27. Januar 2021

Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreis 2020 online an Frieder Latzina verliehen

Um es mit den Worten von Georg Aescht, dem Vorsitzenden des Kulturpreisgerichts, zu sagen: Wäre die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft entlang der Jahrhunderte nicht schon so oft vor große Herausforderungen gestellt worden, würde man angesichts der aktuellen Situation glatt verzweifeln. Doch die Siebenbürger Sachsen zeichnen sich durch ihr Vermögen aus, auch mit verzweifelten Situationen umzugehen und diese zu meistern. Um nun also einen ihrer Meister, den Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2020, Frieder Latzina, auszeichnen zu können, haben sie mit der Tradition gebrochen und den Preis nicht zu Pfingsten in Dinkelsbühl, sondern am 24. Januar 2021 online verliehen. Die Siebenbürgische Zeitung druckt die Laudatio von Andrea Kulin, der Leiterin der Siebenbürgischen Kantorei, und die Dankesworte des Preisträgers Frieder Latzina an dieser Stelle ab.
Im Januar 2021 zu Hause: der Kulturpreisträger ...
Im Januar 2021 zu Hause: der Kulturpreisträger Frieder Latzina im Selbstporträt.

Laudatio auf Frieder Latzina

Sehr geehrter, lieber Frieder Latzina, sehr geehrtes Preisgericht, liebe siebenbürgisch-sächsische Kulturgemeinde!

Zur Wahl des Musik-Verlegers Frieder Latzina zum Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2020 ist der Kulturpreisjury ausdrücklich zu gratulieren! Denn was rechtfertigt den Erhalt einer solchen hohen Auszeichnung? Sicherlich ist es auf der einen Seite die herausragende künstlerische Leistung beispielsweise eines Autors, einer Dichterin, eines Komponisten oder einer bildenden Künstlerin. Ebenso preiswürdig aber ist der Musik-Verleger Frieder Latzina, dessen jahrzehntelanges, unermüdliches Engagement im verlegerischen Bereich zum lebendigen Musizieren ungezählter Werke unserer besten siebenbürgischen Komponisten aus Vergangenheit und Gegenwart beigetragen hat. In Frieder Latzina begegnet uns eine vielseitig begabte Persönlichkeit. Gefragt vielleicht, warum er sich im Laufe seines Lebens auch noch diesen zweiten (!) Beruf des Verlegers zugelegt habe, würde er möglicherweise in aller Schlichtheit antworten: „Weil ich’s kann!“

Wie kam es also dazu?

Ich denke, in seiner Kindheit und Jugend, die Frieder, Jahrgang 1936, in seinem Geburtsort Kronstadt verbringt, sind zwei Aspekte von entscheidender Bedeutung. Zunächst einmal der allgemeine „kulturelle, speziell musikalische Nährboden“ der Stadt, der sich zum Beispiel in der Tatsache manifestiert, dass in fast jedem bürgerlichen Haus ein Klavier steht. Die Mutter spielt es. Die Tante spielt Geige. In dieser Tradition lernt auch Frieder ab der zweiten Klasse das Geigen und ist, wie er selbst gesteht, mit mäßigem Üb-Enthusiasmus dabei. Aber stetig sich verbessernd, darf er in der siebenten und achten Klasse in Viktor Bickerichs Schülerorchester in der zweiten Geige am zweiten Pult sitzend, mitspielen. Immerhin, eine der leichteren Haydn-Symphonien ist spielbar mit dem Können der Zöglinge. Bedenkt man freilich, dass es in der Zwischenkriegszeit noch möglich gewesen war, mit den Oberschülern der Honterusschule große Beethoven-Symphonien aufzuführen, so zwangen die Umstände der frühen Fünfzigerjahre schon zu weit mehr Bescheidenheit. Drei Jahrzehnte später, in den Achtzigerjahren – meine Schulzeit! – war es dann nur noch ein kleines fünfköpfiges Orff-Orchester … Immerhin, dank des ehrenamtlichen Engagements von Ernst Phleps und Kurt Philippi gab es auch zu meiner Zeit wunderbare Schulchöre!

