7. November 2024

De Līdertrun feiert goldenes Jubiläum: „Klie wäld Vijjeltchen“ als Glückszeichen und treuer Wegbereiter

De Līdertrun feiert bei einem Konzert am Sonntag, den 10. November, um 15.00 Uhr im Haus der Heimat, Imbuschstraße 1, in Nürnberg ein ein besonderes Jubiläum: 50 Jahre Bühnenpräsenz. Die Mitglieder des Ensembles definieren sich selbst im Vorwort zu einer CD recht bescheiden als „freie Verbindung von Hobbymusikern aus Siebenbürgen“. Angelika Meltzer nennt sie indes treffender „eine Institution der siebenbürgischen Musikszene“.
In den Anfangsjahren waren (von links) Hans ...
In den Anfangsjahren waren (von links) Hans Seiwerth, Karl Heinz Piringer und Kurt Wagner als Trio Cibinensis unterwegs. Hier bei Aufnahmen für den Film „Bäm Honterstreoch“ in Hermannstadt. Foto: Michael Gewölb
Die Grundformation des Ensembles besteht heute aus Karl Heinz Piringer, Hans Seiwerth und Michael Gewölb. Es ist aber seit der Neugründung 2002 Brauch, dass bei Auftritten Angehörige mitwirken, wie zurzeit Angela Seiwerth. In früheren Jahren waren auch die mittlerweile erwachsenen Kinder mit dabei.

Ihr Repertoire umfasst siebenbürgische Volkslieder in eigener Bearbeitung. Das Genre definieren sie als „FREI mit Einflüssen unterschiedlicher Gattungen. Ein Hauch von Mittelalter bleibt unverkennbar.“ Die Līdertrun hat im Laufe der Jahre ihren eigenen Sound gefunden. Ihr Markenzeichen sind Auftritte mit unzähligen Musikinstrumenten, die die Musiker aus ihrer Līdertrun (Liedertruhe) zaubern und bei denen sie der eigenen Spielfreude freien Lauf lassen. Dazu gehören außer zwei Gitarren, Akkordeon, Geige und Klavier auch Bordunzither, Schalmeien, Sackpfeifen, Quer-, Block- und Hirtenflöten, Cornetto, Ventilposaune, Trompetengeige (Strohgeige), Vibrandoneon, Mundharmonikas, verschiedene Schlaginstrumente, auch exotische wie Kalimba u.a.m.

Das Jubiläum ist ein guter Anlass, den Blick in die Vergangenheit zu richten. „Die Anfänge der Gruppe liegen beim Wehrdienst“, erinnert sich Karl Heinz Piringer mit einem Schmunzeln. „In unserer militärischen Einheit (pluton) dienten zukünftige Sprachstudenten, Musiker und Sportler. Es war eine tolle Atmosphäre. In der Freizeit wurde viel musiziert. Dort lernte ich Kurt Wagner kennen.“ Im Juni 1974 war der Wehrdienst zu Ende, die Freude an der Musik aber nahmen die Jungs in das Studentenleben mit.

Kurt Wagner und Karl Heinz Piringer begannen ihr Studium am Hochschulinstitut für Philologie und Geschichte in Hermannstadt. Im Studentenheim wurden sie Zimmergenossen. Gelegentlich musizierten sie im Baderaum, sangen Lieder von Simon & Garfunkel, den Beatles u.a. Irgendwann stimmten sie auch das Klie wäld Vijjeltchen an und fanden Gefallen daran. Sie sangen es zweistimmig, wobei sie sich an Simon & Garfunkel orientierten.

Schon am 16. November 1974 habe er in sein Tagebuch eingetragen: „Unser Konzert war ein voller Erfolg“, erzählt Piringer. Damit meint er seinen ersten gemeinsamen Auftritt mit Hans Seiwerth, Marius Ungureanu und Kurt Wagner im Alexandru-Sahia-Saal in der Feldgasse in Hermannstadt. „Der Saal war bescheiden, die Ausstattung aus heutiger Sicht mangelhaft, die Mikrophone anfällig – aber die Stimmung war grandios! Wir wurden sogar um Autogramme gebeten!“, erinnert er sich. Am Ende des Konzertes sang er gemeinsam mit seinem Freund Kurt Wagner das alte siebenbürgisch-sächsische Volkslied Et såß e klie wäld Vijjeltchen (Es saß ein klein wild Vögelein). Die Bearbeitung – so auch Hans Seiwerths begleitendes Querflötensolo – war angelehnt an Simon & Garfunkel.

Und genau das Wäld Vijjeltchen war es, das vor 50 Jahren den jungen Studenten Glück brachte und ihren musikalischen Weg weiter bestimmen sollte. Im Publikum waren nämlich nicht nur Ricky Dandel und Wolf von Aichelburg, sondern auch Christian Berger, Redakteur bei der deutschen Sendung von Radio Bukarest. „Er war auf dem Heimweg von Klausenburg und erst gegen Ende des Konzertes in den Saal geschlichen, hatte aber das Wäld Vijjeltchen gerade noch mitbekommen“, so Piringer. Berger machte den Studenten das Angebot, sie für eine TV-Musiksendung zu engagieren, wenn sie noch vier bis fünf Volkslieder in der Art bieten könnten.

