23. Juni 2017

Reformation unter dem Halbmond: Das Erbe und die Erben der siebenbürgisch-sächsischen Kirche

2017 steht im Zeichen des 500-jährigen Reformationsjubiläums und es finden zahlreiche Veranstaltungen im In- und Ausland zu diesem Thema statt. Auch die Kreisgruppe Heilbronn hat dieses Jubiläum im Veranstaltungskalender 2017 berücksichtigt und an Christi Himmelfahrt zu dem Vortrag „Die Reformation der siebenbürgisch-sächsischen Kirche: das Erbe und die Erben“ eingeladen. Als Referent konnte der ehemalige Dechant des Schäßburger Kirchenbezirks und ehemalige Hamburger Pfarrer Dr. August Schuller gewonnen werden, der nicht nur die Reformation als historisches Ereignis betrachtete, sondern auch auf die geistliche Dimension dieses Ereignisses und das damit verbundene Erbe einging. Und die Heilbronner haben das Thema gut angenommen und den Vortrag mit zahlreicher Präsenz honoriert.
Die Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache, die Bildungsoffensive, die von der Reformation ausging, die Gleichstellung von geistlichen und weltlichen Personen in der Kirche und die Freiheit des „Christenmenschen“, der niemandem untertan ist, sind für Pfarrer Schuller das „Reformatorische“ an der Reformation. Doch wie kam es dazu, dass die Reformation auch in Siebenbürgen verbreitet wurde? Kaufleute und Studierende haben den Boden für die reformatorischen Ideen in Siebenbürgen sicherlich vorbereitet. Doch erst die politischen Folgen der Schlacht von Mohács, die die Türken 1526 gewannen, und die sich daraus ergebende Distanz zum katholischen Habsburg ermöglichten diese Veränderung. Siebenbürgen kam als selbstständiges und tributpflichtiges Fürstentum unter türkische Oberhoheit und die Türken garantierten die innere Autonomie und mischten sich nicht in Glaubensfragen ein.

Die Durchsetzung der Reformation erfolgte schließlich 1543 mit der Herausgabe des Reformationsbüchleins „Reformatio Coronensis ac totius Barcensis provinciae“ durch Johannes Honterus. Bevor sich auch die Hermannstädter der Reformation anschlossen, erbat ihr Stadtpfarrer Mathias Ramser von den Reformatoren in Deutschland, Martin Luther, Phillipp Melanchthon und Johann Bugenhagen, ein Urteil über das Büchlein von Johannes Honterus. Erst nachdem dieses positiv ausfiel, stand der Reformation nichts mehr im Weg.
Pfarrer i. R. Dr. August Schuller sprach in ...
Pfarrer i. R. Dr. August Schuller sprach in Heilbronn über die Reformation der siebenbürgisch-sächsischen Kirche. Foto: Jürgen Binder
Die treibende Kraft bezüglich der Ausbreitung der Reformation war die sächsische Nationsuniversität in Hermannstadt, deren Bestreben es war, alle Sachsen auf dem Königs- und Komitatsboden unter dem Dach der evangelisch-sächsischen Kirche zu vereinen. 1547 wurde „Die Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen“ herausgegeben, die 1550 zum Gesetz erhoben wurde. Damit hatte man es geschafft, die Reformationslehre zu harmonisieren und die Gottesdienste nach „Wittenberger Ordnung“ zu vereinheitlichen. Auf Bestreben des römisch-katholischen Fürsten Stefan Báthory wurde 1572 die Annahme des Augsburger Glaubensbekenntnisses beschlossen; seither nennt sich die siebenbürgisch-sächsische Kirche Evangelische Kirche A.B.

Für Pfarrer Schuller ist das auffallendste Merkmal der Reformation in Siebenbürgen das Fehlen einer organisierten Religionsverfolgung. Religiöse Duldung wurde vom Siebenbürgischen Landtag zum Gesetz erhoben und mit den hier existierenden Konfessionen (römisch-katholisch, reformiert, antitrinitarisch und evangelisch-lutherisch) wurde Glaubensvielfalt auch gelebt. Auch wurde in Siebenbürgen und damit zum ersten Mal in Europa der Grundsatz der religiösen Toleranz offen formuliert.

In Bezug auf das Erbe der Reformation sieht Pfarrer Schuller die folgenden drei wichtigsten Elemente: die Kirche als Institution mit einem zuerst geistlichen Auftrag, die Neuausrichtung und Wiederaufrichtung des Schulwesens und die Verantwortung für die Armen und Bedürftigen. Diese Elemente waren der Mutterboden der sächsischen Tradition.

Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen war, so Pfarrer Schuller, immer auch Kirchengeschichte, eng mit unserer Kirche verbunden, und unsere lutherische Konfession war für unser Selbstverständnis als Siebenbürger Sachsen, vor allem in der Minderheitensituation, in der wir lebten, immer wichtig. Inzwischen bilden die Kirche und das sächsische Volk keine übereinstimmende Einheit mehr. Die Lehren aus der Vergangenheit haben auch gezeigt, dass eine Bejahung der Kirche nur aus völkischen oder politischen Gründen schadet. Die siebenbürgische Reformationsgeschichte lehrt uns, dass es keinen Sinn macht, den Glauben zur Erhaltung von alten Formen aufzurufen. Lebendiger Glaube erhält das Alte nicht, sondern schafft etwas Neues. Evangelischer Glaube liegt auch im Mut zum Wandel.

Pfarrer Schuller beendete seinen Vortrag mit dem Aufruf an alle Christen, mitzuwirken und diesen Wandel aktiv mitzugestalten entsprechend der Auffassung „Die Kirche hängt nicht von den anderen ab: Wir sind persönlich gefordert, wir sind Kirche.“

Jürgen Binder

Schlagwörter: Reformation, Reformationsjubiläum, Heilbronn

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