28. März 2025
Brukenthal-Biograf und noch sehr viel mehr: Zur Person von D. Dr. Georg Adolf Schuller (1862-1939)
In seiner „Kleinen Geschichte Siebenbürgens“ formuliert Dr. Harald Roth sehr prägnant die Zeitumstände, welche das Leben meines Urgroßvaters D. Dr. G. A. Schuller bestimmten. Bezogen auf die politischen Auswirkungen der 1867 erfolgten weitgehenden Loslösung Ungarns von der Habsburger Monarchie schreibt Roth: „Der sich unter Joseph II. bereits andeutende, 1848, 1867 und mit der Verwaltungsreform 1876 schrittweise realisierte Verlust ihres [der Sachsen] politischen Gewichts [...] hatte weitreichende Verlagerungen im gesellschaftlichen Leben zur Folge [...] Schwerpunkte wurden die Pflege und der Ausbau des ohnehin hochentwickelten konfessionel- len Schulwesens sowie die ökonomische Stärkung der Landwirtschaft und des Gewerbes durch Genossenschaften, Vereine, Banken, verbesserte Ausbildung und Reformen. Die Bedeutung des sich um diese Zeit herausbildenden Geschichtsbewusstseins für das spätere Selbstverständnis [der Siebenbürger Sachsen] kann gar nicht überschätzt werden.“

• Bereits der Vater Georg Schuller (1830-1909), Bauernsohn aus Halvelagen und von Georg Daniel Teutsch zum Studium der Geschichte und Theologie ermuntert, betätigt sich als Pfarrer in verschiedenen Gemeinden sowie als Forscher auf dem Gebiet der Volkskunde und Mundart lebenslang zum Wohle seines Volkes.
• Die Jahre glücklicher Kindheit auf dem elterlichen Pfarrhof in Halvelagen, in engem Kontakt mit den Großeltern und der Dorfgemeinschaft, prägen das Lebensgefühl des jungen Georg Adolf nachhaltig. In „Dorfheimat“ (1908) zeichnet er davon ein lebendiges Bild.
• Folgerichtig entschließt sich Schuller „nach des Vaters Wunsch und Beispiel“ zum „Dienst in Schule und Kirche der Heimat“ und erarbeitet sich an den Universitäten von Bern, Berlin, München und Tübingen ein fundiertes Wissen in Theologie, Geschichte und Geografie.
• Nach wenigen Jahren im Schuldienst (1887 Großschenk, 1889 Agnetheln) wird er Pfarrer der Kokeltaler Gemeinden Großlasseln (1893) und Großalisch (1898), wo er nach eigener Aussage „für sein Verlangen unmittelbar seinem Volke zu dienen reiche Gelegenheit und verstehendes Entgegenkommen“ fand.
• Fortschreitende Taubheit zwingt Schuller dazu, den geliebten Pfarrberuf aufzugeben und sich in der Lebensmitte neu zu orientieren. 1904 übersiedelt er nach Hermannstadt und ermöglicht durch die Übernahme vielfältiger Aufgaben seiner mit sieben Kindern gesegneten Familie ein bescheidenes Auskommen.
• Als Leiter der Handschriftenabteilung des Brukenthalmuseums katalogisiert er diese bedeutende, aber weitgehend ungeordnete Sammlung und baut sie zu einer den wissenschaftlichen Ansprüchen seiner Zeit genügenden Forschungsstätte aus. Hier liegt die Basis seines breiten historischen Schaffens, das sich in zahlreichen Beiträgen für Zeitschriften, Sammelbänden und eigenen Publikationen niederschlägt, gipfelnd in der umfangreichen Biografie des Barons Samuel von Brukenthal. Der bis dahin bedeutendste Staatsmann der Siebenbürger Sachsen hatte sich zu Zeiten der Kaiserin Maria Theresia erfolgreich für die politischen Rechte seiner Landsleute eingesetzt und war, 100 Jahre nach seinem Tod, zur Lichtgestalt seines sich existentiell bedroht fühlenden Volkes geworden.
• Parallel zu diesen Aufgaben ist G. A. Schuller Verbandssekretär der Raiffeisengenossenschaften und befasst sich als Schriftleiter des Raiffeisenboten sowie Redakteur der Landwirtschaftlichen Blätter mit Themen zur Agrarpolitik und Migration.
• Zusätzlich betraut ihn 1906 die Evangelische Landeskirche mit der Redaktion ihres Amtsorgans, der Kirchlichen Blätter. Hier veröffentlicht Schuller auch eine beträchtliche Anzahl eigener Predigten und religiöser Texte, die er sowohl mit seinem Namen als auch mit diversen Kürzeln zeichnet. Nicht zuletzt dafür verleiht ihm die Universität Tübingen 1926 das theologische Ehrendoktorat; bereits 1884 hatte sie ihn mit einem historischen Thema zum Dr. phil. promoviert.
• Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, am 30. August 1939, stirbt Georg Adolf Schuller. Sein Lebenswerk, die 1904 von Friedrich Teutsch in Auftrag gegebene Brukenthal-Biografie, ist als Manuskript samt umfangreichem Quellen-Anhang vollendet. Die Druckausgabe seines Buches als Krönung der jahrelangen Arbeit aber kann der fleißige Mann nicht mehr in Händen halten, die Zeitumstände hatten ihm diese Genugtuung verwehrt.

Renate Hellriegel
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Schlagwörter: Schuller, Biographie, Brukenthal
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