1. November 2008

Pomona Zipser: Zeichen zwischen Körper und Raum

„Ich mache eine Skulptur, um etwas sehen und hinstellen zu können, das mich in der Vorstellung beschäftigt. Eine Idee fesselt mich, aber sie ist undeutlich und nicht greifbar. Ich finde Holzstücke und baue sie zusammen. Sie geben mir Formen vor, mit denen ich das, was ich suche, allmählich entstehen lassen kann. Mein Vergnügen ist, dass die Idee bei der Arbeit sichtbar wird.“ Mit diesen einfachen Worten umriss Pomona Zipser, Tochter der Malerin Katharina und des Bildhauers Paul Zipser, einmal ihr Anliegen und ihr Vorgehen.
Wie intensiv sich dieses schlichte Wollen in Gestaltung umgesetzt hat, zeigen ihre strengen, linear verspannten Materialmontagen, die mit Bestimmtheit und Sensibilität zugleich in den Raum gestellt werden. Arbeiten der letzten vier Jahre zeigt vom 14. November 2008 bis Mitte Januar 2009 die Galerie Marie-José Van der Loo, Maximilianstraße 22, in München. Öffnungszeiten: Dienstag-Freitag 11-13 und 14-18 Uhr, Samstag 11-14 Uhr.

Pomona Zipser, am 28. Juni 1958 in Hermannstadt geboren und 1970 in die Bundesrepublik gekommen, hat zunächst von 1979 bis 1982 in München bei Mac Zimmermann, dem Altmeister surrealistischer Malerei im Nachkriegsdeutschland, und danach von 1983 bis 1985 bei dem Bildhauer Lothar Fischer in Berlin (West) studiert. Durch ihn wurde sie sowohl mit der Verknappung des Körperlichen als auch mit einer skurrilen Figürlichkeit vertraut, die Fischers Gestaltungen während seiner Zugehörigkeit zur Münchener Künstlergruppe „Spur“ Anfang der 1960er Jahre inspiriert hatte. Beides hinterließ im Werk von Pomona Zipser spürbare Nachwirkungen.

Pomona Zipser. Foto: Wolfgang Scheppe ...
Pomona Zipser. Foto: Wolfgang Scheppe
So sehr ihr Schaffen auch von einer spielerisch-konstruktiven Kombinatorik bestimmt wird, so sehr ist es andererseits auch von einer surrealen Phantastik und klaren Statuarik des Körpergefüges geprägt. Dieser Zusammenklang durchdringt ihre gestängeartigen, raumgreifenden Skulpturen und vermittelt den Eindruck einer permanenten Verwandlung. Die Berliner Künstlerin gestaltet Material-Zeichen in der Balance zwischen Transparenz und Stofflichkeit.

Das Überraschende an ihren vielfältig strukturierten Gebilden ist, dass sie sich trotz der sperrigen Auskragungen immer wieder zu einem in sich zusammenhängenden Ganzen finden; und dieses Ganze scheint auf eine unsichtbare Mitte bezogen, die als ein energetisches Zentrum eine elementare Ruhe ausstrahlt. So füllen sich diese weitgehend entmaterialisierten Details mit sinnlicher Substanz und versetzen das sich scheinbar Verflüchtigende in einen Zustand des Verharrens und damit der Anschaubarkeit. Das Auge verfolgt die unregelmäßig-weitergeleitete Rhythmik der taktartig gebrochenen Verläufe, in denen sich lineare Strukturen und „verknotete“ Formballungen einander ablösen. Es entsteht Bewegtheit, aber keine Unruhe. Vielmehr erweist sich dieses ständige Umschlagen von einer Form in eine andere als eine Herausforderung für das betrachtende Erkennen-Wollen.

Diese Figurationen stehen, liegen oder hängen im Raum und vermitteln zunächst den Eindruck, als ob sie sich dem Boden entziehen wollten. Das scheint durch das gitterartige Vernetzen des Räumlichen, durch das vielfältige Hereinziehen von Zwischenräumen auch zu gelingen. Der sogenannte Negativraum trägt diese offenen Gebilde und spannt sie von innen her aus, aber letztlich stellt sich doch ein gewichtig anmutender Erdbezug ein.
Pomona Zipser: „Beziehungsweise“, 2003, Holz, ...
Pomona Zipser: „Beziehungsweise“, 2003, Holz, Farbe, 37 x 45 x 4 cm. Foto: Bernd Kuhnert, Roland März
Funktional geprägte Formen verästeln sich in ihrem mechanischen Gezweig, überbrücken den Raum, streifen die Schwerelosigkeit und suchen dann wieder die haltgebende Bindung – das Konstruktive verknüpft sich mit einer Form, die an vegetatives Wachstum erinnert. Es mag dieser Widerstreit sein, der den Skulpturen von Pomona Zipser ihre vital zugespitzte und gleichermaßen fragile Lebendigkeit gibt.

Dr. Fritz Jacobi

Der Autor ist Kustos der Neuen Nationalgalerie Berlin

Schlagwörter: Bildhauerei, Hermannstadt

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