Doch zurück zum Hause Latzina und zu dem zweiten Aspekt, der mir sehr wichtig scheint: es ist Frieders Neugierde und, damit verbunden, seine Experimentierfreude! Der Junge setzt sich einfach ans Klavier und bringt sich autodidaktisch die Lieder und Schlager bei, die er im Radio hört! Er probiert aus, was geht! Und siehe, es klappt! Dieses Urvertrauen in die eigenen Möglichkeiten, die Freude am Ausprobieren, genau das ist es, was ihn entscheidend ausmacht. Nichts anderes als dieses Vertrauen veranlasst ihn viele Jahre später dazu, sich ein erstes Notenschreibprogramm auf dem Rechner zu installieren und 1997 seinen „MusikNoten-Verlag“ selbstbewusst als Gewerbe anzumelden.
Die Siebenbürgische Kantorei beim Konzert am 6. ...
Die Siebenbürgische Kantorei beim Konzert am 6. Januar 2016 in Karlsruhe. Links gut zu sehen: der Sänger Frieder Latzina. Foto: Georg Hutter
Doch bis es so weit ist, führt ihn die Laufbahn des ernsthaften musikalischen Amateurs im Jahre 1955 zu einem Violine-Diplom am sogenannten Konservatorium in Kronstadt. Im Maschinenbaustudium ist es dann das Studentenorchester, auf der ersten Arbeitsstelle im Traktorenwerk das Werksorchester, später das Kulturhaus-Orchester unter der Leitung von Norbert Petri, denen er stets in der zweiten Geige am zweiten Pult dient. Parallel ist immer auch das zweite Standbein im Gepäck: das Klavierspiel – ohne Noten! – bei unzähligen Bällen, Hochzeiten, Feiern. Das Spektrum ist breit und geht von sächsischer und rumänischer Volksmusik über Schlager bis hin zu Bigband-Experimenten.

In den Siebzigerjahren entdeckt Frieder dann als ein guter Tenor auch die Faszination des Chorgesangs. Für die „Siebenbürgische Kantorei“, zu deren Gründungsmitgliedern er 1987 in Deutschland zählt, fängt er als Notenwart an, sich das computerbasierte Notenschreiben anzueignen.

„Siebenbürgen, Land des Segens…“ – jeder von uns kennt es, das meistgesungene Lied des Komponisten und Kronstädter Kantors Johann Lukas Hedwig. Sein umfangreiches kirchenmusikalisches Werk lag jedoch über 100 Jahre im Dornröschenschlaf des Honterusgemeinden-Archivs. Um im Märchenhaften zu bleiben: Prinz Frieder küsste es wach im Jahre 2000. Aus den verfügbaren Handschriften bewerkstelligte er in jahrelanger Fleißarbeit Neuausgaben. So wurden die Werke wieder spielbar, erlebbar. Die Wiederaufführung des achtteiligen Oratoriums „Der Allmacht Wunder“ für Soli, Chor und großes Orchester machte 2002 den Anfang und wurde zur Feier von Hedwigs 200. Geburtstag (erst zum zweiten Mal überhaupt!) unter der Leitung von Hans Eckart Schlandt in der Schwarzen Kirche aufgeführt. Viele weitere Werke folgten. Auch die Werke eines weiteren bedeutenden Kronstädters, Paul Richter, fanden in Frieder Latzinas Verlag einen wichtigen Platz. So kamen all diese Werke mehrheitlich entweder in Kronstadt oder durch die „Gesellschaft für deutsche Musikkultur im Südosten Europas (GDMSE)“ im Rahmen der Löwensteiner Musikwochen zur Aufführung.

