27. Dezember 2018

SbZ-Umfrage zum Jahreswechsel, Teil 2

Was sie 2018 besonders bewegte und 2019 beschäftigt – prominente Landsleute geben Auskunft
Es rinnt unaufhaltsam aus, das Jahr 2018, und lässt sich bereits aus der Vogelperspektive betrachten, 2019 dagegen, dessen Schwelle wir uns soghaft nähern, noch kaum aus der erkenntnisarmen Froschperspektive erahnen. Da ist der Begriff also gefallen: Perspektive – Durchsicht oder Durchblick. Von der deutschen Lyrikerin Anke Maggauer-Kirsche stammt der Aphorismus: „Rituale und Zeichen geben uns die Kraft, dem Unfassbaren ins Auge zu sehen.“ Global verbreitet findet man die ritualisierte Handlungsweise, zum Jahreswechsel Bilanz zu ziehen, insbesondere Wünsche und Vorsätze insgeheim oder mehr als halblaut zu bekunden, am Höhepunkt der Silvesternacht, wenn, im pulsierenden Sekundentakt Schlag zwölf Neujahr in einem Schwall aus Sekt, farbenprächtigem Himmelsspektakel, Umarmungskaskaden, ohrenbetäubendem Krach und Frostschauern über uns hereinbricht. So gesehen wollen wir die Ruhe vor dem „Sturm“ nutzen und von einigen bekannten, prominenten Landsleuten kurz vor Ultimo erfahren, was sie im abgelaufenen Jahr persönlich besonders bewegt hat, was sie 2019, wie man neudeutsch flapsig zu sagen pflegt, „auf dem Schirm“ haben und, nicht zu vergessen, was sie uns allen wünschen. Allen Teilnehmenden unserer kleinen Umfrage der Siebenbürgischen Zeitung (SbZ) wurden die identischen folgenden vier Fragen gestellt, verbunden mit der Bitte, möglichst kurz und bündig zu antworten:


a) Was hat Sie 2018 am meisten nachhaltig gefreut?

b) Worüber haben Sie sich am stärksten aufgeregt bzw. geärgert?

c) Ein besonderes Projekt oder Ziel, das Sie im nächsten Jahr umsetzen bzw. erreichen wollen:

d) Was wünschen Sie sich zum Jahreswechsel für unsere Gemeinschaft bzw. Gesellschaft?


Lesen Sie im Folgenden die Antworten der Befragten (in alphabetischer Reihung), die wir dreiteilig veröffentlichen.

Christian Schoger




Dr. Konrad Gündisch, Vorsitzender des Vereins Siebenbürgisches Kulturzentrum „Schloss Horneck“:
Dr. Konrad Gündisch, Vorsitzender des Vereins ...
Dr. Konrad Gündisch, Vorsitzender des Vereins Siebenbürgisches Kulturzentrum „Schloss Horneck“
a) Privat die Geburt meiner ersten Enkeltochter ebenso wie das Gedeihen meiner vier Enkelsöhne, insgesamt das Zusammensein mit ihnen. Ansonsten natürlich vieles, was mit Schloss Horneck zusammenhängt, für das ich mich ehrenamtlich engagiere: die ­Zuwendung des Landes Baden-Württemberg über das Landesamt für Denkmalpflege; der Beschluss des Deutschen Bundestags, weitere Fördermittel für den Um- und Ausbau zum Kultur- und Begegnungszentrum; das Schlossfest im Juli, für dessen Gelingen sich so viele Menschen ehrenamtlich eingesetzt haben; die Spenden und Hilfsangebote, die zeigen, dass es ein breites Engagement unserer Landsleute für ihr Kulturzentrum gibt.

b) Über die halt- und verantwortungslose Schmutzkampagne von zum Teil hochrangigen Mitgliedern der in Rumänien „regierenden“ Parteien gegen die deutsche Minderheit des Landes, ausgerechnet 100 Jahre nach den historischen Beschlüssen von Karlsburg am 1. Dezember 1918 und von Mediasch am 8. Januar 1919! Grund der Kampagne: Eine von korrupten und unfähigen Politikern beherrschte „Regierung“ will einen Staatspräsidenten in Bedrängnis bringen, der national und international als ein Anker der Zuverlässigkeit, der Stabilität, der Demokratie und der europäischen Wertegemeinschaft anerkannt wird.

