6. August 2022

AKSL-Tagung in Hermannstadt: "Agrarreform in Rumänien im regionalen und internationalen Vergleich in der Zwischenkriegszeit (1918-1938)"

Am 8.-9. September findet in den Räumen des Instituts für Geisteswissenschaften in Hermannstadt die diesjährige Tagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL), Sektion Rumänien, statt. Sie wurde von PD. Dr. Dietmar Müller und Dr. Ulrich A. Wien vorbereitet. Persönliche Teilnahme an den Vorträgen ist für Gäste (mit Maskenpflicht) nach Voranmeldung (E-Mail: jderzsi[ät]icsusib.ro) möglich. Quartier muss sich jeder selbst besorgen. Am 9. September findet die Mitgliederversammlung des AKSL-Rumänien im Saal des Instituts für Geisteswissenschaften in Hermannstadt im Anschluss an die Tagung zur Agrarreform statt. Die Mitglieder werden zur regen Teilnahme eingeladen.
Für Rumänien ebenso wie für alle übrigen Staaten Ostmittel- und Südosteuropas war in politischer, wirtschaftlich-sozialer und symbolischer Hinsicht die Durchführung einer mehr oder minder durchgreifenden Agrarreform nach dem Ersten Weltkrieg von erstrangiger Bedeutung. Während sich Kleinbauern und Landlose von einer Bodenumverteilung die Vermehrung ihrer Lebenschancen versprachen, erwarteten die Eliten darüber hinaus die Steigerung des wirtschaftlichen Potentials des Landes, eine staatsbürgerliche Integration der ländlichen Bevölkerung in Politik und Wirtschaft, und nicht zuletzt eine nachhaltige Verschmelzung der neuerworbenen Provinzen mit den politischen Kernländern. Aus siebenbürgischen Bauern sollten rumänische Bürger werden. Alle Staaten der Region waren ganz oder teilweise auf den Trümmern der kontinentalen Imperien (Osmanisches, Russisches, Deutsches und Habsburgerreich) erstanden, wobei die Bevölkerung der Nationalstaaten ebenso multiethnisch und multireligiös war, wie die der Großreiche. Die neuen Staaten hatten jedoch nicht nur eine diverse Bevölkerung geerbt, sondern auch Provinzen mit eigenen Institutionen und eigener Rechtskultur. Aus der Perspektive der politischen Zentren Bukarest, Belgrad, Warschau, Prag etc. war die Agrarreform nur der erste Schritt auf einem längeren Weg, der über die Vereinheitlichung von Institutionen und Kulturen zu einem stabilen und integrierten Nationalstaat führen sollte.

Es wird deutlich, dass eine wirtschaftliche und soziale Betrachtung der rumänischen Agrarreform zumal aus rein nationaler Perspektive keinesfalls ausreicht, um ihr Gepräge und ihre Bedeutung zu ermessen. Auf dieser Tagung soll sie vielmehr multiperspektivisch, im ostmittel- und südosteuropäischen Vergleich sowie in ihrer internationalen Dimension analysiert werden (Müller, Janjetović). Multiperspektivität wollen wir insbesondere durch eine Analyse der Agrarreform aus dezidiert regionaler Sicht herstellen, indem wir ihre Umsetzung in den Großregionen des Landes verfolgen: Siebenbürgen und Banat, Bessarabien und Dobrudscha sowie dem Altreich (Suveică, Graf). Zudem tragen wir dem Umstand Rechnung, dass der rumänische Gesetzgeber mit dem Minderheitensystem des Völkerbundes sich einem internationalem System gegenüber sah, das Bukarest in der Formulierung und Umsetzung der Agrarreformen gewisse Grenzen setzte (Schiel). Weitere Schwerpunkte liegen auf der konzeptionellen Ebene der Agrarreform, wo wir die die ihr zugrundeliegenden Werte und Planungen analysieren (Stoenescu, Micu). Ein besondere Schwerpunkt liegt auf der Betroffenheit der deutschen Gruppen in Rumänien, insbesondere der Siebenbürger Sachsen, wobei wir über die Enteignung individueller Landbesitzer vor allem die Dimension des kollektiven Eigentums in den Blick nehmen (Ciobanu, Wien, Weger). Eine weitere Minderheitendimension besteht in der Analyse der Anpassungs- und Widerstandsstrategien ungarischer Großgrundbesitzer in Siebenbürgen und vor internationale Foren, wie dem Völkerbund (Diaconescu/Şendrea).

