4. August 2019

Die Kinderzeche als Gemeinschaftswerk der Dinkelsbühler

Mit seiner Frau hat Dr. Wolfgang Bonfert am Sonntag, den 21. Juli, auf Einladung von Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer an den Feierlichkeiten der Kinderzeche in Dinkelsbühl teilgenommen. Im Folgenden schildert er seine persönlichen Eindrücke von dieser Großveranstaltung der Stadt Dinkelsbühl, die jährlich noch mehr Besucher lockt als der Heimattag der Siebenbürger Sachsen.
Auf dem Programm standen: Empfang im Rathaus, Historienspiel in der Schranne, Stadtübergabe, Festumzug, Mittagessen der Ehrengäste und Abend-Schlussveranstaltung mit großem Zapfenstreich.

Für mich hat die Kinderzeche insofern eine besondere persönliche Bedeutung, als ich am 23. Juli 1949, also vor 70 Jahren, anlässlich einer Radtour mit Klassenkameraden aus Meldorf/Holstein nach Süddeutschland, das erste Mal in Dinkelsbühl war und unvorhergesehen in eine der ersten Kinderzechen nach Kriegsende geriet, die wir allerdings nur zur Kenntnis nahmen und uns nicht weiter damit befassten. Seit 1983 bin ich dann in Abständen immer mal wieder der Einladung zur Teilnahme an der Kinderzeche gefolgt.

Die erste Erwähnung der Kinderzeche erfolgte vor rund 390 Jahren, damals (1629) als Jahresabschluss-Feier der katholischen Lateinschule zum Ende des Schuljahres. Ab 1654 gab es dann eine ähnliche Veranstaltung auch für die evangelischen Abschluss-Schüler. Da der Schulabschluss für die beiden Konfessionen in der Regel mit einer Woche Unterschied erfolgte, gab es zunächst zwei solche Feiern. Die Stadtkammer zahlte für jede der beiden Feiern je vier Gulden als „Zechgeld“. Nach Verlust des „Reichsstadt-Status“ Dinkelsbühls 1802 wurde ein gemeinsamer Schulabschluss gefeiert. Ab 1848 erfolgte, offensichtlich um den Feierlichkeiten ein besonderes Gewicht zu geben, eine Verknüpfung der Kinderzeche mit Ereignissen des 30-Jährigen Krieges im Jahre 1632 (kampflose Übergabe der Stadt am 11. Mai 1632 an schwedische Truppen), die im Jahre 1897 in einem Historien-Schauspiel von Ludwig Stark dramatisiert dargestellt wird und der „Kinderlore“ und ihren Kindern eine vermittelnde Rolle zugeschrieben wird.
Im Mittelpunkt des Festumzugs der Kinderzeche in ...
Im Mittelpunkt des Festumzugs der Kinderzeche in Dinkelsbühl steht die Kinderlore, die das Herz des schwedischen Obristen Sperreuth erweichte und Dinkelsbühl vor Plünderung und Zerstörung bewahrte. Foto: Wolfgang Bonfert
Heute ist die Kinderzeche eine wichtige Traditionsveranstaltung der Stadt Dinkelsbühl und ihrer Bürger, die 2014 als „immaterielles Kulturerbe“ des Freistaates Bayern und ab 2016 der Bundesrepublik Deutschland eingetragen wurde. Fester Bestandteil der Kinderzeche, die alljährlich Mitte Juli stattfindet und zehn Tage währt, sind neben dem Historienspiel, der Stadtübergabe und dem Festzug das in den Schießwasen abgehaltene „Schwedenlager“, Tanzvorstellungen von Kinder- und Jugendgruppen in historischen Kostümen und begleitet von der 1868 gegründeten Knabenkapelle, die mit Trommler- und Musikkorps (rund 120 Mitglieder) in den Rokoko-Uniformen des Regimentes Baden-Durlach mit Musik aufmarschiert, Konzerte gibt und auch bei der Abschlussveranstaltung beim Großen Zapfenstreich eine besondere Rolle spielt.

Dass die Kinderzeche ein Gemeinschaftswerk der Dinkelsbühler Bevölkerung ist, zeigt schon die große Zahl der über tausend aktiv Mitwirkenden und der über hundert im Hintergrund arbeitenden Planer, Kostümpfleger, Tanztrainer und Dekorateure sowie die zahlreichen Mitglieder von Ordnungskräften, Freiwilliger Feuerwehr und Rotem Kreuz.

Bei der Veranstaltung am 21. Juli waren Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml, Vertreter der Partnerstadt Guérande (Département Loire-Atlantique), Landtagsabgeordnete, der Landrat des Kreises Ansbach Dr. Jürgen Ludwig und Vertreter aus Wirtschaft und Kultur sowie der Bürgermeister Jörg Steuler aus Crailsheim anwesend.

Dr. Wolfgang Bonfert

Schlagwörter: Dinkelsbühl, Brauchtumspflege, Kinderzeche, Bonfert, Ehrenvorsitzender

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