c) Da gibt es vor allem eines: Fertigstellung der Um- und Ausbauarbeiten von Schloss Horneck zum siebenbürgischen, aber auch internationalen Kultur- und Begegnungszentrum! Allein kann und will ich das nicht erreichen – aber wir alle schaffen das, wenn wir zusammenstehen und uns der Verantwortung unserer Generation für unsere Vergangenheit stellen.

d) Für unsere siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft: Zusammenhalt, Erfolge in allem, was sie unternimmt, Anerkennung durch die jeweiligen Mitbürgerinnen und Mitbürger, ob in Siebenbürgen, in Deutschland, in Europa oder in Übersee, gegenseitigen Respekt und Achtung der Menschenwürde, überall auf der Welt. Für die deutsche Gesellschaft, in der ich gerne lebe, eigentlich dasselbe: Frieden, Wohlstand, Zusammenhalt, Respekt, eine gute Regierung, weniger Streit, Achtsamkeit und Handeln angesichts der Folgen des Klimawandels und viel, viel Gutes mehr.


Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien:
Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche ...
Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien
a) Trotz der Diffamierungskampagne der Regierung Rumäniens – die vielen anerkennenden, wertschätzenden und würdigenden Bekundungen für unsere Kirche, die Siebenbürger Sachsen hüben wie drüben und die deutsche Minderheit in Rumänien, und die vielen Freunde und Partner, die zu uns stehen und allesamt uns auf dem Weg in die Zukunft bestärken.

b) Das Ausbreiten des Nationalismus, Populismus und Radikalismus in Europa und in der Welt.

c) Die Verantwortlichkeit und Würdigung der Ehrenamtlichen im „Jahr des Ehrenamtes 2019“ in der EKR (Evangelische Kirche A.B. in Rumänien; die Redaktion) und unserer Gemeinschaft bewusst zu machen.

d) Weniger Egoismus – mehr Altruismus, weniger Konfrontation – mehr Kooperation untereinander, weniger Rücksichtslosigkeit – mehr Frieden und Einheit, weniger Nationalismus – mehr Europa, weniger Unwahrheit – mehr Wahrheit, weniger Ich – mehr Du und Wir, weniger Leistungsdruck – mehr Akzeptanz der Liebe und Barmherzigkeit Gottes, weniger selbstgemachter Erfolg – mehr geschenkter Segen.


Enni Janesch, Vorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe:
Enni Janesch, Vorsitzende der Kreisgruppe ...
Enni Janesch, Vorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe
a) Mit Freude und Dankbarkeit haben wir in Gesundheit mit Familie, Freunden, Nachbarschaft und Honterus-Chor im März den 80. Geburtstag meines Mannes Harald und unsere Goldene Hochzeit im August feiern können.

b) Am meisten habe ich mich über die Koalitionsverhandlungen in Berlin und den Umgang der Politiker untereinander geärgert.

c) Eine Reise unserer Familie mit Kindern und Enkelkindern nach Siebenbürgen steht für den Sommer 2019 auf dem Plan.

d) Auf dem Weg in die Zukunft wünsche ich unserem Verband der Siebenbürger Sachsen, der 2019 sein 70-jähriges Jubiläum feiert und zufrieden und stolz auf das Erreichte blicken kann, weiterhin engagierte Mitglieder mit Ideenreichtum bei der Bewahrung des siebenbürgischen Kulturerbes und Gottes Segen.


Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus:
Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung ...
Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. Bildquelle: BMI
a) Am meisten hat mich 2018 gefreut, dass der weltbekannte Rockmusiker Roger Waters mir wohl eher unfreiwillig‎ zu großer Bekanntheit und Popularität verholfen hat, indem er am Ende eines Rockkonzerts im Sommer in Berlin minutenlang über meine Arbeit als Antisemitismusbeauftragter geschimpft und dadurch viele Solidaritätsbekundungen für mich ausgelöst hat – gerade auch bei Menschen, die von der Existenz meines Amtes sonst nie gehört hätten.

b) Am stärksten habe ich mich über die Verrohung des politischen Diskurses in Deutschland aufgeregt.

c) Ich habe mir vorgenommen, mit meinem Streichquartett (dem Diplomatischen Streichquartett Berlin) ein Werk des großartigen siebenbürgischen, aus Sächsisch Regen stammenden Komponisten Rudolf Wagner-Régeny aufzuführen, und bin hierzu bereits mit der Deutschen Botschaft in Bukarest im Gespräch.

d) Der siebenbürgischen Gemeinschaft wünsche ich, dass sie weiterhin eine tragfähige Brücke zwischen Deutschland und Rumänien bleibt, und unserer Gesellschaft, dies stärker noch als bisher anzuerkennen.