Diese Tagung nimmt in mehrfacher Hinsicht eine vergleichende Perspektive ein. Einerseits eröffnet der regionale Zugriff einen innerrumänischen Vergleich etwa zwischen Siebenbürgen, Bessarabien und dem Banat sowie zwischen dem Altreich und der Dobrudscha, wobei Bukarest jeweils als Zentrum politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen fungiert. Durch die Hinzuziehung der Agrarreformen in anderen Staaten Ostmittel- und Südosteuropas andererseits können diese als nationale Politiken miteinander verglichen werden. Schließlich erlaubt der komparative Ansatz eine transregionale Perspektive, in der zum Beispiel post-habsburgische Provinzen wie Siebenbürgen, Vojvodina und Galizien oder post-zaristische Regionen wie Bessarabien mit den polnischen Kresy verglichen werden. Manche dieser Vergleich werden explizit in einem Vortrag, manche als Ergebnis mehrerer Vorträge umgesetzt.

Tagungsprogramm

8. September
9.00-9.30 Uhr
Begrüßung und Einführung / Welcome and introduction
Ulrich A. Wien, Dietmar Müller

9.30-10.30 Uhr
Dietmar Müller: Agrarian reforms in interwar East Central and Southeastern Europe. Comparison and international entanglements

10.30-11.00 Uhr Kaffepause / Coffee Break

11.00-12.30 Uhr
Normen und Vorstellungen der Agrarreform in Rumänien / Norms and concepts of the Romanian Agrarian Reform
Chair: Ulrich A. Wien
Cornel Micu: Land Reforms and the Myth of the Free Peasant in Interwar Romania
Roxana-Alice Stoenescu: Das Konzept der Arbeit im ländlichen Raum Rumäniens

12.30-13.30 Uhr Mittagessen / Lunch

14.30-16.30 Uhr
Die Agrarreform und die Minderheiten / The Agrarian reforms and the minorities
Chair: Sorin Radu
Vasile Ciobanu: Der Diskurs der siebenbürgisch-sächsischen politischen Elite zur Frage der Agrarreform 1921
Ulrich A. Wien: Die Agrarreform 1921 in Rumänien und ihre Folgen für Kirche und Schule in der Evang. Landeskirche A. B.
Tobias Weger: Auswirkungen der rumänischen Agrarreform von 1921 auf die ländlichen deutschen Kolonisten in der Dobrudscha und ihre Nachbarn
András Tóth-Bartos: The Agrarian Reform of 1921 in Transylvania and the Hungarian Minority

17.00-17.30 Uhr Kaffepause / Coffee Break

17.30-19.00 Uhr
Internationale und lokale Dimensionen der Agrarreform / International and local dimensions of the Agrarian Reform
Chair: Andrei Florin Sora
Ingrid Schiel: Die rumänische Agrarreform von 1921 im Spiegel der Völkerbundakten in Genf
Marius Diaconescu / Bianca Şendrea: The strategies of the former landowners against the agrarian reform. Two case studies: Zoltan and Nicholas Banffy

19.30 Uhr Abendessen / Lunch

9. September
9.30-11.30 Uhr
Zentrum-Peripherie Beziehungen im inter-regionalen Vergleich / Centre-Periphery relations in interregional comparison
Chair: Dietmar Müller
Zoran Janjetović Agrarreformen und Kolonisierung in Jugoslawien 1918–1948
Rudolf Gräf: Die Agrarreform im rumänischen Banat
Svetlana Suveică: The Agrarian Reform in Interwar Bessarabia: Legislation, Implementation, Impact

11.30-12.00 Uhr
Abschlussdiskussion / Final discussion

Schlagwörter: AKSL, Tagung, Hermannstadt, Wissenschaft, Einladung

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