16. August 2008

Die Rentnerin Sigrid Jakob gibt ihr Operettendebüt

„Eine wunderbare Erfahrung und ein Impuls zum Weitermachen“, so lautet das Fazit von Sigrid Jakob aus Honigberg, die erst in Rente, dann auf die Operettenbühne ging. Wie, das glauben Sie jetzt nicht? Lesen Sie nur weiter.
Eine Geschichte aus meinem Leben. Ich heiße Sigrid Jakob, bin eine geborene Wagner und komme aus Honigberg. Meine Eltern wurden beide nach Russland verschleppt. 1947 bin ich in Gera geboren. 1950 kehrte meine Mutti mit mir nach Honigberg zurück, wo ich eine sehr schöne Kindheit genoss. Gesungen habe ich schon immer gerne und darüber möchte ich berichten.

In der 5. bis 7. Klasse waren wir im Internat in Tartlau, da in unserem Dorf zu wenige deutschsprachige Kinder lebten. In Tartlau hatte ich das Glück, dass Prof. Ernst Fleps Musik unterrichtete. Durch seine musikalische Erziehung wurde in mir die Liebe und Freude am Gesang geweckt. Ich durfte sogar ein Schlaf­lied im Lautsprecher („difuzor“) in der Lokal­stunde singen. 1961 kam ich auf das „Andrei Șaguna“-Gymnasium nach Kronstadt, wo ich wieder Glück hatte, weil ich als Musiklehrer Prof. Schland (sen.) hatte. Bei ihm konnte ich ein paar Gesangsstunden nehmen und dann mit meiner Freundin Ilse Fernolend in der Aula der Schule ein Solo singen. Dann geschah etwas Wunderbares: Prof. Ernst Fleps übernahm den Musikunterricht des Gymnasiums. Er vermittelte uns viele musikalische Kenntnisse, die ich für meine Ausbildung zur Erzieherin gut gebrauchte.
Sigrid Jakob als „Ottilie“ (im hellen ...
Sigrid Jakob als „Ottilie“ (im hellen Kleid) bei ihrer Operetten-Premiere in Braunschweig; links „Josepha“.
1967 beendete ich das Pädagogische Institut in Hermannstadt und konnte all meine musikalischen Kenntnisse siebzehn Jahre lang im Ho­nigberger Kindergarten anwenden. Nebenbei ging ich noch in die Gitarrengruppe, die meine ehemalige Lehrerin Erna Zerbes (geb. Ziegler) leitete, die ich sehr gern hatte. Ich sang auch aktiv im Honigberger Chor unter der Leitung von Prof. Michael Zerbes mit.

1983 wanderte ich mit meiner Familie aus. Mein erster Gedanke: Meine Kinder Andreas, Uta und Brunhilde sollten sächsische Jugend­liche kennen lernen. Und ich wollte wieder singen. So habe ich dann eine „Siebenbürger Tanz­gruppe“ in Salzgitter ins Leben gerufen, ein paar Jahre geleitet. Meine Kinder tanzten aktiv mit. Die Tanzgruppe besteht heute noch. Geleitet wird sie jetzt von Hermann Schieb. Meine Schwiegertochter Erika Jakob tanzt aktiv mit. Da unsere Landsleute gerne singen, hab ich damals auch einen Chor gegründet. Zu der Zeit war ich landsmannschaftlich engagiert als Frauenreferentin in Salzgitter. Der Chor wurde immer größer und benötigte einen ausgebildeten Chorleiter. Prof. Albert Fröhlich, Leiter der Lechkircher Liedertafel, einer der besten Chöre Rumäniens, übernahm den Chor und leitete ihn erfolgreich ein paar Jahre weiter. Wir hatten viel Spaß an den sächsischen und deutschen Liedern, die uns die Heimat nicht vergessen ließen.

Durch meine Arbeitsstelle im Altenzentrum SZ – Thiede als Beschäftigungstherapeutin im Begleitenden Dienst konnte ich weiter singen. Dort leitete ich zwanzig Jahre lang den „Chor der Heimspatzen“. Der Heimchor trat auch in anderen Heimen auf und gab die Freude am Singen weiter. In dieser Zeit erfüllte ich mir einen Traum und nahm Gesangsunterricht. Das tue ich immer noch in der Yamaha Musikschule in Wolfenbüttel, bei der geduldigsten und bezauberndsten Gesangslehrerin Magdalena May.

Seit Juni 2007 bin ich nun Rentnerin und singe weiter. Im Frühling 2007 erschien eine Anzeige des Braunschweiger „Kultur und Kom­munikationszentrum Brunsviga“, in der Leute über 50 und älter gesucht wurden, bereit, eine Operette einzustudieren. Darauf meldete ich mich für eine Hauptrolle an. Nach einem „Ge­sangscasting“ bekam ich eine Hauptrolle und zwar die der „Ottilie Siedler“. Die Operette war eine „Opa-rette“ und hieß „Josepha, das Rösseln geht weiter“. Die Handlung führte uns zurück ins „Weiße Rössel am Wolfgangsee“, jedoch dreißig Jahre später. Zum Stück gehören Melo­dien aus dem „Weißen Rössel am Wolfgangsee“ und noch viele andere mehr. In meiner Rolle als Ottilie Siedler stand ich im zweiten Akt mitten drin im Geschehen und fühlte mich jedesmal großartig. Die Vorstellungen vom 14. und 15. September sowie die vom 7. Oktober waren restlos ausverkauft. Außerdem spielten wir am 31. Dezember zur Silvester-Party der Brunsviga und dann nochmals am 18. Januar 2008 ( selbstverständlich ausverkauft). Das Buch zur Operette schrieb Uwe Flake, Regie führte Heinz-Dieter Vonau und die musikalische Leitung hatte Vlady Bystrov. Es war für uns eine wunderbare Erfahrung und ein Impuls zum Wei­termachen. Uwe Flake versprach uns eine neue Herausforderung, die da heißen soll: „Phantom der Oker“ (die Oker ist ein Fluss, der Braun­schweig durchquert). Der Inhalt ist uns noch unbekannt, wir sind uns aber einig: wir machen alle mit! Premiere ist am 23. Oktober. Ich singe im ersten Teil im Chor mit und im zweiten Teil solo einen Gassenhauer.

Da mein künstlerisches Schaffen sich nicht nur auf das Singen begrenzt, sondern auch auf die Malerei, wird meiner Tochter Brunhilde Martin und mir die Eröffnung einer Kunstausstellung in der Brunsviga ermöglicht. Die Ausstellung ist ab Juni 2008 geplant. Meine Tochter Brunhilde ist freischaffende Künstlerin. Ihre Aquarellbil­der wurden in zahlreichen Kunstausstellungen gezeigt. Hiermit möchte ich all denen „Danke“ sagen, die das ermöglicht haben. Denken auch Sie daran: „Es ist nie zu spät!“

Sigrid Jakob

Schlagwörter: Musik, Senioren, Burzenland

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