31. Mai 2009

Ein Siebenbürger Sachse – der erste "Grüne"?

Gemeint ist Gustav Arthur Gräser, der 2008 anlässlich seines 50. Todesjahres in einer Ausstellung in München und verschiedenen Artikeln der Siebenbürgischen Zeitung gewürdigt wurde. Aus diesem Anlass hatte die Kreisgruppe Bamberg im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe zum Thema „Siebenbürgen im Blickpunkt“ für den 24. April zu einem Vortrag über Gräser eingeladen. Als Referenten konnten wir den bekannten Schriftsteller und Publizisten Hans Bergel gewinnen.
Die Kulturreferentin der Kreisgruppe Bamberg, Dagmar Zink, begrüßte die zahlreichen Interessenten und stellte Hans Bergel aus München als profilierten Autor siebenbürgischer Herkunft und begnadeten Schriftsteller vor, zu dessen Charakteristiken „Streitbarkeit und Ehrlichkeit“ gehören.

Hans Bergel ging in seinem 50 Minuten langen Vortrag auf Gusto Gräser, eine der interessantesten Persönlichkeiten siebenbürgischer Herkunft, ein. Bei seinem Anblick gelegentlich eines Besuches in der siebenbürgischen Heimat sollen Karpatenhirten auf die Knie gefallen, sich bekreuzigt und gemurmelt haben: „Unser Heiland Jesus Christus ist wiedergekehrt.“ Was bei den Hirten diese Ehrfurcht vor Gusto Gräser geweckt hat, war nicht so sehr seine imposante Gestalt, die an alte Propheten erinnerte: langes Haupthaar und Bart, Wanderstab, Sandalen und leinenes Gewand, sondern seine Herzenswärme und Menschlichkeit, seine Güte und Freundlichkeit, die Gräsers Wesen bestimmt haben.

Eine solche Ehrerbietung wie von diesen einfachen rumänischen Hirten ist Gräser von den Ordnungshütern nicht erwiesen worden, im Gegenteil, sie haben ihn polizeilich verfolgt, gehetzt und vertrieben. Sie haben ihn in Gefängnisse und Irrenhäuser gesteckt, als Messias und Ewiggestrigen verlacht und verspottet. Und dennoch hat Gräser immer wieder auch Anhänger und Sympathisanten gefunden, die ihn als „Botschafter einer Lebensorientierung außerhalb der Norm“ geachtet und bei ihm Zuneigung und Schutz erfahren haben. Einer von ihnen war Hermann Hesse. Er hat in Gräser einen „Heiligen, einen Seher und Weisen“ erkannt, durch welchen er, Hesse, aus einem Kriegsfreiwilligen zu einem Kriegsgegner gewandelt wurde.

Gusto Gräser war „eine der eigenartigsten und bemerkenswertesten Gestalten der deutschen Kulturszene“, bemerkte der Gastreferent: „Ein Einzelgänger und Unbehauster, der in bayerischen Berghütten, in einer Höhle der Schweizer Alpen ... und Gott weiß wo noch gelebt hatte“ und trotzdem, oder gerade darum, „beständig heiteren Gemüts, furchtlos, unbeirrt und ohne ideologische Anmaßung … ein Kultur- und Zivilisationsskeptiker“ war. Aus der Fülle der biografischen Daten seien hier nur die wichtigsten im Telegrammstil vermerkt: Geboren am 16. Februar 1879 in Kronstadt als viertes Kind des Juristen und späteren Bezirksrichters Carl S. Gräser und der Charlotte, geborene Pelzer. Zu seinen prominentesten Vorfahren gehören die Bischöfe Daniel Gräser und Georg Daniel Teutsch. Brukenthalgymnasium in Hermannstadt. Strenge Schulerziehung, für G. Gräser unerträglicher Ballast. Er abandoniert und verschwindet aus Siebenbürgen, mitveranlasst auch durch den Tod seines Vaters 1894. Auf der Budapester Weltausstellung wird Gräser für eine Holzschnitzerei mit Gold prämiert. In Wien macht er Bekanntschaft mit dem sozialreformatorisch engagierten Maler Diefenbach. Als 21-Jähriger Zusammenschluss mit sieben Gesinnungsgefährten und Niederlassung als sogenannte Landkommune auf dem Monte Verità bei Ascona, davon Besucher wie Lenin, A. Bebel u. a. angezogen werden. Hier erlebt auch H. Hesse eine „seelische Neugeburt“. Beeinflusst von fernöstlicher Weisheit, erkennt Gräser die Gefahren der allein auf äußeren Erfolg bedachten Existenzorientierung als großen Verlust an humaner Wertesubstanz und physische Gefährdung der ganzen Gesellschaft, die den Menschen manipulierbar machen. Wie recht Gräser hatte, zeigen die heutigen Entwicklungen wie Finanzkrise, Umweltzer- störung, Arbeitslosigkeit etc. etc.

Wie hat seine siebenbürgische Heimat den Außenseiter G. Gräser aufgenommen? Dazu einige Stimmen aus siebenbürgischen Zeitungen jener Jahre: „In ihm (G. G.) ist der Protest unserer Zeit gegen Mechanisier- und Schematisierung des Lebens verkörpert.“ „Er drängt sich niemandem auf .., ein Mensch, mit dem man lachen und scherzen kann.“ „Er ist eine geistige Kraft besonderer Prägung“; „Ein Diogenes des Herzens“; „Ein europäischer M. Gandhi“.

Und sein Ausgang aus der Geschichte und diesem Leben? Verarmt und vergessen stirbt Gräser (79) am 27. Oktober 1958 in München. Müssten nicht die „Grünen“ ihn, Gräser, zu ihrem Ahnherrn und Patron erklären und ihm ein Denkmal setzen?

Mit starkem Applaus dankten die Zuhörer dem Referenten für seinen aufschlussreichen Vortrag, der wohl als Höhepunkt unserer Vortragsreihe 2009 angesehen werden kann. Als Anerkennung und Dank überreichte Dagmar Zink dem Referenten ein kleines Geschenk.

Bei der erfolgten Aussprache beantwortete Hans Bergel einige an ihn gestellte Fragen. Im anschließenden gemütlichen Teil dieser Begegnung gab es wieder einen kleinen Imbiss mit Rotwein bei lebhaften und gemeinschaftsstiftenden Gesprächen.

Friedrich Feder, Pfarrer i. R

Schlagwörter: Gräser, Bergel

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