19. Oktober 2008

Preisgekröntes Hörspiel: "Mein Vater war Siebenbürger"

Am 23. September sendete der Deutschlandfunk fünfzig Minuten Siebenbürgisches der kessen Art. „Mein Vater war Siebenbürger“ heißt das Hörspiel von Wolfgang Martin Roth. Erstmalig war es vor einem knappen Jahr (am 20. November 2007) im Österreichischen Rundfunk Ö1 gesendet worden unter der Regie von Götz Frisch.
Im Frühsommer dieses Jahres hatte der Autor mit seinem Stück den Hörspielpreis von Zons errungen. Literarische Qualität, kulturelle Aktualität und der mediale Erfolg dürften den Deutschlandfunk dazu bewogen haben, das Stück in diesem frühen Herbst für sein Sendegebiet auszustrahlen. Dem sollten getrost weitere Rundfunkanstalten folgen. Das Stück hat es nämlich in sich. Die ernste Geschichte von Identität, der Versuche ihrer Bewahrung wie die ihres Verlustes, aber auch von neuem Identitätsgewinn und letztlich von eigenständiger Integration wird kenntnisreich, voller Einfühlung, mit Humor veranschaulicht. Das geschieht facettenreich bei anregenden akustischen Klangfarben.

Das ausgezeichnete Ensemble – auch ihm gebührt ein Preis - vermittelt Einblicke in eine Familie mit einem aus Siebenbürgen stammenden Vater und einer Rasselbande von Kindern, die Vaters Sprüche bereits alle kennt und sie gegebenenfalls auch schon einmal fürwitzig deklamiert oder echot. Die Mutter vermittelt, so gut es geht. Eine Familie in Niedersachsen, in der es sich gut leben lässt! Zehnjährig hat der kleine Erwin schon seinem Vater versprochen, ein guter Siebenbürger zu werden, zu sein und zu bleiben. Er empfindet das selbst als zwiespältig; denn er ist ja in Göttingen geboren. Er besucht dennoch pflichtgemäß Heimattreffen und -lager. Erotische Frühbemühungen gehören lebensläuflich dazu wie nicht nur in Niedersachsen und Siebenbürgen.

Als Erwin begreift, dass die nette Männerverwandtschaft im Krieg auch Täter und nicht einzig Opfer war, schreit er seine Erkenntnis heraus. Die Mutter setzt ihm dramatisch entgegen: „Vater war nicht in der SS.“ Er hatte Glück gehabt. Als biografisches Resümee schwant dem Jungen schließlich ehrlicherweise: „Mein Siebenbürger Blut ist zu Wasser geworden.“ Paradox genug, sein Leibgericht heißt freilich Klausenburger Kraut, das lange schmählich verachtete, und seine Ehefrau kann sich darob nur wundern. Im Wissen, dass es noch Jahrzehnte braucht, sich mit der siebenbürgischen und inzwischen auch globalen Problematik auseinanderzusetzen, langt es dem gespannten Hörer dann auch fürs Erste einmal.

Nach dem Blick in das Innere der Hörspielfamilie wundert es nun gar nicht mehr, dass, wie sein Protagonist auch Wolfgang Martin Roth in Göttingen geboren ist (1946) – Sohn des früh verstorbenen Göttinger Kirchengeschichtlers Erich Roth (z. B. „Die Geschichte des Gottesdienstes der Siebenbürger Sachsen“, Göttingen 1954). Er studierte 1963/65 Mathematik und Physik in den USA und wirkte nach sechs Jahren Studium der Evangelischen Theologie in Göttingen, Heidelberg und Rom 30 Jahre lang als Pfarrer im Schuldienst. Zusätzlich ließ er sich ausbilden zum Psychotherapeuten und Gruppenanalytiker. Seit vier Jahren lebt er in Österreich und widmet sich seinem Zweitberuf und dem Schreiben.

Sein Hörspiel-Thema hat er anscheinend 2007 noch einmal aufgegriffen, verfremdet und objektiviert mit ganz anderer Methodik als Organisator und Herausgeber in einer wissenschaftlichen literarischen Gattung, einem Berichtsband zu einem Fachsymposium für Gruppenanalyse: W.M. Roth/Joseph Shaked (Hg.), „Transkulturelles Zusammenleben im Zeitalter der Globalisierung“.

Dr. Jens Langer


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Schlagwörter: Radio, Eingliederung

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