger Pinselung.

Im Hermannstädter Brukenthalmuseum befindet sich das im Siebenbürger Ländchen wohlbekannte, großformatige Bild „Bockelung einer ­jungen sächsischen Frau“. Die Ungarische Nationalgalerie ist stolze Besitzerin von 16 Graphiken und sechs Ölbildern Wellmanns, darunter ein Porträt des berühmten Geigers und Violinpädagogen Jenö Hubai. In der Kunsthalle in Bremen hängen die Doppelporträts des Ehepaares Lahusen und in der Humboldt-Universität in Berlin kann das imposante Großbildnis des Zoologen Franz Eilhard Schulze, datiert 1919, bewundert werden. Schließlich besitzt der Verfasser sechs Porträts der Familien Ziegler (Hermannstadt) und Kabdebo (Reußmarkt), welche letztere mit Wellmann sogar verwandt ist.

Die Heimatortgemeinschaft Reußmarkt plant, im schon vorhandenen kleinen Heimatmuseum neben der Reußmärkter evangelischen Kirche, einen Raum dem Werk des heurigen Jubilars und großen Sohnes des Ortes, Robert Wellmann, zu widmen, in dem weniger die Originale, wohl aber gelungene Reproduktionen seiner Werke in höchstmöglicher Anzahl ausgestellt werden sollen. Es geht dabei um den Kampf gegen das ­Vergessen des künstlerischen Vermächtnisses Wellmanns, der nicht nur durch seine Künstlerkolonie neben Rom für so manchen siebenbürgischen Kunstschaffenden nach der vorletzten Jahrhundertwende von einiger Wichtigkeit gewesen ist, sondern auch als vielbeschäftigter Porträtmaler seiner Zeit es verdient, nicht durch Vergessen aus dem Kunstgedächtnis Siebenbürgens verdrängt zu werden.

Dr. Kurt Thomas Ziegler

Schlagwörter: Wellmann, Porträt, Maler, Zeichner, Geburtstag, Hommage, Jubilar

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