21. Oktober 2007

Kirchenraum im Wandel

Am 6. Juli wurde im Terrassensaal des Kultur- und Begegnungszentrums „Friedrich Teutsch“ eine Ausstellung eröffnet, deren Folgen noch lange zu spüren sein werden. Sie beruhte auf einer Initiative des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim und der Museen der Stadt Kornwestheim in Gestalt von Dr. Irmgard Sedler und Marius Joachim Tataru. Pflegebedürftige, aus dem 16. bis zum 19. Jahrhundert stammende und zumeist farbig gefasste Ausstattungsgegenstände aus sächsischen Kirchen wurden in Hermannstadt von Prof. Dr. Livia Bucșa, der Diplomrestauratorin Olimpia Coman-Sipeanu und ihren Studenten restauriert und für eine Ausstellung bereit gestellt. Mit der finanziellen Hilfe des Landes Nordrhein-Westfalen, die dem Projekt über das Siebenbürgische Museum zufloss, konnte beides realisiert werden.
So gab sich im Terrassensaal des Teutsch-Hauses das Ensemble einer heiter-demütigen Welt ein Stelldichein: Zum Draaser Kanzelkorb trat das Taufbecken aus Durles, ein Lesepult aus Kerz, eine Stollentruhe und ein Gestühl aus Zied, Fragmente der Kassettendecken aus Belleschdorf und Wolkendorf und zahlreiche andere Ausstattungsstücke wie etwa Zunftfahnen. Anhand der Objekte veranschaulichten die Kuratoren nicht nur die ursprüngliche Funktion der kirchlichen Ausstattungsgegenstände selbst, sondern weit mehr: Die längst vergessene symbolische Gesamtbefrachtung des sie überfangenden evangelischen Kirchenraumes.

Die Thematisierung der „Bedeutung“ dieser Gegenstände, ihrer praktischen und symbolischen Funktionen, erinnerte an eine andere Ausstellung des Kulturhauptstadtjahres, und tatsächlich: Bei näherem Hinsehen erwies sich die Ausstellung als „sakrales“ Pendant ihrer drei Wochen später im Schatzkästlein am Kleinen Ring eröffneten „säkularen“ Schwesterschau „Wohnkultur – Bemalte Möbel aus Siebenbürgen“ (diese Zeitung berichtete).

Genau wie jene schaffte sie es, ihrem Erkenntnisangebot unter Verzicht auf historistische Rekonstruktionen Anschaulichkeit zu verleihen. Der langgezogene Terrassensaal wurde zum begehbaren Kirchenraum ohne Kirchenbau. Er wurde mit den Kunstwerken in zurückhaltender Weise derart bestückt, dass das verbreitetste topographische Grundmuster evangelischer Kircheninnenräume wie in einer unsichtbaren Kirche zu stehen kam: An dem einen Ende betrat man neben der wunderschönen Reichesdörfer Sakristeitür den Kirchenraum, um an der Draaser Kanzel und dem Zieder Gestühl vorbeischreitend, schließlich am anderen Ende des Raumes vor dem Altar zu stehen. Dass die ausrichtenden Kultur- und Kunsthistoriker ihr Handwerk verstehen, ließ sich am besten an den bedruckten Stoffbannern ablesen, die, im ganzen Raum verteilt, Auskunft über die Funktion und Sinnbildlichkeit der Objekte und der evozierten Kirchenarchitektur gaben. Während die Ausstellung speziell den evangelischen Kirchenraum ins Auge fasste und deshalb die Auswirkungen der Reformation nicht in den Vordergrund stellte, wiesen die Kuratoren darauf hin, dass auf langsame Veränderungen im Religions- und Glaubensverständnis der Gemeinden im Laufe der Jahrhunderte auch Veränderungen in der Kirchenausstattung folgten. Dass die mit ihr verbundene Sinnbildlichkeit als integraler Teil einer umfassend metaphorischen christlichen Bildsprache zu begreifen ist, wird durch die den Erläuterungstexten vorangestellten Bibelzitate sofort deutlich. Wenn wir von Jesus Christus als dem „Licht der Welt“ sprechen, ist diese metaphorische Sprache heute noch aktiv. Wenn die sächsischen Gemeinden aus dem dämmrigen Kirchenraum zum Altar im lichtdurchfluteten Chor blickten, erwuchs in ihnen die heilversprechende Metapher selbst: das Bild Christi und das hereinstrahlende Sonnenlicht wurden dort, im Altarraum, eins. Die Heilsmetaphorik begann aber nicht erst im Chorraum, sondern bereits am Kirchenportal, das zumeist als „porta coeli“, als Himmelstor, oder als Metapher für Christus verstanden wurde. Sowohl Himmelstor als auch Christus sind die „Tür zu Gott“. Die Ausstellungstexte gaben in pointierter Form zahlreiche Beispiele für die Bedeutungsbefrachtung des gesamten kirchlichen Bauorganismus und seiner Ausstattung und waren zusätzlich auf kostenlosen Faltblättern von einem dankbaren Publikum nachzulesen.

In einem Gebiet wie Siebenbürgen, wo ost- und westkirchliche Lebenswelten aufeinander treffen, die sich zudem hinsichtlich Liturgie und religiösem Bildverständnis erheblich voneinander unterscheiden, übernehmen Ausstellungen dieser Art eine unverzichtbare Brückenfunktion. Dass sich der kleinere Kosmos siebenbürgisch-sächsischer Sakralsymbolik organisch in einen viel größeren, nämlich einen westkirchlichen eingeordnet findet und damit ein heimatkundlicher Horizont überschritten ist, unterstützt diese Vermittlungsfunktion, anstatt ihr zu schaden. Angesichts der beschriebenen Verdienste ist es nicht verwunderlich, wenn die Ausstellung inzwischen auf Reisen ist. Sie reist in einer Form, die jedem Kurator Freudentränen in die Augen treiben muss: ohne Objekte. Diese bleiben zu ihrem Schutz entweder in Hermannstadt oder werden in ihre Heimatgemeinden zurückgebracht. Was reist, sind die Textilbanner, die dank eines Metallklappfußes überall aufgestellt werden können, um sich mit einem neuen Objektensemble maßgeschneidert zu einer Ausstellung zu verbinden. Nachdem sie bis Ende September in der Schwarzen Kirche aufgestellt wurden, diesmal in einem echten Kirchenraum, werden die Banner weiter ans Siebenbürgische Museum nach Gundelsheim reisen. Hier werden sie im Verbund mit anderen kirchlichen Ausstattungsgegenständen ihre anschauliche Aussagekraft für das hiesige Publikum erneut entfalten. Die Ausstellung macht im nächsten Jahr Station in Gundelsheim und in anderen Städten Deutschlands.

Frank-Thomas Ziegler

Schlagwörter: Kirchen, Siebenbürgisches Museum, Hermannstadt

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