22. Juni 2017

Kronenfest im Wandel der Zeit: Über 250 Jahre alter Brauch in Dinkelsbühl präsentiert

Die traditionelle Brauchtumsveranstaltung des Heimattages in Dinkelsbühl fand am Pfingstsamstag, dem 3. Juni 2017, nicht wie in den vorigen Jahren im Schrannensaal statt, sondern auf dem Marktplatz vor der imposanten Kulisse des mächtigen Münsters St. Georg. Nach mehrjähriger Pause zeigte die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland – als Mitausrichter des Heimattags 2017 – das Kronenfest, eines der öffentlichkeitswirksamsten Feste der Siebenbürger Sachsen. Verantwortlich zeichneten das Landesjugendreferat der Landesgruppe NRW, bestehend aus Heike Mai-Lehni und Winfried Göllner, sowie der Landesvorsitzende Rainer Lehni.
Das Fest wurde gründlich vorbereitet. Männer und Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen und Dinkelsbühl holten schon am Freitag jede Menge Eichenlaub aus dem Dinkelsbühler Forst, während die Frauen Blumen und alle Utensilien zum Binden der Krone vorbereiteten. Die Organisatoren hatten sich entschieden, die Krone mitten in der Altstadt, im Schatten der Schranne, zu binden. So schauten die ersten Heimattagsbesucher vorbei und auch viele Dinkelsbühler blieben stehen und interessierten sich für das ungewohnte Treiben.



Neben der großen Krone, freundlicherweise von der Kreisgruppe Dinkelsbühl-Feuchtwangen zur Verfügung gestellt, wurde eine kleine Krone gebunden, die normalerweise bei den Kronenfesten der Kreisgruppe Wiehl-Bielstein ihren Einsatz findet. Damit wurde die Bühne des Schrannensaales dekoriert und sollte als Ersatz bei eventuellem Regen dienen. Nach getaner Arbeit der emsigen Helferinnen und Helfer aus Nordrhein-Westfalen, Dinkelsbühl und Ulm rückte die Dinkelsbühler Freiwillige Feuerwehr an und hievte die Krone auf den Kronenmast. Dass der Kronenmast länger hätte sein können, ist der einzige Wermutstropfen dieses Kronenfestes. Nichtsdestotrotz konnte das Wichtigste bei diesem Fest – die Krone – als farbenprächtiges Gebinde aus Eichenlaub und hunderten von Blumen bestaunt werden.
Junge Tänzer aus Nordrhein-Westfalen beim ...
Junge Tänzer aus Nordrhein-Westfalen beim Kronenfest in Dinkelsbühl. Fotos: Peter Lingner
Das Kronenfest war eines der bedeutendsten Dorffeste der Siebenbürger Sachsen, das eine mehr als 250-jährige Tradition aufweist. 1764 erwähnte der Heltauer Pfarrer Martin Felmer erstmals in einer Urkunde den Brauch des „Baumsteigens“ in der Gemeinde Großscheuern. Im Mittelpunkt des Festes stand der Kronenbaum mit seiner bunt geschmückten Krone, aus dem der Jungaltknecht seine „Kronenpredigt“ an die versammelte Gemeinschaft hielt. Es war das letzte Fest vor der schweren Feldarbeit, ein Fest des Dankes und der Freude auf eine reiche Ernte, und wurde am Johannistag oder am Peter- und Paulstag gefeiert. Die reich geschmückte Krone steht als Sinnbild des Sommers und der Sonne, die an jenen Tagen am höchsten steht.
Aufmarsch der Tanzgruppen aus NRW beim Kronenfest ...
Aufmarsch der Tanzgruppen aus NRW beim Kronenfest in Dinkelsbühl.
Durch den Exodus nach 1990 fanden fast alle Kronenfeste in Siebenbürgen ein jähes Ende. Einen enormen Aufschwung erlebte die Tradition jedoch in den letzten 20 Jahren in Deutschland. Viele Kreisgruppen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen richten heute das beliebte Kronenfest aus. Ganz im Sinne des Mottos des diesjährigen Heimattags „Verändern – Erneuern – Wiederfinden“ hat sich aber der Brauch verändert. Wurde das Kronenfest bis 1990 von der Jugend gestaltet, so machen heute alle Altersgruppen, die ganze Gemeinschaft, mit. Der Fokus liegt also in der Bewahrung des Brauches unter veränderten Lebensumständen. Die bekannte Volkskundlerin Dr. Irmgard Sedler schrieb über Kronenfest in Deutschland: „Dass dieses Erbe auch für die nachfolgenden Generationen sinnstiftend geblieben ist, zeigt sich unter anderem am Kronenfest. Mit seinen spektakulären, vielschichtigen rituellen und zeremoniellen Elementen, getragen von jugendlichen Akteuren in einer mit Blumen und Farben gesegneten Jahreszeit, eignet es sich wie kaum ein anderes für das Gemeinschaftserlebnis im Zeichen siebenbürgischer Traditionspflege und Herkunft. Zugleich bietet es den Kindern und Enkeln die Möglichkeit der Neuverwurzelung in einer alten Kultur, die die hier Geborenen in ihrer ursprünglichen Ausformung in ‚der alten Heimat Siebenbürgen‘ nicht mehr erleben können. Letztlich verleitet es jeden Besucher, das Pathos eines Festbrauches für einen Moment im eigenen Erleben mitschwingen zu lassen.“
"Jungaltknecht" Tim Holzträger bei seiner ...
"Jungaltknecht" Tim Holzträger bei seiner Ansprache in der Krone.
Ganz in diesem Sinne führen auch die Kulturgruppen aus NRW diesen Brauch weiter und feiern ihn regelmäßig in Wermelskirchen bei Wuppertal, Drabenderhöhe oder Wiehl-Bielstein. Aber auch in Siebenbürgen wurde das Kronenfest in den letzten Jahren erfreulicherweise unter veränderten Gegebenheiten wiederbelebt: in Frauendorf, Malmkrog und vor allem in Kerz am Alt, im Schatten der Ruinen der Zisterzienserabtei. Brauchtum ist lebendig. Es verändert, erneuert sich und bietet einen nahrhaften Boden für die Gemeinschaftspflege in Siebenbürgen, Deutschland und Österreich.

