4. Februar 2004

Siebenbürger gründen eigenständige Vereine in Österreich

Gedanken von Volker Petri, Bundesobmann der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich, zur Umwandlung der siebenbürgischen Nachbarschaften in eigenständige Vereine und über die Zukunft der Siebenbürger Sachsen in der Alpenrepublik.
Liebe Landsleute, nach 60 Jahren siebenbürgisch-sächsischen Lebens in Österreich und etwa 50 Jahren seit der Gründung der „Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich" beginnt heuer für einige Nachbarschaften ein neuer organisatorischer Aufbruch. Aus den vertrauten, in der alten Heimat über Jahrhunderte bewährten Nachbarschaften werden nun eigenständige siebenbürgisch-sächsische Vereine, die jedoch weiterhin im selben Geiste wirken wollen.



Bundesobmann Volker Petri beim Heimattag 2003 in Dinkelsbühl. Foto: Josef Balazs
Bundesobmann Volker Petri beim Heimattag 2003 in Dinkelsbühl. Foto: Josef Balazs
Zunächst danke ich allen, die sich in der Vergangenheit mit viel Liebe, Tatkraft und unter finanziellen Opfern für unsere Gemeinschaft eingesetzt haben. Ich begrüße den Mut zu diesem Schritt in die eigenständige Verantwortung, der zugleich auch die Anpassung an österreichisches und EU-Recht darstellt und durch das neue Vereinsrecht in unseren Statuten möglich wurde. Ich wünsche allen viel Freude, schöne Gemeinschaftserlebnisse und gute Ideen für unsere Zukunft.

Der Schritt in die Eigenständigkeit lässt bei einigen Vereinsmitgliedern den Wunsch nach vollkommener, auch finanzieller Unabhängigkeit aufkommen. Manch einer fragt sich, wozu es weiterhin die Landes- und Bundesebene braucht und weshalb man diese auch weiterhin über einen Teil des Mitgliedsbeitrags finanziell unterstützen sollte. Oft kann eine solche kurzsichtig-egoistische "Eigenvereinsunabhängigkeit" weitreichende Folgen auslösen. Unser Zusammenhalt würde geschwächt und unsere Gemeinschaft gefährdet, ja sogar zerstört werden. Gegen die Zersplitterung und in deren Folge die Auflösung der gewachsenen, bewährten Strukturen trete ich aus Verantwortung und Sorge an. Es geht nicht um ein persönliches Anliegen und mein hohes Ehrenamt in der Landsmannschaft, sondern um unsere Zukunft. Daher möchte ich hierzu einige Gedanken aus Geschichte und Gegenwart äußern.

Unsere Geschichte lehrt ...

Unsere Stärke im Laufe der Jahrhunderte war der Zusammenhalt. Nur aus dem bewussten Gemeinschaftssinn konnten unsere Vorfahren als ethnische und später dann auch als konfessionelle Minderheit Siebenbürgens die vielfältigen Herausforderungen erfolgreich bestehen. Seit ihrer Ansiedlung trachteten sie nach einer erfolgreichen politischen und wirtschaftlichen Vertretung der Interessen aller Siebenbürger Sachsen! So traten sie gemeinsam schon 1291 im „siebenbürgischen Landtag“ und einige Jahre später im „Ungarischen Reichstag“ auf. 1473 schlossen sie sich mit dem ungarischen Adel und den Szeklern in der „Unio trium Nationum“ gegen innere und äußere Gefahren zusammen. 1484 wurde dann die „Universitas Saxonum" gegründet, das war die politische Vertretung aller Siebenbürger Sachsen. Als die "Nationsuniversität der Siebenbürger Sachsen" 1876 endgültig durch die ungarische Gesetzgebung zerschlagen wurde, konnte unsere Evangelische Volkskirche mit ihren berühmten Bischofspersönlichkeiten mehr schlecht als recht die gemeinsamen Anliegen nach außen vertreten. Der 2. Weltkrieg löste unsere Diaspora, die Zerstreuung der Siebenbürger Sachsen in der Welt aus. In Österreich und Deutschland begann im Herbst 1944 ein neuer Abschnitt. In diesen schweren Jahren half das Gefühl der Zusammengehörigkeit und unser sprichwörtlicher nachbarschaftlicher Gemeinschaftssinn. Die damaligen politischen und ganz besonders die kirchlichen Vertreter nahmen ihre Verantwortung in der neuen Situation wahr. Als demokratisch gewählte Vertreter der Landsmannschaften und der Kirchengemeinden konnten sie sowohl auf Gemeinde-, Landes- als auch auf Bundesebene in der zunächst noch fast rechtlosen Phase für die konkreten Anliegen, Wünsche und Probleme unserer „Flüchtlingsgeneration“ intervenieren. Es gelang Generaldechant Molitoris und Dr. Klein schon im Juli 1945, bei der Potsdamer Konferenz, für ihre Landsleute bei der amerikanischen Besatzung vorzusprechen. Der Kontakt zu den internationalen Organisationen wurde gepflegt. In ständiger Absprache mit der Basis haben die Verantwortlichen wesentlich dazu beigetragen, eine gesicherte Zukunft in Österreich und Deutschland zu ermöglichen. Die Interventionen bei Landeshauptmann Gleißner in Oberösterreich, die oft zermürbenden Vorsprachen im Bundesministerium in Wien hatten letztendlich Erfolg. Jene Landsleute, die sich in den Jahren 1947-52 zur Auswanderung nach Übersee entschlossen, konnten in den USA und Kanada auf die nachbarschaftlich-landsmannschaftlichen Strukturen zur Neuorganisation zurückgreifen.

