4. Dezember 2024

„Wer mit sich selbst in Frieden lebt …“: Samuel Beer zum Neunzigsten

Als Samuel Beer am 4. Dezember 1934 in Neppendorf in Siebenbürgen in einer Bauernfamilie als fünftes von sieben Kindern zur Welt kam, war ihm sicherlich nicht in die Wiege gelegt worden, was dann aus ihm geworden ist: ein Mensch, der nach neunzig Jahren gelassen darauf zurückblickt: ein erfülltes Leben, das allen Widrigkeiten widerstanden und jemand hervorgebracht hat, der in Frieden mit sich und seinem Umfeld lebt.
Samuel Beer. Foto: privat ...
Samuel Beer. Foto: privat
Das kann nun wahrlich nicht jeder von sich behaupten. Vorgezeichnet waren die Stationen dieses unsteten Lebens bestenfalls ganz zu Beginn, während der glücklichen Kindheit. Die weiteren hat er sich, teils mühsam, aber scheinbar unbeirrt, erlernt, erarbeitet, erkämpft, erwirtschaftet, regelrecht er-lebt: die Ausbildung zum Grundschullehrer an der Bergschule in Schäßburg, nach dem unfreiwilligen Militärdienst, u.a. im Bărăgan, die Lehrertätigkeit an diversen Schulen in Neppendorf und Hermannstadt; und, biografisch zentral: 1959 die Eheschließung mit Sara, geb. Fleischer, seiner Lebensgefährtin über alle Fährnisse hinweg, die dann sozusagen folgerichtige Geburt der Kinder Ute und Uwe; das Fernstudium der Philosophie von 1963 bis 1969 an der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg. Die darauffolgende Direktorentätigkeit setzte einen Schwerpunkt auf die deutschsprachigen Klassen dort.

1979 dann die Absetzung, und zwar nicht (nur) von der Schule, sondern vom ganzen Land und seinem unerträglichen System: nach Deutschland, genauer: Stuttgart, Baden-Württemberg, vorerst als Lehrer; ab 1. Januar 1982 wurde er zum Direktor der Bundesgeschäftsstelle der Künstlergilde e.V. Esslingen berufen; damit amtierte er, immerhin 18 Jahre lang, auch als Chefredakteur der gleichnamigen Vierteljahresschrift; ab 1998 außerdem als Generalsekretär des Internationalen Exil P.E.N. Clubs, Abteilung deutschsprachige Länder; zu den Aufgaben dieses Ehrenamts gehörten u.a.: die Betreuung von Schriftstellern im deutschsprachigen Raum, die ihre Heimat aus politischen Gründen verlassen mussten, sowie die Mithilfe bei der Organisation von Tagungen im In- und Ausland; 2006 stellte er sich nicht mehr zur Wahl, in das Amt gewählt wurde sein ehemaliger „Päda“-Schüler Horst Samson, ab 2014 Hellmut Seiler.

Wer mit „Sam“ bei all diesen Gelegenheiten zu tun hatte, wird bald festgestellt haben: er war unbeirrbar sachlich, und trotzdem warmherzig; er machte – bei aller Unaufdringlichkeit und vornehmen Zurückhaltung – die eigene Position unmissverständlich klar und vertrat sie deutlich; ging auf den Standpunkt seines Gegenübers ein, ohne sein Ziel aus den Augen zu verlieren; nüchterner Pragmatiker, aber auch für Humor empfänglich; konsequent in seinem Handeln, aber niemals starrsinnig oder gar stur; auf Lösungen bedacht, ohne sich unbedingt selbst als Teil dieser Lösung zu sehen. Vorgedrängt hat er sich nie; aber er war unverzichtbar, wo auch immer er auftrat.

Und, als hätte es noch weiterer Beweise seiner Rastlosigkeit bedurft, bringt er – in vergleichsweise hohem Alter – gleich zwei Bücher heraus, die ihn als akribischen Nachzeichner historischer Unabwendbarkeit bzw. Niedertracht wie auch unbestechlichen Zeitzeugen ausweisen: „Daheim in der Fremde. Die Geschichte der Familie Beer/Penonre aus Neppendorf“ und „Mein Leben in zwei Welten. Gedächtnisprotokolle“, 2018 und 2019 im Schiller Verlag erschienen. Auch ihm ist, augenscheinlich „… gegeben, an keiner Stätte zu ruh‘n“.

Ich bin mir sicher, lieber Sam, im Namen vieler, die wir dich kennen, zu sprechen: wir wünschen dir noch viele erfüllte Jahre, im Frieden mit dir selbst – und mit deinen Lieben. Ohne dass du dich zurücklehnst.

Hellmut Seiler

Schlagwörter: Jubilar, Beer, Neppendorf, Vierteljahresschrift, Lehrer

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