ns Archiv der Siebenbürgischen Bibliothek gelangte im Vorjahr die kulturgeschichtlich wertvolle Philatelie-Sammlung von Hermann Schmidts aus Reinheim. Schmidts, 1937 in Brenndorf geboren und 2004 verstorben, war ein leidenschaftlicher Sammler, Landeskundler und Heimatforscher, der dabei stets von seiner Ehefrau Edda unterstützt wurde. Um diese Sammlung archivgerecht aufzubewahren und so für die nächsten Generationen sorgsam zu sichern, sie aber zugleich auch der Wissenschaft und Forschung sowie weiteren Interessierten zugänglich zu machen, wurde sie von Edda Schmidts übergeben.
Es handelt sich hierbei um 21 Alben mit Briefmarken und Briefen, die die bereits bestehende Sammlung des Archivs um außergewöhnliche und unikale Stücke ergänzt. Der Neuzugang ist wie folgt aufgeteilt: ein Album mit Marken sowie zwölf Alben mit Briefen und Briefhüllen des Großfürstentums Siebenbürgen, acht Alben mit Marken der Königlich Ungarischen Post, der Republik Ungarn, der Kaiserlich-königlichen Österreichischen Reichspost, der Republik Österreich, des Fürstentums Lichtenstein, der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und Großbritanniens vorwiegend mit Motiven des Königshauses. Zu diesem Konvolut gehört auch ein über 300-seitiges Typoskript „Die Post des Großfürstentums Siebenbürgen“ mit vom Spender angefertigten Transkripten der Postberichte aus Siebenbürgen für die Jahre 1773 bis 1866.
Abb. 1 Vorphilateliebrief Hermannstadt – Pest, 5. Mai 1787. Erster Poststempel Hermannstadts
Den Schwerpunkt der Sammlung bilden die zwölf Alben mit nach den Ortsnamen des Absenders alphabetisch geordneten Briefen und Briefhüllen aus der Zeit des Großfürstentums Siebenbürgen. Ganz eindeutig ging es dem Sammler darum, aus jeder Poststation des damaligen Großfürstentums mindestens einen postalischen Nachweis zu besitzen. Dieser Nachweis erfolgte in vorphilatelistischer Zeit, also vor der Einführung der Briefmarke (1840), durch Poststempel. [Abbildung 1] Da sich Größe und Beschriftung der Stempel im Laufe der rund hundert Jahre, aus denen die Belege in der Sammlung stammen, veränderten, versuchte Hermann Schmidts in typischer und passionierter Sammlermanier, nach Möglichkeit sämtliche Stempeltypen der jeweiligen Poststation zusammenzutragen.
Abb. 2 Beispiel für den Aufbau der Sammlung: Poststation Bistritz, Privat- und Geschäftsbrief 1851
Meistens sind je Albumblatt zwei Belege (z.B. Brief, Briefhülle, Telegramm) in gefalteter Form mit Fotoecken befestigt und dokumentiert [Abbildung 2]. Für jeden dieser Belege ergänzte Schmidts Angaben zu Absenderort (= Poststation, Postexpedition), Absendedatum und -stempel, Ankunftsstempel (Typ-Angabe) sowie zu den Durchgangsorten/Zwischenstationen. In einigen Fällen werden auch die jeweiligen Postmeister oder Postmeisterinnen genannt.
Am häufigsten finden sich Geschäftsbriefe (viele sog. Reco-Briefe = Kurzversion des österreichischen Begriffs für Rekommodationsbeleg = Einschreiben), gefolgt von Privatbriefen. Darüber hinaus enthält die Sammlung auch sog. „Correspondenz-Karten“, Telegramme, Zeitungsschleifen und Vormerkscheine für Eisenbahnfahrten. Ergänzt wird die Sammlung durch Ansichtskarten der jeweiligen Ortschaften oder alternativ Veduten von Ludwig Rohbock und – sofern vorhanden, wie im Falle Mühlbachs – mit Ansichten der Postgebäude. Sogar das Original einer von Abraham Ortelius 1602 gestochenen Landkarte von Siebenbürgen in Postkartengröße ist beigefügt.
Der Fokus der Sammlung liegt eindeutig auf der Postgeschichte Siebenbürgens. Sozialgeschichtliche Überlegungen werden weder in den Alben noch in dem Typoskript geäußert. So werden beispielsweise keine Ausführungen zur bemerkenswerten Ausübung des Postmeister-Berufes durch Frauen gemacht, obwohl einige in der Dokumentation sogar namentlich genannt werden. Ebenso werden keine Ausführungen zu den im Schriftverkehr verwendeten Sprachen gemacht. Mehrheitlich finden sich Belege in Deutsch als lingua franca gefolgt von Ungarisch in etwa 20 % der Fälle. Die wenigen Briefe in rumänischer Sprache vom Ende der 1850er und Mitte der 1860er Jahre gehören wohl zu den frühesten Schriftbeispielen mit lateinischen Buchstaben. Diese ungleiche Verteilung könnte allerdings auch am selbst gesetzten Schwerpunkt des Sammlers liegen oder daran, dass sich anderssprachige Briefe nicht erhalten haben oder in andere Sammlungen eingegangen sind.