Der eigentliche Tag des Kronenfestes wird oft mit bangen Blicken gen Himmel erwartet: Hält das Wetter, oder hält es nicht? Nach den recht durchwachsenen Vorhersagen muss Petrus am Pfingstsamstag doch ein echter Siebenbürger Sachse gewesen sein, denn das Fest in Dinkelsbühl konnte bei strahlendem Sonnenschein stattfinden. Zwei Frauen aus Herten banden die letzten Sträußchen im Schatten der Krone.
Flotte Tänze beim Kronenfest in Dinkelsbühl. ...
Flotte Tänze beim Kronenfest in Dinkelsbühl.
Der Aufmarsch der rund 50 Trachtenpaare auf dem Marktplatz, zu den Klängen des Blasorchesters Siebenbürgen-Drabenderhöhe sowie der Siebenbürger Blaskapelle Herten, war eine Augenweide. Mit Gesang umrahmt wurde das Kronenfest durch den Honterus-Chor Drabenderhöhe, unterstützt von Mitgliedern der Singgruppe Dortmund und des Stephan-Ludwig-Roth-Chores Setterich. Den Brauch stellten Winfried Göllner und Rainer Lehni dem zahlreichen Publikum vor.

„Jungaltknecht“ Tim Holzträger von der Tanzgruppe Herten erklomm den Baumstamm mit Leichtigkeit, hielt seine Ansprache aus dem Grün der Krone heraus und bedachte die Kinder mit einem satten Bonbonregen. Danach eröffnete er den Tanz mit seiner Tanzpartnerin, und in den Reigen fielen bald alle Tanzpaare ein. Hans Thiess aus der Kreisgruppe Dortmund begleitete mit seinem Akkordeon einen Teil des gemeinsamen Auftritts der Tanzgruppen aus NRW. Die Tanzgruppen Drabenderhöhe, Dortmund, Herten, Köln, Wiehl-Bielstein (Erwachsene und Jugend) sowie Wuppertal zeigten mehrere siebenbürgisch-sächsische Volkstänze (Reklich Med, Stolzenburger Masur, Neppendorfer Ländler) und abschließend die böhmische Sternpolka.

Viele Emotionen kamen beim gemeinsam gesungenen Siebenbürgen-Lied auf. Die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter dankte den Kulturgruppen aus NRW für die gelungene Darbietung und forderte alle Siebenbürger Sachsen auf, die Kronenfeste an den neuen Wohnorten in Deutschland auch in die Terminplanung der jeweiligen Kommunen mit aufzunehmen, da dies ein Gewinn für uns alle sei.

Zum Abschluss stellten sich alle rund 160 Aktiven aus NRW zum beeindruckenden Gruppenfoto auf der Haupttribüne vor der Schranne auf (siehe Siebenbürgische Zeitung Online vom 13. Juni 2017). Ein schönes und rundum gelungenes Kronenfest ging zu Ende. Es sei „grandios“ gewesen, sagte ein Zuschauer. Der Landesvorstand aus NRW dankt hiermit allen Beteiligten aufs Herzlichste.

rl

Schlagwörter: Heimattag 2017, Kronenfest, Nordrhein-Westfalen, Brauchtum

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