5. Mai 2025

Zwischen Schule und Kirche: 32. Seminar der „Genealogie der Siebenbürger Sachsen“ in Bad Kissingen

Vom 28. bis 30. März fand in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen das 32. Seminar der Genealogie-Projektgruppe statt, die unter der Schirmherrschaft des Vereins für Genealogie der Siebenbürger Sachsen e. V. tätig ist. Im Mittelpunkt stand diesmal das Thema „Zwischen Schule und Kirche: Historische und genealogische Forschung zu siebenbürgischen Pädagogen“.
Gruppenfoto: Die Seminarteilnehmer vor der ...
Gruppenfoto: Die Seminarteilnehmer vor der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ – verbunden durch ihr gemeinsames Interesse an siebenbürgischer Familiengeschichte. Foto: Heiko Hadeler
Das vom Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e. V. sowie dem bayerischen Sozialministerium geförderte Seminar brachte rund 60 Familienforscherinnen und -forscher aus Deutschland, Österreich und Kanada zusammen. Die Vorstellungsrunde fiel entsprechend ausführlich aus. Auf Bitte der Projektleiterin Jutta Tontsch nannten die Teilnehmenden nicht nur ihr jeweiliges Arbeitsgebiet, sondern auch die von ihnen genutzten genealogischen Sekundärquellen des Projektes – darunter Todesanzeigen aus der Siebenbürgischen Zeitung, Daten zu Amerika-Auswanderern, die Series Pastorum, Pfarrer-Ordinationen sowie Listen Gefallener des Zweiten Weltkriegs.

Dr. Dietmar Gärtner eröffnete das Seminar mit einem Übersichts-Vortrag zur Auswertung genealogischer Daten im Kontext sozial- und bildungsgeschichtlicher Fragestellungen. Zudem präsentierte er die Struktur, Arbeitsweise und Neuerungen des Projekts und bot damit eine wertvolle Zusammenfassung insbesondere auch für die Neueinsteiger.
Dr. Robert Offner bei seinem Vortrag über das ...
Dr. Robert Offner bei seinem Vortrag über das Schulwesen und Auslandsstudium siebenbürgischer Mediziner. Foto: Dietmar Gärtner
Am Samstag folgte ein vielseitiges Programm. Dr. Robert Offner beleuchtete in seinem Vortrag das höhere Schulwesen und das Auslandsstudium siebenbürgischer Studenten vor 1848. Besonders der medizinische Wissenstransfer nach Siebenbürgen stand dabei im Fokus. Da dort bis 1872 keine vollwertige Universität existierte, studierten viele Siebenbürger an renommierten Hochschulen in Wien, Halle, Padua, Leiden u.a. Zwischen 1292 und 1850 wurden mehr als 468 Medizinstudenten aus Siebenbürgen identifiziert. Der Vortrag verknüpfte akademische Migrationsbewegungen mit biografischen Beispielen bedeutender Mediziner und wies auf genealogisch relevante Quellen hin.

Jutta Tontsch widmete sich anschließend den Statistischen Jahrbüchern der Evangelischen Landeskirche A.B. in Siebenbürgen, die zwischen 1863 und 1941 erschienen sind. Diese dokumentieren detailliert die Struktur und Entwicklung der Landeskirche, darunter Daten zu Pfarrern, Lehrern, kirchlichen Amtsträgern, und liefern Statistiken über Geburten, Trauungen, Todesfällen und Todesursachen. Für die genealogische Forschung sind diese Jahrbücher eine wertvolle Quelle, da sie demografische Entwicklungen und kirchliche Zugehörigkeiten über Generationen hinweg nachvollziehbar machen.

Am Nachmittag fanden zwei parallele Workshops statt: Jutta Tontsch und Dr. Dietmar Gärtner stellten praktische Erfassungsrichtlinien zur Dokumentation von Pädagogenbiografien mit den Genealogie-Programmen Gen_Plus und TNG vor.

Im abendlichen Vortrag über die Kirchlichen Blätter – eine weitere bedeutsame Quelle insbesondere für Pfarrer- und Lehrerbiografien – präsentierte Jutta Tontsch mehrere Listen aus den 1910er- und 1920er-Jahren sowie Artikel über Anstellungen, Pensionierungen, Todesfälle, Stellenwechsel und Neuanstellungen. Solche Angaben ermöglichen es Genealogen, berufliche Stationen präzise in Stammbäume zu integrieren und die Lebenswege dieser Personen detailliert nachzuzeichnen.
Saalfoto: Forschung geballt: Ein Blick in den ...
Saalfoto: Forschung geballt: Ein Blick in den Seminarraum während der Vorträge und Workshops. Foto: Dietmar Gärtner
Der Sonntag stand im Zeichen biografischer Einblicke: Christian Duca stellte das Leben des siebenbürgischen Musikpädagogen Ernst Irtel vor. Anhand privater Fotos und Dokumente wurde dessen Werdegang als aktiver Musiklehrer, Chorleiter und Förderer junger Talente nachgezeichnet. Zu seinem Werk zählen u. a. eine Biografie über das musikalische Wunderkind Carl Filtsch aus Mühlbach sowie eigene Kompositionen, die im Verlag Latzina erschienen sind. Sein musikalisches Schaffen zeugt von einem tiefen pädagogischen Engagement und einem unermüdlichen Einsatz für die Pflege und Weitergabe siebenbürgisch-sächsischer Musikkultur.

Interessant war auch die Vorstellung seines Stammbaumes. Ernst Irtels Genealogie lässt sich bis ins 17. Jahrhundert auf die Schwäbische Alb (in die Gemeinde Bitz) zurückverfolgen. Den stimmungsvollen Abschluss des Vortrags bildete die instrumentale Erstaufführung seiner „Romanze“ aus dem Jahr 1996, gespielt von Elisabeth Ramsay (Cello) und Christoph Roos (Klavier) auf Schloss Horneck.

Im zweiten Vortrag stellte Jutta Tontsch Michael Bielz aus Birthälm vor – Lithograph, Lehrer und später Pfarrer. Nach Tätigkeiten in Birthälm und Neudorf bei Schäßburg gründete er die erste Lithografie in Siebenbürgen und arbeitete zugleich als Zeichenlehrer. Zum Abschluss wurden anhand der Projektdatenbank Möglichkeiten aufgezeigt, Stammtafeln und Nachfahrenlisten zu erstellen.

Den Schlusspunkt setzte Waltraud Gross mit einer statistischen Auswertung der bisherigen Projektarbeit. In der abschließenden Diskussionsrunde wurden neue Forschungsperspektiven entworfen und zukünftige Themen angedacht.

Fazit: Das Seminar zeigte eindrucksvoll, wie eng Bildung, Kirche und Familiengeschichte in der siebenbürgisch-sächsischen Kulturtradition miteinander verwoben sind – und wie wertvoll die genealogische Forschung für deren Bewahrung ist.

Jutta Tontsch, Dr. Dietmar Gärtner

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Schlagwörter: Genealogie, Seminar

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