Heimattag 2025: Kulturpreisträgerin Hannelore Baier im Gespräch mit dem Historiker Konrad Gündisch
Der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis 2025 ist am Pfingstsonntag in Dinkelsbühl im Rahmen der Preisverleihungen des diesjährigen Heimattags der Journalistin und Historikerin Hannelore Baier verliehen worden (siehe Preisverleihungen 2025 in Dinkelsbühl: Hannelore Baier Kulturpreisträgerin, Ortrun Rhein erhält Carl-Wolff-Medaille). Tags zuvor äußerte sich die 1955 in Schäßburg geborene, heute in Hermannstadt lebende Preisträgerin im Gespräch mit dem Historiker Konrad Gündisch zu Fragen der siebenbürgisch-sächsischen Zeitgeschichte. Die einstündige Veranstaltung im Konzertsaal im Spitalhof war hervorragend besucht.
Dr. Konrad Gündisch stellte Hannelore Baier zunächst kurz vor, wies auf ihre produktive Tätigkeit als Herausgeberin von Büchern und Sammelbänden wie auch als Autorin wichtiger Aufsätze hin und erörterte mit ihr sodann streiflichtartig Bereiche ihrer Archiv- und Forschungsarbeit und der daraus resultierenden Dokumentationen. Das gut strukturierte Gespräch behandelte die Themenblöcke Deportation, Verfolgung und Überwachung sowie Freikauf. Der Moderator, selbst Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreisträger 2014, illustrierte und bereicherte den Gesprächsverlauf in einer PowerPoint-Präsentation mit ausgewählten Fotografien und Dokumenten aus Baiers Publikationen.
Historikergespräch in Dinkelsbühl: Dr. Konrad Gündisch und die Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreisträgerin 2025 Hannelore Baier. Foto: Christian Schoger
Befragt zu einem zentralen Thema ihrer Forschungen, nämlich der Deportation, gab Baier zu ihrem familiären Hintergrund an, dass ihre Eltern nicht deportiert waren, jedoch ein Onkel und eine Tante. Sie schilderte, wie sie im Zuge ihrer Forschungen in rumänischen Archiven, als Vertreterin des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dokumente zur geplanten Deportation entdeckt habe; so auch das Protokoll der Sitzung des Frontul Naţional Democrat vom 11. Januar 1945, in der die Ministerratssitzungen am 5. und 10. Januar 1945 betreffend die Deportation besprochen wurden. Der Deportationsbefehl der Sowjets hatte fast eine Regierungskrise ausgelöst: Die Vertreter der bürgerlichen Parteien hatten mit dem Rücktritt aus der Regierung gedroht bzw. wollten den Ministerpräsidenten zum Rücktritt drängen, weil er den Deportationsbefehl akzeptiert habe, wodurch die Souveränität Rumäniens verletzt worden sei. Die Vertreter der Kommunistischen Partei (KP) hätten sich allerdings dafür ausgesprochen, dass die Anordnungen der Sowjetunion angesichts der herrschenden Kriegssituation befolgt werden müssten und die der deutschen Minderheit angehörenden Mitglieder der KP, der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaften auch deportiert werden sollten. Die gefundenen Quellen fanden Eingang in die von Renate Weber-Schlenther, Georg Weber und Oliver Sill herausgegebene, im Böhlau Verlag veröffentlichte Trilogie „Die Deportation von Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion 1945-1949“.
Deportation auch rumänischer Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht
Der Historiker strich in diesem Zusammenhang heraus, dass Hannelore Baier Dokumentationen zur Deportation auch in rumänischer Sprache veröffentlicht habe. Damit wollte sie, so Baier, die Thematik auch einem rumänischen Publikum zugänglich machen. Inzwischen gebe es junge rumänische Historiker, die sich mit der Deportation der Rumäniendeutschen befassten, während man in den 1990er Jahren noch so gut wie nichts davon gewusst habe.
Die von Konrad Gündisch angesprochene Langzeitwirkung der Deportationserfahrung führte Hannelore Baier vor allem darauf zurück, dass die meisten nicht gewusst hätten, dass es eine von Stalin diktierte „Wiedergutmachung“ sein sollte, und dass sie das Erlebte nicht verarbeiten hätten können: warum sie ausgehoben, nach Russland verschleppt, in Kohlenbergwerken arbeiten und dann nach der Rückkehr enteignet und weiterverfolgt wurden. Sie hätten sich als Opfer gefühlt und diese Selbstwahrnehmung als gedemütigte Gemeinschaft an die nächsten Generationen weitergegeben.
Anhand diverser Zeit- und Bilddokumente thematisierten Gündisch und Baier die nach der Deportation erfolgte Entrechtung und Enteignung der Deutschen im kommunistischen Rumänien, ihre Verfolgung und Überwachung durch die Securitate – die Infiltration der Evangelischen Kirche, besonders von Bischof Friedrich Müller, wurde dabei in den Fokus gerückt –, ehe der Moderator, als letzten Themenbereich des Gespräches, den Freikauf behandelte. Ihr spezielles Interesse auch an dieser Thematik erklärte Baier damit, dass der Freikauf für die deutsche Minderheit im Kommunismus prägend gewesen sei. Als Mitglied der Tismăneanu-Kommission habe sie Zugang zu den gesperrten Unterlagen verlangt, diesen allerdings erst erhalten, nachdem Mitarbeiter der Behörde zur Aufarbeitung der Akten des kommunistischen Geheimdienstes Securitate (CNSAS) den Band „Recuperarea“ veröffentlicht hatten. Im Anschluss an das angeregte Gespräch beantworteten Baier und Gündisch noch Fragen aus dem Publikum.
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