21. Juni 2010

Traian Băsescu hat keine Deutschen mehr übrig, und für sie auch nichts

In der Januar-Ausgabe der rumänischsprachigen Monatszeitschrift „Magazinul românesc pentru românii din Germania“ (Rumänische Zeitschrift für die Rumänen in Deutschland) erschien auf Seite zwei die Neujahrsbotschaft des rumänischen Staatspräsidenten Traian Băsescu unter der sinngemäß übertragenen Überschrift „Machen wir aus der Solidarität eine Lebensart“. Der folgende Kommentar von Helmfried Hockl wird aus der letzten Ausgabe der "Kulturpolitischen Korrespondenz" (KK) vom 30. Mai 2010 wiedergegeben.
Der traditionelle rumänische Neujahrsspruch „La mulți ani!“ - auch bei anderen Gelegenheiten wie Geburtstagen gebräuchlich – ist mit dem deutschen „Prosit Neujahr!“ nur unzulänglich übersetzt. Sinngemäß heißt er eigentlich: Auf viele weitere Jahre!

Mit diesem Spruch also begann Băsescu die Ansprache an sein Volk: „La mulți ani! Prosit Neujahr, Rumänen! Prosit Neujahr allen Rumänen innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen! Prosit Neujahr den Rumänen (gemeint sind die ethnischen Rumänen), Roma, Ungarn, Ukrainern, Tataren, Türken, Serben und den Angehörigen der anderen Nationalitäten!“

Was den Kennern der Materie auffällt, ist die geänderte Reihenfolge der aufgezählten Nationalitäten. Sie spiegelt den Wandel wider, der sich innerhalb der letzten zwanzig Jahre in Rumänien vollzogen hat. Zu kommunistischen Zeiten lautete sie folgendermaßen: Rumänen, Ungarn, Deutsche, Serben und andere Nationalitäten. Die Roma wurden früher nie namentlich genannt, weil sie das Aschenputtel der Nation waren und sich deshalb oft selbst verleugneten. Nun aber werden sie als erste Minderheit genannt, weil Rumänien sich im Zuge der Demokratisierung nicht vorwerfen lassen möchte, es sei rassistisch. Zahlenmäßig hat das auch seine Berechtigung, weil man allgemein davon ausgeht, dass die Anzahl der Roma anderthalb bis zwei Millionen beträgt und die der Ungarn (1,4 Millionen) somit übertrifft.

So weit, so proportional. Doch warum werden die Deutschen nicht genannt? Aufgrund der Massenauswanderung nach der Revolution ist ihre Zahl selbstverständlich geschrumpft und betrug laut der letzten Volkszählung im Jahr 2002 60000. Damit lagen sie gleichauf mit den Ukrainern. Geht man von der Tatsache aus, dass ihre Zahl weiter abgenommen hat, kommt man in etwa auf 50 000. Das ist immer noch mehr als die aufgeführten kleineren Gruppen der Tataren, Türken und Serben, deren Zahl jeweils bei rund 25 000 liegt.

Was bewog Băsescu zu dieser sicher beabsichtigten Ausklammerung der deutschen Minderheit? Man braucht nicht lange zu überlegen. Im Zuge der Literaturnobelpreisverleihung an Herta Müller und ihrer Auftritte in den Medien, auch vielen internationalen, wurde in der ganzen Welt der restriktive Umgang Rumäniens mit seinen Minderheiten, speziell der deutschen, bekannt, wobei vor allem die Deportation Zehntausender Menschen in die Arbeitslager der Sowjetunion außerordentlich negativ ins Gewicht fiel. Die „Atemschaukel“ hat literarisch und politisch ein großes Echo bewirkt. Doch auch die dauerhafte Beschattung und Verfolgung aller Bürger durch die übermächtige Securitate, mit schlimmen Konsequenzen für den Einzelnen, rief in aller Welt Empörung hervor. Rumäniens Ansehen in der Weltöffentlichkeit hat stark gelitten.

Băsescus Ausklammerung der rumäniendeutschen Minderheit aus der Statistik ist also keine versehentliche Panne, sondern ein Racheakt, der international keine großen Wellen schlägt. Schon Theodor Körner sagte: „Die Rache ist ein Erbteil schwacher Seelen, ihr Platz ist nicht in einer starken Brust.“

Der Schatten der Securitate wird noch lange über Rumänien liegen.

Helmfried Hockl (KK)

Schlagwörter: Băsescu, Minderheiten

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