3. April 2006

Ursula Bedners: "Ich gehöre nur hierher, nirgend anderswohin"

Was ein Batull sei, zog ich als später Leser die Schäßburger Schriftstellerin Ursula Bedners (1920-2005) zu Rate. Welch eine Frage für eine passionierte Kennerin alles Botanischen ihrer Heimat! In ihrem sprachlich sorgfältig verknappten, die Lyrikerin verratenden Erzählbändchen "Hinter sieben Bergen" setzte sie ihrem Garten ein berührendes literarisches Denkmal. Weit über seine Aufgabe als Hungerstiller hinaus war er ihr Garant für gedanklich autonome Entfaltung.
Das Wissen um das unbeirrte Werden und Vergehen in der gehegten wie ungezähmten Natur und ihr Eingebundensein in die uralte kosmische Ordnung ließ die Autorin ihre eigene Vergänglichkeit annehmen und bot die Not wendende, tröstende Konstante in ihrem erschütterungsreichen Leben. Mag es einen verwundern, dass die frühere Bestimmung jenes verzauberten Fleckchens auf dem Burgberg, dem Bedners Betrachtungen zum Glück, aber auch zur Flüchtigkeit des Augenblicks entsprossen, just ein Gottesacker war?

Heute schlägt den Passanten der Schülertreppe aus dem verwahrlosten Gelände das wütende Gekläffe zahlloser Kettenhunde entgegen. Tröstlich, dass wenigstens die Breite, jener alte, von ihr so geliebte Eichenbestand, nicht einer fragwürdigen Dracula-Erlebniswelt weichen musste. Schäßburg durfte sich Bedners inniger Verbundenheit stets gewiss sein. Hier wurde sie im Mai 1920 geboren, nur hier fühlte sie sich geborgen, auch wenn die steinernen Zeugen der Vergangenheit ihr nur unzureichenden Ersatz für die nach und nach abhanden gekommenen nachbarschaftlichen Bindungen bieten mochten. Ihr Haus am Fuße des Burgberges, einer Trutzburg nicht unähnlich, zeugte von bürgerlichem Selbstbehauptungswillen. Das Mobiliar ihres Salons spiegelte die geglückte Verzahnung der Kulturen, das weit zurückgreifende Generationenverständnis.

Gerade weil sie Deutschland kannte, war Emigration für sie keine Alternative. Sie blieb - und sie blieb topographische wie gedankliche Anlaufstelle für viele Ausgewanderte, um deren tiefes Heimweh sie zu gut wusste: "Was heisst Fortgehen, fort von wem? Wo lässt man sich zurück, kann man sich ganz mitnehmen, was geschieht mit jenem Teil, der bleibt, verkümmert er, wächst er mit den Jahren, wohin mit ihm? Man kann auch warten, dass die Welt zu einem kommt, keine Enge, in der sie nicht Platz fände, und sei es in uns selbst."

Das Wort war ihr in ihrer Dreisprachigkeit treuer Begleiter bei der Erkundung dieser inneren Welten. Thematisch stets dem Unscheinbaren, Unspektakulären, leicht zu Übersehenden zugewandt, fühlte sie sich Stifters sanftem Gesetz verpflichtet. Großen Emotionen gegenüber blieb sie skeptisch. "Nur nichts Aufregendes!" lautete gemäß ihrer Bescheidenheit der einzige Hinweis, wenn man ihr anbot, sie mit der Nahrung Literatur zu versorgen. In der österreichischen Lyrikerin Christine Busta, im Schweizer Erzähler Gerhard Meier und vor allem im deutschen Schriftsteller Peter Härtling - besonders wegen dessen Beschäftigung mit Franz Schubert - spürte sie Geistesverwandte. Als Lyrikerin um inhaltliche Dichte durch disziplinierte Wortreduktion bemüht, blieb ihr die Geschwätzigkeit des modernen Literaturbetriebes fremd. "Kein Wort zuviel, keines zuwenig" bescheinigte ihr der Lektor nach Durchsicht ihrer Gedichtbände "Im Netz des Windes" (1969), "Schilfinseln" (1973) und "Märzlandfahrt" (1981).

Die Konventionen ihrer bürgerlichen Welt gestatteten es ihr als Frau kaum, sich ins Rampenlicht zu drängen, was sie fern den literarischen Zentren des Landes, eben "hinter sieben Bergen" beheimatet, oft um die verdiente Beachtung brachte. Für sie, deren Kinderwunsch unerfüllt blieb, war die Hingabe an das Schreiben eine Möglichkeit fortzuleben. Gleichermaßen nutzte sie, unangreifbar in ihrer Naturlyrik, die Chance, den Irrsinn der Diktatur zu überleben. Es nötigte einem Respekt ab, wie Ursula Bedners ihr entbehrungsreiches Leben so voll bejahte, es in einem beispiellosen Akt der Umwertung als unabdingbare Quelle ihres Schaffens auswies und darin Ana Blandianas Credo "Der beste Rohstoff für Literatur ist das Leid" bestätigte. Rückblickend auf ihr Leben formulierte sie: "...man möchte es anhalten, das Rad des Lebens, steh still noch eine Weile, lass den Steinklee blühn und die Nachtigall schlagen, lass uns schauen, bis uns die Dinge durchsichtig werden und wir begreifen: es war genug."

Bei unserer letzten Begegnung lag schon viel Transzendenz in ihren Augen, im Spätherbst des Vorjahres nahm ihr der Tod die Feder aus der Hand. Mein Mitgefühl gilt ihrem hochbetagten Mann, der ihr in fast siebzig Ehejahren liebevoll zu Seite stand. Ich werde einen Batull pflanzen - auch seiner reichen Ernte gewiss.

Mag. Siegfried König



Ursula Bedners

Abschied vom Garten

Jetzt,
wo mein Garten
sich schließt,
wo die Staubgefäße
nach innen zeigen,
jetzt,
wo der Weg getreten ist,
ein für alle Mal,
muss ich die Rose
vergessen,
den Garten überlassen
dem Regen der Jahre
im Vertraun
auf die Geduld der Erde.

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