16. November 2021

Jacobi erhält Constantin Brâncuși-Nationalpreis / Relief „Fufaika“ in Stadtpfarrkirche in Hermannstadt

Dem siebenbürgischen Künstler Peter Jacobi sind jüngst zwei bedeutende Ehren zuteilgeworden. In Bukarest erhielt der international bekannte Bildhauer den Nationalpreis „Constantin Brâncuși“ 2020. Die Auszeichnung verlieh das Constantin Brâncuși-Zentrum für Forschung, Dokumentation und Förderung gemeinsam mit dem Rumänischen Kulturinstitut an Jacobi in Würdigung seiner Verdienste um die Förderung von Werten in der bildenden Kunst. Besonders freute sich der 1935 in Ploiești geborene Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2003 darüber, dass ein von ihm geschaffenes Relief, das an die Opfer der Russlanddeportation erinnert, nun einen dauerhaften Standort in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt gefunden hat.
Peter Jacobi und sein den Opfern der ...
Peter Jacobi und sein den Opfern der Russlanddeportation gewidmetes Relief „Fufaika“in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt. Foto: Laura Halding-Hoppenheit
Der rumänisch-französische Bildhauer und Fotograf Constantin Brâncuși (1876-1957) gilt als einer der bedeutendsten bildenden Künstler des 20. Jahrhunderts. Das mit dem renommierten Constantin Brâncuși-Nationalpreis ausgezeichnete Œuvre Jacobis wurde in einer Retrospektive im Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst in Bukarest vom 11. Dezember 2020 bis Ende März 2021 präsentiert. Die von Sandra Demetrescu kuratierte Ausstellung „Bilderfahrzeuge“. Eine Retrospektive Peter Jacobi umfasste 100 Arbeiten aus fast sechs Jahrzehnten. Peter Jacobi ist der erste rumäniendeutsche Künstler, dem eine solche groß angelegte Werkschau im Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst (Muzeul Național de Artă Contemporană al României / MNAC) gewidmet worden ist. Der begleitend erschienene, aufwendig gestaltete dreisprachige Ausstellungskatalog wird in einer der kommenden Ausgaben dieser Zeitung besprochen. Die Verleihung des mit 3.000 Euro dotierten Preises sollte Ende Oktober im Constantin Brâncuși-Zentrum in Târgu-Jiu stattfinden, wurde aber aufgrund der angespannten Pandemielage verschoben. In der 80.000-Einwohner-Stadt Târgu-Jiu im Vorland der Südkarpaten steht auch Brâncușis 30 m hohe Säule der Unendlichkeit.

„Bewegend, ja schmerzlich anzusehen“

Persönlich tief berührt hat den Künstler, der sich seit Jahrzehnten mit Formen der Erinnerungskultur auseinandersetzt, dass seinem Relief „Fufaika“ ein permanenter Platz in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt bestimmt wurde.
Fufaika-Originaljacke, getragen im Lager in ...
Fufaika-Originaljacke, getragen im Lager in Krivoy Rog (1945-47). Sammlung und Foto: Siebenbürgisches Museum Gundelsheim
Fufaika ist die russische Bezeichnung für eine wattierte, bis knapp über die Hüfte reichende Steppjacke mit leinenartig dicht gewebtem, einfarbigen Oberstoff. Was es mit dem vor bald 30 Jahren entstandenen Werk auf sich hat, erklärt Peter Jacobi folgendermaßen: „Ich habe die beiden Brüder meiner Mutter, Oskar und Felix Porsche, mit ihren Frauen sowie den Bruder meines Vaters, Michael Jacobi, 1949, nach der Rückkehr aus den sowjetischen Arbeitslagern, in diesen Arbeitsjacken gekleidet gesehen. Diese Bilder haben sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt, so dass ich dann ca. 1973 dieses Relief realisiert habe. Ich durfte es 2020 der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt schenken. Es wurde in die Kirchenwand eingelassen in der Nähe der Listen der in den Lagern verstorbenen Hermannstädter Menschen. Hier wurde ich auch 1952 konfirmiert.“

Die mit der Einweihung am 10. Oktober besiegelte Werkverortung im Kirchenraum fand großen Anklang. Aus den Reaktionen, die Peter Jacobi erreichten, hier nur einige wenige ausgewählte Stimmen. Für Jana Flottmann von der Deutschen Botschaft Bukarest ist es wichtig, „dass diese persönlichen Erinnerungen an nächste Generationen weitergegeben werden gegen das Vergessen. Mit Ihrer Schenkung des Reliefs an die evangelische Stadtpfarrkirche in Hermannstadt, einem Ort der Andacht und der Begegnung, bleiben diese Erinnerungen wach.“

Dr. phil. Andrea Gnam, Privatdozentin an der Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Wien, Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie, befindet: „... eine Abstraktion, die aus dem Anblick des Haptischen hervorgeht und dann wieder haptisch realisiert wird. Spürt man sogar auf dem Foto zwischen den Fingern.“

Dr. Isabel Greschat, Kunsthistorikerin, Museumsdirektorin in Ulm: "Das ist unglaublich schön und die Erinnerung dahinter sehr beeindruckend."

Dr. Renate Nimtz-Köster (Der Spiegel): „Bewegend, ja schmerzlich anzusehen, diese Jacken, sie zeugen von Qualen, wie sie ja auch Herta Müller in der Atemschaukel beschrieben hat. Großartige Idee, Dein Relief.“

Karin Servatius-Speck: „Es ist in Stein gemeißelt! Nein, besser: C´est gravé dans le marbre. Der weiße Marmor mit den feinen dunklen Schlieren der Einlagerungen zum Gewand gewandelt einer so schrecklichen Erinnerung, in Marmor gemeißelte Zeitgeschichte, Lebensgeschichten! Und nun im zeitenüberdauernden Gotteshaus geborgen, ‚festgemauert’ (F. Sch.) für immer.“

Christian Schoger

Schlagwörter: Kunst, Künstler, Peter Jacobi, Bukarest, Museum, Ausstellung, Preis, Skulpturen, Bildhauer, Brancusi, Hermannstadt, Stadtpfarrkirche, Relief, Deportation, Russlanddeportation, Schoger

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Neueste Kommentare

  • 19.11.2021, 09:52 Uhr von John Geoffrey: Danke lieber Peter Jacobi für diese dauerhafte "Pufoaika" Erinnerung an unsere Vorfahren und die ... [weiter]

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