Dr. Johann Kremer, Vorsitzender des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen e.V.:
Dr. Johann Kremer, Vorsitzender des Sozialwerks ...
Dr. Johann Kremer, Vorsitzender des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen e.V.
a) die erneute Zuwendung der BKM (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien; die Redaktion) in Höhe von 880000 Euro für den Aus- und Umbau von Schloss Horneck

b) Wahlergebnis, Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung 2018

c) persönlich soweit noch möglichst gesund und tatkräftig bleiben

d) Zum Jahreswechsel wünsche ich unserer Gemeinschaft zunächst friedliche Festtage und für das nächste Jahr ein noch deutlicheres Zusammenrücken und Engagement.


Kirchenrätin Melitta Müller-Hansen, Beauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Hörfunk und Fernsehen beim Bayerischen Rundfunk (BR):
Kirchenrätin Melitta Müller-Hansen, Beauftragte ...
Kirchenrätin Melitta Müller-Hansen, Beauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Hörfunk und Fernsehen beim Bayerischen Rundfunk (BR)
a) Ein Filmprojekt mit einem Pfarrerskollegen, der mit Alzheimerdiagnose in Vorruhestand gehen musste, und mit seiner Ehefrau. In der Reihe „Hoffnungsgeschichten“ wurde er am 28. Oktober im BR-Fernsehen ausgestrahlt, Titel: „der Augenblick ist mein“. Es ist eine Ermutigung zum Leben in der Gegenwart geworden, zu Lebensfreude und zu einem offenen Umgang mit dieser Krankheit. Ein Sinnspruch von Andreas Gryphius beschließt den Film und das ist mein Lieblingsmotto für das Leben: „Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen, mein sind die Jahre nicht, die noch möchten kommen. Der Augenblick ist mein, und nehm‘ ich den in Acht, so ist der mein, der Zeit und Ewigkeit gemacht.“

b) Eine große Zumutung ist für mich die Dreistigkeit, die sich Menschen herausnehmen in der Art und Weise, wie sie kommunizieren. Ich erlebe das in meiner Arbeit, wenn Menschen E-Mails schicken und Rückmeldung geben auf Fernseh- oder Radiosendungen, die ich verantworte. Da mangelt es nicht nur an Anstand. Da entlädt sich Hass, Menschenverachtung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Und zum ersten Mal habe ich im Herbst eine Mail mit nationalsozialistischem Bildprogramm und Inhalt bekommen.

c) Ich werde meine beiden Freudinnen aus Norddeutschland zu einer Reise nach Siebenbürgen einladen und ihnen meine Wurzeln zeigen. Und eines meiner Ziele ist, öfter als bisher Menschen aus anderen Kulturkreisen und Religionen zu treffen – mit Zeit zum Reden und Zuhören!

d) Ich wünsche mir von Herzen, dass die Spaltung innerhalb Europas zurückgeht. Dass der Rechtsruck in Europa aufgefangen wird durch Menschen, die die Demokratie schätzen und schützen wollen. Und das beginnt mit der Sprache, die ich wähle, um mit und über andere zu reden. Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes, das sollte auch in der Sprache erkennbar sein. Und ich glaube, das ist die Basis für Frieden und Zusammenhalt, den ich auch unserer Gemeinschaft von Herzen wünsche, auch im neuen Jahr.


Lesen Sie dazu auch:


SbZ-Umfrage zum Jahreswechsel, Teil 1

SbZ-Umfrage zum Jahreswechsel, Teil 3

Schlagwörter: Umfrage, Siebenbürgische Zeitung, Jahreswechsel, 2018, 2019, Müller-Hansen, Kremer, Felix Klein, Janesch, Guib, Konrad Gündisch, Schloss Horneck, Gundelsheim

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