Diese wichtigen Gespräche halfen bei der schrittweise voranschreitenden und aus heutiger Sicht gelungenen Integration in der neuen Heimat und dem Neuanfang in Siebenbürgen. Aus diesem nachbarschaftlichen Geist und einer fast unbegrenzten Gemeinschaftsleistung konnten die neuen Häuser der Siedlungen und die Kirchen gebaut werden. Auch in den Jahren des Kalten Krieges war es allein über gewählte und anerkannte Vertreter der Landsmannschaften in Deutschland und Österreich möglich, für die Anliegen unserer Landsleute hier und in der alten Heimat einzutreten. Auch die Koordination der humanitären Hilfe bzw. der kulturellen Begegnungen sei hier erwähnt.

Wie wichtig das Einklagen unserer legitimen Rechte, die Förderung unserer Gemeinschaft und die Wahrung unseres kulturellen Erbes sind, zeigt auch die jüngste Vergangenheit nach 1990. Durch das gemeinsame Vorgehen der Landsmannschaften in Zusammenarbeit mit dem Forum der Deutschen in Rumänien können wichtige Rechte eingeklagt werden, um Landsleuten bei der Erlangung ihrer Rechte mit Informationen, Rat und Tat behilflich zu sein. Ohne die gegebenen Strukturen wären auch die zehn Heimattage der Siebenbürger Sachsen, somit das Erlebnis der Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit nicht möglich gewesen. Die Verantwortung für unsere Gemeinschaft und unsere Geschichte fand ihren Niederschlag im Buch „Österreich, deine Siebenbürger Sachsen“.

Die Gegenwart zeigt ...

Wenn Rumänien 2007 in die EU eintreten wird, stellen sich neue, uns alle betreffende rechtliche Fragen im Hinblick auf die Wahrung unserer kulturellen Schätze und die Interessen unserer Landsleute hier und dort. Der Zusammenhalt aller Siebenbürger Sachse in der ganzen Welt wird auch in Zukunft wichtig sein. Nur wenn alle bereit sind, finanzielle und moralische Unterstützung für unsere gemeinsame Verantwortung zu leisten, kann die adäquate Bewahrung unseres kulturellen Erbes (Exponate in den Museen, Kirchenburgen und andere Kulturbauten) weiterhin gesichert werden. Über unsere Gemeinschaft bleibt der wichtige Kontakt zur Evangelischen Kirche in Siebenbürgen lebendig. Nur in der lebendigen Gemeinschaft können die Beziehungen gepflegt und neue geknüpft werden. Die Gemeinschaft ermöglicht größeren, aber auch kleineren Kulturaustausch. Nur im Kontakt bleibt unser Blick offen auch für die Nöte unserer verarmten Landsleute in Siebenbürgen.

Die Landesobmänner und der Bundesobmann sind die Ansprechpartner auf Landes- sowie auf Bundesebene. Sie repräsentieren auf diesen Ebenen unsere Gemeinschaft und treten für die gemeinsamen Anliegen ein. Hier werden sie als die gewählten Vertreter von den zuständigen Behörden angesprochen. Die Vorsprachen erwirkten die finanzielle Unterstützung für Heimattage, Hilfsaktionen nach Rumänien sowie größere Vorhaben unserer Gemeinschaft. Unsere Mitgliedschaft im "Verein der Landsmannschaften Österreichs" (VLÖ) ermöglichte den Kauf des "Hauses der Heimat" sowie den wirtschaftlichen Unterhalt, die wissenschaftliche Arbeit und den Kontakt zum Außen- und Innenministerium. Sämtliche Vorsprachen bei den Bundesministerien konnten über diese Schiene abgewickelt werden und boten somit dem Heimatpolitischen Ausschuss ein wichtiges Begegnungsforum.

Da unsere Mitgliedschaft in der Föderation und den kulturellen Institutionen auch eine finanzielle Verpflichtung darstellt und die Pflege der Kontakte und Begegnungen mit den anderen Landsmannschaften mit Reisekosten verbunden ist, kann die Vereinsleitung auf Landes- und Bundesebene auf die finanzielle Unterstützung durch jedes einzelne Mitglied mangels eigener finanzieller Quellen nicht verzichten. Ich möchte darauf hinweisen, dass unsere Arbeit ausschließlich ehrenamtlich geleistet wird. Diese Arbeit geht über die Nachbarschaftsgrenzen, Bundesländer und unser Land hinaus. Das Dienen steht im Mittelpunkt und nicht die Ehre! Von jedem gewählten Vertreter werden zusätzlich finanzielle Opfer sowie persönlicher Einsatz, Zeit, Ideen und Energien gefordert, die auch gerne erbracht werden. Noch eines kann ich versichern: Das uns zugewiesene Geld wird sehr verantwortlich und sparsam eingesetzt, wie Sie es auch der Finanzabrechnung entnehmen können. Mit den besten Wünschen für unsere gemeinsame Arbeit und Zukunft,

Ihr Bundesobmann Volker Petri

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 5. Februar 2004, Seite 12)

Schlagwörter: Verbandspolitik

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