4. Juli 2008

Franz Hodjak: Usinger Elegie

Das Gedicht "Usinger Elegie" ist dem Lyrikband von Franz Hodjak „Die Faszination eines Tages, den es nicht gibt“ entnommen, der im September 2008 im Verlag Ralf Liebe erscheint.
Ich baue, Herr Rechtsanwalt der Sprache,
auf Ihre Diskretion und Schweigepflicht.
Nun, ich habe keine zwei Heimaten
wie, zum Beispiel, jeder brave, ordentliche Emigrant,
öffnet sich zögernd die grammatikalische Amsel,
sondern bloß zwei Heimatlosigkeiten,
eine neue natürlich und eine alte.
Aus der einen hüpfe ich in die andere, je nach Bedarf.
Montags bis freitags sehe ich mich gewöhnlich
in der einen um, den Rest der Woche
in der anderen. Da es die Heimatlosigkeiten aber,
wie Sie wissen, laut Regel und Gesetz
bloß in der Einzahl gibt,
habe ich nur für eine einen Paß.
So tauche ich dann, notgedrungen, jedes Wochenende unter
und verbringe die ewig langen, nicht mehr endenden
Samstage und Sonntage
zitternd, fröstelnd, schlaflos
wie ein Schwerverbrecher, der zur Fahndung ausgeschrieben ist,
in der Gottverlassenheit irgend welcher Schuppen,
unter aufgelassenen Gleisen,
in der Vergangenheit einer Burgruine
oder unter dem Hut eines Toten,
weitab der Sprache,
wo mich niemand finden kann.

Hoffend, daß wenigstens
das Jüngste Gericht Einsicht hat
und ich nicht auch noch die eine Hälfte meines Todes
in der Illegalität verbringen muß,
grüße ich frohen Mutes
die Deutsche Akademie.

Schlagwörter: Gedicht, Hodjak

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