23. Januar 2010

Geschichte des deutschen Schulwesens von Oberwischau

Die „Geschichte des deutschen Schulwesens von Oberwischau“ erscheint als erster Band der neu gegründeten Publikationsreihe „Veröffentlichungen zu den Zipsern im Wassertal“. Das Buch ist eine Gemeinschaftsarbeit von Anton-Joseph Ilk und Johann Traxler.
Ilk hat die historisch-geographische Einleitung, die Geschichte der konfessionellen Schule und der rumänischen Schulzeit bis zum Zweiten Weltkrieg beschrieben. Traxler war selbst Lehrer und hat sich der Schulgeschichte der Nachkriegszeit bis zur Abwanderung der Deutschen aus Oberwischau gewidmet. So konnte ein gut dokumentiertes und mit zahlreichen Fotos illustriertes Buch über die Entwicklung des Unterrichts in Oberwischau erstellt werden, das sich organisch in die zahlreichen siebenbürgischen und Banater Schulgeschichten der letzten Zeit einordnet.

Der vorliegende 400 Seiten umfassende Band beginnt mit der Geschichte der Maramuresch und des Wassertales und behandelt danach ausführlich die gesamte Entwicklung des deutschen Schulwesens ab 1778. Dabei ist die vorbildliche Dokumentation hervorzuheben. Sie reicht von Schematismen, Berichten der bischöflichen Visitationen, Eintragungen in der Historia Domus, Akten, Urkunden, Chronologien, Karten und Plänen bis zu Briefen, Aufzeichnungen, Interviews und Transkriptionen von Gesprächen mit Gewährspersonen. Ausgewertet wurde selbst das lokale Schul-, Pfarr- und Diözesanarchiv, wobei die Rumänische Botschaft in Wien beim Zugang zu rumänischen Archiven behilflich war.

Ein weiterer Punkt ist die beachtliche soziale Aussagekraft des gesamten Textes und jedes einzelnen Kapitels betreffend soziale, wirtschaftliche und politische Verhältnisse. Der Leser erfährt Einzelheiten über die Besoldung und die Wohnverhältnisse der Lehrer, über viele Aspekte ihrer politischen Bevormundung und der kommunistischen Kulturpropaganda, von Intrigen und Machenschaften des Geheimdienstes Securitate, schließlich von der nationalen Unterdrückung der auf Assimilationspolitik ausgerichteten Ungarn und auch vieler Rumänen. Ein krasses Beispiel ist der abschreckende Empfang der Zipser Kriegsflüchtlinge durch wild gewordene Rumänen, die die hilflosen Heimkehrer berauben und auffordern: „Verfluchtn Hitleristn! Marsch zuruck, von wu seid's kummen!“ Durch solche und schlimmere Schikanen wurde den Zipsern die Heimat im Wassertal verleidet, und sie trachteten danach, diesem Land und seinem Übel so bald wie möglich zu entkommen.

Die vielseitigen Arbeitsmethoden in diesem Buch erstrecken sich von anschaulichen Berichten über sachliche Beschreibungen und Darstellungen sowie über 200 Fotos, auf denen sich ehemalige Schüler samt ihren Lehrern wieder erkennen und ihre eigene Schul- und Zeitgeschichte noch einmal erleben, bis hin zur präzisen Zitierweise durch Quellen- und Literaturangaben. Als Ergänzung der Schulgeschichte wird auch die Entwicklung des deutschen Kindergartens und seines Personals beschrieben und chronologisch aufgelistet.

Aus den Schlussfolgerungen zur Schulgeschichte geht hervor, dass – im Gegensatz zu Siebenbürgen – in Oberwischau die Schule sich als Auswirkung der Magyarisierungsbestrebung der von der katholischen Kirche gestützten ungarischen Obrigkeit nicht entfalten konnte. Im Unterschied zu den Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben fehlte den Zipsern eine geistig-kulturelle Elite, an der sich diese ethnische Minderheit hätte orientieren und aufrichten können. Die wenigen Intellektuellen, die in den späteren Jahren aus den Reihen der Zipser hervorgingen, reichten dafür nicht. Es war leider meistens so wie einst, als der Pfarrer dem Vater, der seinen Sohn auf eine weiterführende Schule schicken wollte, entgegnet hatte: „Was soll er in der Schule? Nimm ihn doch mit in den Holzschlag!“

In den deutschen Sprachinseln Südosteuropas scheint die Uhr abgelaufen zu sein, so dass sich hier umso nachdrücklicher die Aufgabe stellt, die sprachlich-kulturellen Besonderheiten und das gesamte Kulturgut dieser Ethnien, ihre Leistungen auf allen Gebieten ihrer historischen Existenz noch kurz vor Torschluss schriftlich festzuhalten und für die interessierten Nachwuchsgenerationen sowie für die wissenschaftliche Fachwelt zu erschließen. Dazu leistet dieser Band einen beachtlichen Beitrag.

Hans Gehl

Anton-Joseph Ilk, Johann Traxler: „Geschichte des deutschen Schulwesens von Oberwischau“, Verlag Haus der Heimat Nürnberg, 2009. Format 24 x 17 cm, 400 Seiten, ISBN 978-3-00-027082-6. Preis: 27,90 Euro zuzgl. Versandkosten. Bestelladresse: Theresia Makrai, Kammingerstraße 16-18, 94405 LANDAU, Telefon: (0 99 51) 59 05 60.

Schlagwörter: Rezension, Oberwischau

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