Abb. 3 Vorphilateliebrief von Neumarkt am Mieresch (Marosvásárhely) nach Pápa 1819. Erster Poststempel Marosvásárhelys
Illustrierend seien einige Beispiele aus der Sammlung vorgestellt:
Einer der wohl interessantesten und gleichzeitig ältesten Briefe, von dem sich allerdings leider nur die leere Briefhülle erhalten hat, wurde am 2. Oktober 1773 aus Thorda nach Jagsthausen an ‚Madame la Barone de Berlichingen, douvairiere neé [Wohlgeborene Witwe] Barone de Gemmingen‘ geschickt, und zwar über ‚Clausenburg, Bude, Vienne, Ratisbonne [Regensburg], Cieilsheim [Crailsheim], Oeringen‘.
Kreise schließen sich. Aus dem Jahr 1854 sind zwei Privatbriefe des Freiherrn Friedrich von Gemmingen-Hornberg erhalten, adressiert an seine Mutter, Ihre hochwohlgeborene Freifrau von Gemmingen-Hornberg, geborene Freiin von Horneck-Weinheim, Sternkreuzordensdame in Schwalbach im Herzogtum Nassau. Der Erste trägt neben dem Poststempel des Absenderorts Hermannstadt einen Ankunftspoststempel vom 12. Juli 1854 aus Schwalbach. Der zweite Brief des Sohnes, ebenfalls aus Hermannstadt, wurde am 21. Dezember 1854 verschickt und trägt den Ankunftspoststempel vom 28. Dezember 1854 aus Ehingen im Königreich Württemberg. Die Freiherrin von Horneck-Weinheim scheint während der Zeit zwischen den Privatgütern herumgereist zu sein. Vieles spricht dafür, dass die Absender der drei Briefe aus den Jahren 1773 bzw. 1854 zur gleichen Familie gehören.
Interessant ist auch die Briefhülle des Repser Stuhlamtes, abgestempelt vom 6. August 1848 „zur Post nach Sarkany zwecks Expedition nach Klausenburg gebracht“. Da es sich um ein amtliches Schreiben handelte, bestand Portofreiheit. Auf der Rückseite findet sich das vollständige und unbeschädigte rote Lacksiegel des Repser Stuhlamtes. Die Inschrift des Lacksiegels lautet „Sigilu * Rupens * Fide * Publica * Media“.
Abb. 4 Geschäftsbrief des siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften Hermannstadt – Wien 1858
Ein Vorphilateliebrief von Marosvásárhely nach Pápa aus dem Jahre 1819 sei noch erwähnt, mit Signum der Postmeisterin Elisabeth von Petky. Abgestempelt mit ovalem Posthornstempel „M. Vasarhely“ ist er das bisher einzig bekannte Exemplar mit dem wohl ältesten Poststempel von Neumarkt am Mieresch [Abbildung 3]. Der Verein für Naturwissenschaften zu Hermannstadt tritt in einem Brief vom 24. März 1858 nach Wien als Absender in Erscheinung. [Abbildung 4]
Als Beispiel für die Vielfalt der Belege sei der „Vormerkschein für die Fahrt mit dem Eilwagen von Hermannstadt nach Cronstadt von der Franz Ludwig’schen concess. Eilfahrts-Anstalt“ erwähnt. Dass die Reisenden nicht auf ewig in Kronstadt gestrandet sind, beweist das Rückfahrticket „Vormerkschein für die Fahrt mit dem Eilwagen von Cronstadt nach Hermannstadt“ (Abfahrt vom Hotel Nro. 1 in der Altstadt.)“ [Abbildung 5].
Abb. 5 Vormerkschein für die Postkutschenfahrt von Kronstadt nach Hermannstadt, 4. Sept. 1859
Carl F. Jickely, in wechselnder Schreibweise, aus Hermannstadt ist mit Abstand der häufigste Adressat der Briefe. So ist auch anzunehmen, dass ein umfangreicheres Konvolut mit dessen Geschäftskorrespondenz den Grundstock für die umfangreiche Sammlung bildete. Weitere Empfänger der Briefe sind z. B. Franz Gebbel, Gustav Adolf Reissenberger oder Wilhelm von Hochmeister aus Hermannstadt sowie zahlreiche weitere aus Baaßen, Bistritz, Fogarasch, Mediasch, Mühlbach, Sächsisch-Regen, Schäßburg, Temeswar oder Thorenburg.
Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich jemand fände, der die hier nur angedeutete Auswertung dieser bedeutenden und wertvollen Sammlung etwa zur Identifizierung von Absendern und Empfängern, was auch für die familiengeschichtliche Forschung von Interesse wäre, sowie zur Sozial- und Postgeschichte Siebenbürgens intensivieren und fortführen könnte.
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