1. April 2007

Überzeugter Sozialdemokrat: Gustav Zikeli

Das Volkshochschulwesen entwickelte sich schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts und ist eng mit den Bemühungen um eine allgemeine Volks- und Arbeiterbildung verbunden. Zahlreiche Zeitungen und Fachzeitschriften Deutschlands würdigen in diesen Tagen das 105-jährige Bestehen der ersten deutschen Volkshochschule. Am 13. Januar 1902 entstand in Berlin die „Freie Hochschule“, die erste dieser Art des damaligen Deutschen Reiches. Der erste Siebenbürger Sachse, der diese Berliner Institution besuchte, war der aus Bistritz im Nösnerland stammende spätere Druckereibesitzer und Verleger Gustav Zikeli.
Zikeli wurde am 25. Juli 1876 als Sohn einer Bistritzer Handwerkerfamilie geboren. In seiner Heimatstadt erlernte er das Buchdruckereiwesen und arbeitete als Buchdrucker von 1899 bis 1905 in Berlin. Dort wurde er zu einem Bewunderer der Ideen der Führer der Sozialdemokratischen Partei, Wilhelm Liebknecht (1826-1900) und August Bebel (1840-1913). Als Liebknecht starb, war Gustav Zikeli wohl der einzige Siebenbürger Sachse, der dessen Sarg durch die Straßen Berlins folgte.

Als die Volkshochschule in Berlin gegründet wurde, immatrikulierte er sich und besuchte die Vorlesungen Geschichte, Volkswirtschaft, Arbeitsgesetzgebung, Arbeiterbewegung und Religiöse Fragen. Wie er später gestand, beeindruckten ihn sowohl die im Aufstieg befindliche deutsche Arbeiterbewegung als auch die sozialen Einrichtungen Deutschlands, wie Unfall-, Alters- und Invalidenversicherung. Zudem fühlte er sich wie jeder Siebenbürger Sachse vom deutschen Mutterland angezogen.

Die Berliner Jahre sollten die politische Entwicklung des jungen Siebenbürgers entscheidend prägen. Obwohl er schon vor seinem Deutschlandaufenthalt dem Verband der ungarischen Buchdrucker beigetreten war und dadurch Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Ungarns wurde, hat erst die Arbeiterbewegung Deutschlands den aufgeschlossenen jungen Mann zum überzeugten Sozialdemokraten geformt. In dieser Zeit nutzte er die Chancen, die ihm die Metropole des Deutschen Reiches bot, neben dem beruflichen Weiterkommen, auch zur geistigen Weiterbildung. Er besuchte Theatervorstellungen, Museen und war Teilnehmer weit ausgedehnter Ausflüge und Reisen.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat fanden in einer Kleinstadt wie Bistritz seine an der Berliner Volkshochschule erworbenen Kenntnisse und Vorstellungen kaum Anklang. In seinen Erinnerungen „Bistritz zwischen 1880 und 1950“ vermerkt er: „Zu Hause konnte ich mich anfangs nicht zurechtfinden. Ich hatte jahrelang in der Metropole des Deutschen Reiches gelebt, für alle fortschrittlichen Bewegungen menschlicher Betätigung Interesse gehabt, sie verfolgt, zum Teil auch fördern geholfen. Nun lebte ich in einer ausgesprochenen Kleinstadt unter Leuten, die eine ganz andere Denkweise hatten. Kein Wunder, dass ich mit meinen Ansichten, wenn ich sie äußerte, meist in Gegensatz zu den Leuten war. Das Spießbürgertum beherrschte das öffentliche Leben.“

Gustav Zikeli wirkte über die Jahre in den politischen und kirchlichen Körperschaften sowie in den Vereinen der Deutschen in seiner Vater stadt aktiv mit. Er war der erste Vorsitzende der Krankenkasse von Bistritz und kämpfte 1913 für die Einführung des allgemeinen Wahlrechtes. Als einer der wenigen Sozialdemokraten, die aus den Reihen der Siebenbürger Sachsen hervorgegangen sind, sprach sich Zikeli für die Enteignung des Kapitals aus. Die Enteignung der eigenen Buchdruckerei und Buchhandlung durch die kommunistischen Machthaber in den Jahren 1947/48 empfand er jedoch als Willkürakt. Zike lis widersprüchliche Haltung brachte Dr. Micha el Kroner, der die Erinnerungen Zikelis in Buch form herausgegeben hat, wie folgt auf den Punkt: ,,Er war in der Praxis ein geschäftstüchtiger, kapitalistischer Unternehmer, in der Theorie ein Anhänger der Vergesellschaftlichung der Produktionsmittel.“

Rudolf Rösler

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2007, Seite 6)

Schlagwörter: Persönlichkeiten, Bistritz

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