„Wir standen unter Druck. Es sollte etwas Besonderes sein. Die Fernsehaufnahmen sollten schon im Februar 1975 stattfinden. Wir suchten Lieder und probten im Wohnzimmer der Familie Seiwerth“, erzählt Piringer. Zum Wäld Vijjeltchen kamen schließlich noch folgende Lieder dazu: Ech schmiss zwo äddel Riusen, Ech geng ä menges Vuëters Guërten, Et kåm a gang Härr, Honnes Moler und Se suule regde (Fahrt ins Elfenland).

Beim Fernsehauftritt 1975 kündigte man sie als Cibinium Trio an. Sie waren damit einverstanden und traten danach unter diesem Namen auf.

Während der Fernsehaufnahmen in Bukarest lernten sie den Regisseur Dan Grigore Popa und den Kameramann Traian Rocşoreanu kennen. Die beiden machten dem Trio Cibiniensis den Vorschlag, einen Film mit dem Titel „Der Traum“ zu drehen. Das Drehbuch bestand aus einer Rahmenhandlung, in der Studenten eine Wanderung mit Rucksäcken machen und unter der Stolzenburg in Zelten übernachten. Die Volkslieder sollten als Träume eingearbeitet werden. Der Film fiel der Zensur und der Filmschere zum Opfer. Das Cibinium Trio musste zu Hans Liebhardt, dem Direktor des Deutschen Fernsehens, gehen und so viele Zugeständnisse machen, dass man den Inhalt schließlich gar nicht mehr verstehen konnte. Den nächsten Film „Bäm Hontertstreoch“ nennt Piringer „im Verhältnis dazu harmlos“. Das Projekt hatte aber für die Gruppe den großen Vorteil, dass Michael Gewölb mit seiner Geige dazu stieß. „Ein großer Gewinn“, so Piringer heute. „Wir nannten uns danach das Cibinium Quartett. Berufliche und private Entwicklungen ließen Auftritte seltener werden. 1980 gab es in Kerz in der heutigen Dreierbesetzung den vorerst letzten Auftritt in Siebenbürgen – u.a. mit Et såß e klie wäld Vijjeltchen.

Zweite Phase – als „De Līdertrun“

Nach einer gut 20-jährigen Pause ging es dann 2002 in Deutschland weiter. Anlass war abermals ein Film, die Fortsetzung vom „Traum“. Gerd Ungureanu hatte das Drehbuch geschrieben. Traian Rocşoreanu wirkte wieder als Kameramann mit. Auch wenn der zweite „Traum-Film“ den Weg in die Öffentlichkeit verfehlte, war das Treffen doch erfolgreich. Es markierte den Start in eine neue, äußerst fruchtbare Phase der Zusammenarbeit. Die Kinder der Akteure, Karen und Eva Piringer, Nora und Ingmar Seiwerth sowie Simon und Jonas Gewölb, spielten jetzt mit. Kurt Wagner war bis 2007 auch dabei. Die Familien machten nicht nur gemeinsam Musik, sie waren befreundet und verbrachten auch ihre Freizeit gerne zusammen.
„De Lı¯dertrun“ bei einem Auftritt in ...
„De Lı¯dertrun“ bei einem Auftritt in Stuttgart nach der Vorlesung von Iris Wolff im Jahr 2024. Foto: Gabriel Holom
Mit dem neuen, erweiterten Repertoire tingelten sie durchs Land. Auf Einladung von siebenbürgischen Kreisgruppen haben sie schon in vielen Städten in Deutschland gespielt. Auftritte bei Kulturveranstaltungen auf Schloss Horneck sind für sie genauso Heimspiele wie die Konzerte in Siebenbürgen in Hermannstadt, Mühlbach, Schäßburg, Kronstadt und Hamruden. Etwas Besonderes waren die Auftritte in Wels und Wien sowie das gemeinsame Musizieren mit befreundeten Musikern im spanischen Galizien.

Die neue Phase verlangte auch einen neuen Namen. Warum aber gerade De Līdertrun (Liedertruhe)? Weil dieses Möbelstück in Siebenbürgen eine besondere Rolle spielte. Darin wurde etwas Wertvolles aufbewahrt. Es gab Mehl-, Kleider- und sogar Betttruhen. Besonders angesehen waren aber die Nachbarschaftstruhen. Sie waren ein Symbol für die geltenden Werte und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie sind auch ein Sinnbild dafür, was man aus der alten Heimat mitgebracht hat.

2004 kam eine erste CD heraus „De Līdertrun – Siebenbürgisch-sächsische Balladen“. Danach erweiterte das Ensemble sein Repertoire um rumänische, ungarische, landlerische und jiddische Lieder. Die neuen Bearbeitungen wurden 2014 auf der CD „De Līdertrun – Alte Lieder aus jungen Jahren“ festgehalten. Beide Aufnahmen sind im privaten Rahmen (home recording) entstanden und dokumentieren die künstlerische Entwicklung der Gruppe. Aber ganz egal, wie weit die Līdertrun ihr Repertoire spannt, ein Titel ist bei jedem Konzert dabei: das Klie wäld Vijjeltchen. Möge es mit seinem Bekenntnis zu Freiheit, Wahrhaftigkeit und Einmaligkeit der Līdertrun auch in Zukunft Glück bringen, ihr neue Wege eröffnen und zu neuen Ideen inspirieren.

Margrit Csiky

Schlagwörter: Lidertrun, Musik, Konzert, Nürnberg

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