Ein guter Musikverleger kümmert sich jedoch nicht nur um die Vergangenheit, sondern gibt auch Werke zeitgenössischer Künstler heraus: Frieder Latzina hat in seiner nun fast ein Vierteljahrhundert währenden Tätigkeit genau dieses auch getan: er hat Werke von Helmut Sadler, Ernst Irtel, Hans Peter Türk, Hans Mild, Franz Xaver Dressler und Heinz Acker herausgegeben, um nur einige zu nennen. Freundschaftliche Beziehungen zu den Komponisten gehörten selbstverständlich dazu.

Besonders hervorzuheben ist die Herausgabe der „Messe von Kronstadt“, einem Auftragswerk der Honterusgemeinde Kronstadt, welche durch Steffen Schlandt im Jahre 2017 anlässlich des großen Reformationsjubiläums aufgeführt wurde und deren einzelne Messteile von zeitgenössischen Komponisten unterschiedlicher Konfessionen geschrieben worden sind. Dieses ist ein bedeutender Beitrag zur Ökumene im heutigen Siebenbürgen.

In den gut 23 Jahren seit seiner Gründung hat der Musiknoten-Verlag 149 Werke herausgegeben: von einfachen Chören über Kantaten mit Soli und Orchesterbegleitung bis zum Oratorium, von Kammermusik über Ouvertüren und Instrumentalkonzerte bis zu Symphonien, Blasmusikwerken, Volksliedsammlungen und anderem. 131 Werke wurden verkauft, manche nur einmal, andere mehrfach. Die Gesamtbilanz 1997-2020 ergibt jedoch unterm Strich einen jährlichen Verlust von durchschnittlich: 250 €. Ich vermute, dass die Arbeitszeit des Verlegers hier gar nicht ernsthaft eingepreist wurde ... Frieder Latzinas trockener Kommentar dazu: „Das selbstgesteckte Ziel: die Gemeinnützigkeit wurde erfüllt, da unterm Strich kein Gewinn erzielt wurde.“

Dieser knappe Satz verrät viel über Frieder Latzinas große Liebe zur Musik, zu seinen Landsleuten und zu seiner Heimat Siebenbürgen. Er reiht sich damit ein unter die Vielen, die ganz selbstverständlich und ohne geldwerten Vorteil dazu beitragen, dass die reiche Musiktradition Siebenbürgens lebendig bleibt. Dabei bleibt er am liebsten im Hintergrund, spielt am liebsten immer „die zweite Geige“, stellt sich in die zweite Reihe: so ist es ihm am liebsten. Aber niemand sollte darum seine Fähigkeiten und seine Hingabe unterschätzen.

Wir gratulieren Frieder Latzina zum Erhalt des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2020. Es ist eine hochverdiente Auszeichnung!

Wir wünschen dir, lieber Frieder, an der Seite deiner lieben Frau Irmgard noch viele, viele gesunde Jahre, die du hoffentlich zufrieden und „musikalisch“ wirst verbringen können!

Andrea Kulin

Bei den Proben der Siebenbürgischen Kantorei 2014 ...
Bei den Proben der Siebenbürgischen Kantorei 2014 in Bad Herrenalb: der Geiger Latzina. Foto: Georg Hutter

Dankesworte

Verehrtes Preisgericht, liebe Andrea, liebe Freunde!

Als ich Anfang vergangenen Jahres erfuhr, dass mir der siebenbürgisch-sächsische Kulturpreis 2020 zuerkannt worden ist, frug ich mich erstaunt: Stimmt das wirklich? Gibt es nicht eher andere, Verdienstvollere?

Als dann aber die schriftliche Mitteilung seitens des Preisgerichtes kam, war es Wirklichkeit: Ich wurde geehrt für meinen Beitrag für die siebenbürgische Musik: für die „Siebenbürgische Kantorei“, die „Löwensteiner Musikwoche“, sprich die „Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa“, sowie meine Bemühungen, in meinem MusikNoten-Verlag Werke siebenbürgischer Komponisten für die Nachwelt zu erhalten.

