8. Januar 2025

Zipser-Künstlerinnen in der Stuttgarter Vortragsreihe porträtiert

Unter dem Titel „Siebenbürgen im Gepäck: 3 Frauen – 3 Generationen - 3 künstlerische Selbstentwürfe zwischen Deutschland und Rumänien“ hielt Dr. Heinke Fabritius am 27. November einen interessanten Vortrag im Stuttgarter Haus der Heimat. Heinke Fabritius ist Kunsthistorikerin und Kulturreferentin für Siebenbürgen, den Karpatenraum, Bessarabien und die Dobrudscha am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim am Neckar.
Dr. Heinke Fabritius vor dem Titelbild ihrer ...
Dr. Heinke Fabritius vor dem Titelbild ihrer Präsentation über die drei Zipser-Künstlerinnen in Stuttgart. Foto: Helmut Wolff
In den Werken der drei Künstlerinnen Katharina, Pomona und Elena Zipser – Großmutter, Mutter und Tochter – entfaltet sich nach den Worten von Dr. Heinke Fabritius eine eigene Form des Generationenvertrags: die des Kreativitätstransfers im Wechselspiel der Ideen und Konzepte, zwischen Überliefertem und Neuem.

Besonders Katharina Zipsers Werke, signiert mit „KATH.“, sind auch Spiegel ihre Biographie, die geprägt ist von der Erfahrung des Weggehens aus der Heimat einerseits und des Ankommens und Daseins in einer neuen Gesellschaft. Die Künstlerin wurde 1931 in Hermannstadt geboren und zeichnete schon als Kind gerne, malte am liebsten mit den Farbstiften des Vaters, des Malers Dolf Hienz. 1950 bis 1954 studierte sie Malerei an der Kunstakademie in Klausenburg, um ab Herbst 1954 ihr Studium an der Kunstakademie Bukarest fortzuführen. Sie veröffentlichte Bilder unter dem Namen Kathrien Hienz in der Zeitung Neuer Weg und illustrierte eine Ausgabe der Haltrich-Märchen.

Nach der Heirat mit dem Bildhauer Paul Zipser lebte sie bei der Familie ihres Mannes in Ploiești. Ihre eigene Familie war nicht mehr in Rumänien, alle waren nach Deutschland ausgewandert. Nach dem Unfalltod ihres Mannes 1966 im Donaudelta übernahm sie dessen Lehrauftrag als Kunsterzieherin in Ploiești, ließ sich aber gleichzeitig als Freskomalerin ausbilden. Der „sozialistische Realismus“ nach sowjetischem Vorbild war damals in der Kunst vorgegeben, so dass sich Katharina Zipser vom herrschenden System künstlerisch eingeschränkt fühlte. Eine Befreiung aus dieser „Kunst-Diktatur“ fand sie, so überraschend das klingen mag, in der nicht weniger restriktiven Ikonenmalerei: „Da sind die Vorgaben rein formell“, erklärt Zipser den scheinbaren Widerspruch. „Da kam es nur auf die Qualität an.“

1966 lernte sie ein Jahr lang byzantinische Ikonen- und Freskenmalerei und damit auch den Einsatz von Goldbeschichtungen. Sie war davon beeindruckt, wie das Gold das Licht reflektierte und so setzt sie auch in späteren Werken häufig Quarzglimmer ein, um ähnliche Effekte zu erzielen. Zipser absolvierte eine Ausbildung als Kirchen- und Ikonenmalerin beim Rumänisch-Orthodoxen Patriarchat, spezialisierte sich auf byzantinische Kirchen- und Ikonenmalerei und übernahm Freskoarbeiten ab 1968 in verschiedenen rumänischen Dorfkirchen des Bărăgans. Sie wurde vom damaligen Patriarchen als Ikonenmalerin anerkannt und ihre Bilder heiliggesprochen, obwohl sie Frau und Lutherisch-Protestantin aus angesehener bürgerlichen Familie war.

1970 wanderte Katharina Zipser in die Bundesrepublik Deutschland aus und wohnte in München. Nach zwei Jahren erhielt sie ein zweijähriges Stipendium im Atelierhaus in Worpswede. Als Mitglied der Vereinigung Kunst am Bau gestaltete sie weiterhin große Flächen. Ihre Bilder wurden im Haus der Kunst München, in Berlin, Köln, Hannover und in zahlreichen Einzelausstellungen gezeigt. Seit 1985 unterrichtete sie an der Volkshochschule Malerei, Komposition, Ikonenmalerei und Aktzeichnen. 1999 erschien im Verlag des Südostdeutschen Kulturwerks München der Film „Künstlerporträt Katharina Zipser“ von Günter Czernetzky, in dem zu Beginn das überdimensionale Wandgemälde in der Eingangshalle der Bausparkasse „Badenia“ in Karlsruhe vorgestellt wird.