Bedingt durch die Pandemie, kann ich nun meinen Preis endlich heute in den Händen halten.

Dafür gilt mein Dank in erster Linie den beim Verband zuständigen Gremien, also dem Preisgericht und den Befürwortern meiner Person.

Alles, was ich in dieser Richtung erzielt habe, hätte ich aber nicht bewältigen können ohne die Unterstützung meiner Familie, vor allem meiner Frau Irmgard, der ich dankbar bin für ihr Verständnis für meine Arbeit, welche doch manchmal die Abläufe unseres Familienlebens etwas durcheinander brachte, vor allem wenn Aufführungen in Löwenstein, Kronstadt oder Dinkelsbühl anstanden.

Ebenso muss ich mich bedanken bei den Kantores der „Siebenbürgischen Kantorei“ und den jungen und erwachsenen Teilnehmern der „Löwensteiner Musikwochen“, für welche ich zwar im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten da war, von denen ich aber auch sehr viel an Tatkraft, Begeisterung, Mut und Ähnliches zurückbekommen habe.

Einen besonderen Dank möchte ich auch an die vielen Musiker richten, wie Heinz Acker, Hans Peter Türk, Eckart und Steffen Schlandt, Kurt Philippi u.a. und natürlich an die drei bisherigen Dirigenten der „Siebenbürgischen Kantorei“: Dieter Barthmes, Ilse Maria Reich und Andrea Kulin, die alle immer ein offenes Ohr hatten für meine Bemühungen, die „Fehlerquote“ meiner verlegten Werke nahe Null zu halten.

Ganz besonders muss ich mich aber bei Karli Teutsch bedanken, dessen Artikel 1998 in der Siebenbürgischen Zeitung über Johann Lukas Hedwig die Initialzündung für die Gründung meines Verlags war. Als dann 1999 bei der Löwensteiner Musikwoche mein erstes größeres Werk (Hedwigs Osterkantate) aufgeführt wurde und nach dem Konzert in der Johanneskirche Weinsberg der bekannte Heldsdorfer Lehrer Hans Franz mir mit Tränen in den Augen gratulierte, wusste ich, dass der von mir eingeschlagene Weg nicht falsch war.

Eine meiner meistgesuchten Herausgaben mit über 330 gelieferten Exemplaren sind die Chorhefte mit rumänischen und siebenbürgischen Weihnachtsliedern. Dafür muss ich mich besonders bedanken bei dem damaligen Bukarester Organisten der Evangelischen Kirche, Dan Racoveanu, der mir 1999, bei der ersten Rumänienfahrt der „Siebenbürgischen Kantorei“, Zugang zu Notenmaterial rumänischer „colinde“ ermöglichte. Bei deren Übersetzung ins Deutsche sowie bei anderen sprachlichen- und Liedtextproblemen, vor allem mundartlichen, stand mir immer Frau Rosemarie Chrestels hilfreich zur Seite, wofür ich ihr herzlich danke.

Ich hoffe niemanden übersehen zu haben und falls doch, bitte ich um Nachsicht. Zum Schluss wage ich einen Blick in die Zukunft meines Verlages: In der letzten Zeit sind Aufträge und altersbedingt eigene Suchen immer weniger geworden, so dass ich nolens volens quasi an das Ende des Verlags denken muss. Dafür gibt es einige Szenarien, aber ich kann allen versichern, es wird nichts verloren gehen. Mit meinem ganz besonderen Dank an meine Laudatorin Andrea Kulin, verbleibe ich Ihr Frieder Latzina. Ich danke allen.

Frieder Latzina


Das Video der Preisverleihung an Frieder Latzina, musikalisch umrahmt von der Siebenbürgischen Kantorei, ist auf dem YouTube-Kanal des Verbandes der Siebenbürger Sachsen zu finden: www.youtube.com/siebenbuergerde.

Schlagwörter: Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreis, Verleihung, Online-Event, digital, Musiker, Siebenbürgische Kantorei, Verband

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