In den ersten Jahren dieses Jahrtausends übernahm Katharina Zipser die Gestaltung eines verfallenen Gutshauses, „des Lügenmuseums“ in Gantikow bei Berlin, wo sie mit Schülern, Kollegen und Freunden ein mehrstöckiges Gebäude be- und ausmalte. Ende der 1990er Jahre bis 2007 wandte sie sich der abstrakten Malerei zu, und so entstanden Werke mit fortschreitender Auflösung des Figürlichen mit ungewöhnlichen Übergängen in gleißendem, diffusem „surrealistischem“ Licht.

2007-08 stellte Katharina Zipser Gemälde und Zeichnungen hauptsächlich aus den 1980er und 1990er Jahren im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim auf Schloss Horneck aus. Es sind andersartige, mystisch anmutende Bildwelten, in denen die Bindung an den Gegenstand als Thema meist wegfällt, z.B. in den Werken „Stillende Sphinx“ 1988, „Taurus“ 1991, „Akrotyri“ 1993 und „Anamur Kybele“ 1993.

In Hermannstadt gibt es eine sehr charakteristische Arbeit von Katharina Zipser mit dem Titel „Herabsteigender Christus“ (1987/2003). Das Kreuz ist eng in den Bildraum gefügt und stößt an die Bildränder. Der Gekreuzigte scheint nicht festgenagelt zu sein, er tritt uns aus dem Bild entgegen – das könnte man als ein Hinweis auf die Auferstehung Jesu von den Toten deuten. Das Gemälde, eine Schenkung der Künstlerin an die Evangelische Kirchengemeinde ihrer Heimatstadt, befindet sich seit 2008 in der Johanniskirche.

2008 wurde sie mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis geehrt. Eine von Frieder Schuller initiierte Ausstellung in Schäßburg war anschließend im Brukenthalmuseum in Hermannstadt und an weiteren Orten in Rumänien zu sehen. Die bisher größte Ausstellung Zipsers wurde 2014 von Irmgard Sedler konzipiert und im Museum Kleihues-Bau, Kornwestheim, auf 400 qm gezeigt. Dazu erschien ein umfangreicher Ausstellungskatalog.

In ihren Arbeiten geht Katharina Zipser niemals nur von dem Gesehenen aus, sondern lässt sich von ihren Gefühlen leiten. In ihren Porträts und Aktzeichnungen wird das besonders deutlich, denn sie sind echte Charakterstudien, die das Wesen der dargestellten Personen zeigen. Im Bild „Innere des Rückens“ weist sie auf die Schmerzen hin, in „Der steinerne Gast“ malt sie in der steinernen Person in der Bildmitte ihren im 2. Weltkrieg verstorbenen Vater.

Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte Heinke Fabritius Pomona, die Tochter, und Elena, die Enkelin von Katherina Zipser anhand ihrer Kunstwerke vor.

1970 wanderte Pomona Zipser im Alter von zwölf Jahren mit ihrer Mutter in die Bundesrepublik Deutschland aus, doch auch sie trug in ihrem Herzen und in ihrem künstlerischen Gepäck ihre Heimat mit. Vor ihrem Studium an der Akademie der bildenden Künste in München und Berlin hatte sie byzantinische Freskokunst sowie Kirchen- und Ikonenmalerei in Rumänien studiert. Sie mag Holzplastiken, arbeitet gerne mit Sperrholz, auch gebundene, geknotete Plastiken. Pomona unterstützte ihre Mutter bei der Ausführung großformatiger Wandmalereien in München. In ihren Kunstwerken erzählt sie Geschichten, z.B. in „Schloß öffnen sich die Fenster“, oder im Scherenschnitt „Zugsturz“; im Werk „Unfall“ wird eine Frau mit dem Kran auf die Erde gebracht. Viele ihrer Werke erinnern an die Fragilität und Labilität des Lebens: eine Skulptur aus Holz, die einem Ziehbrunnen ähnelt, wurde abgebaut und kam in ein Depot, und ihr Werk „Für eine gewisse Zeit“ wurde nur drei Tage aufgestellt.

Ihre Tochter Elena Zipser, geboren 1988, Enkelin von Katharina, ist in der dritten Zipser-Generation bildende Künstlerin. Auch in ihren Werken gibt es einen Bezug zur Heimat ihrer Mutter und Großmutter. Als sie an der Katharinas Ausstellung in Kronstadt teilnahm, schuf sie Bilder des Hotelzimmers, in dem sie übernachtete, in Bukerest malte sie „Hunde in der Gara de Nord“, dem Nordbahnhof, und da sie Motive mit Wasser sehr schätzt, entstand 2015 „Wie sieht es wohl im Donaudelta aus“.

Auch wenn das Interesse der Landsleute – gemessen an der Zahl der Besucher – geringer war als z.B. bei Literaturveranstaltungen im Stuttgarter Haus der Heimat, erreichte Heinke Fabritius mit ihrem informativem Vortrag ihr Ziel, auf die Qualität der siebenbürgischen Gegenwartskunst hinzuweisen.

Helmut Wolff, Kulturreferent

Schlagwörter: Zipser, Kunst, Stuttgarter Vortragsreihe

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