21. Februar 2017

Eine neue Marienburg

Nach dem Beispiel der Burgen von Rosenau und Reps ist nun auch in Marienburg die alte Burg wiederaufgebaut worden. Es ist eine Rekonstruktion und keine Restaurierung oder Renovierung. Das ist ein gewaltiger Unterschied, denn über Sinn und Folgen der Rekonstruktionen wird in der Denkmalpflege kontrovers diskutiert. So war es unumgänglich, dass die „wiederhergestellte“ Marienburg, wie auch die Burgen von Rosenau und Reps, schnell ins Visier der Kritiker gerieten.
„Totsaniert“, „schrecklich“, „grauenhaft“, „Kitsch à la Disneyland“, „Kullissenarchitektur“ – das sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang fielen und die, bis zu einem Punkt, auch gerechtfertigt erscheinen. Dass solche kostspielige Arbeiten zu oft auch mit Korruption in Verbindung gebracht werden (egal in welcher Phase: Genehmigung, Entwurf, Ausschreibung, Durchführung, Abnahme der Bauarbeiten), macht eine sachliche Diskussion nicht leichter. Wenn es dabei an Fachkräften mangelt und Inkompetenz hineinpfuscht, dann wäre es besser, zunächst eine einfache Notsicherung der historischen Denkmäler vorzunehmen und größere und komplexere Eingriffe jenen zu überlassen, die sich wirklich auskennen und die das dafür ausgegebene Geld auch tatsächlich verdienen.

Im Falle der drei Burgen im Kreis Kronstadt muss hinzufügt werden, dass zwei von ihnen (die Repser Burg und die Marienburg) in der Tat Ruinen waren, wo selbst deren Besichtigung nur „auf eigene Gefahr“ erfolgen konnte, wann immer hätte es, durch herabstürzende Steine oder fehlende Sicherung, zu einem Unfall kommen können.
Blick von Westen auf die neue Marienburg. Foto: ...
Blick von Westen auf die neue Marienburg. Foto: Ralf Sudrigian
Keine der drei Burgen ist im Besitz der evangelischen Kirchengemeinden. Sie gehören den Kommunen, die sich von ihrer touristischen Nutzung einen zusätzlichen Bekanntheitsgrad der Ortschaft und damit verbundene Einkommen erhoffen. Zumindest im Falle von Rosenau scheint die Rechnung aufgegangen zu sein. Wenn solche Rekonstruktionen auch tatsächlich unter Einhaltung der Denkmalschutzgesetze fachgerecht vorgenommen werden (wie es immer wieder betont wird), wenn moderne Mittel und Lösungen nur dann angewandt werden, wenn sie unumgänglich sind und wenn solche Eingriffe deutlich gekennzeichnet werden, dann sollte man nicht vorschnell alles pauschal schlecht reden. Denn es gibt keine „neue Ruinen“ und keine „Gebraucht-Burg“. Es gibt aber zum Beispiel Kirchenburgen, die verlassen sind und die verfallen. Es gibt Türme, die plötzlich zusammenstürzen. Zerstörungen sind Teil der Geschichte, sollten aber nicht schicksalsergeben hingenommen werden.
Die Ruinen der Marienburg vor der ...
Die Ruinen der Marienburg vor der Rekons­truktion. Foto: Bürgermeisteramt Marienburg
Allerdings: wenn eine Rekonstruktion als Restaurierung dargestellt (und auch bezahlt) wird, ist das nicht in Ordnung. In Marienburg sollen die vom Kreisrat getragenen Bauarbeiten, die noch nicht wie vorgesehen im September abgeschlossen werden konnten, rund 12 Millionen Lei (ohne MwSt) gekostet haben, das sind umgerechnet 2,6 Millionen Euro. Ursprünglich sollten es 15 Millionen Lei sein. Drei Millionen Lei konnten gespart werden. Hoffentlich nicht durch einen Kompromiss betreffend Qualität und Originaltreue. Die Marienburg steht nun da und wartet auf Touristen. Zu ihren Füßen, in Richtung Alt, steht ein modernes Klärwerk. Das passt gar nicht zur historischen Landschaft, zu Mittelalter und deutschen Rittern. Die Ruinen der alten Burg sind nun von einer Burg-Replik ersetzt worden, die den Anspruch hat, möglichst originalgetreu auszusehen (so wie im 17. Jahrhundert, laut Angaben der Baufachleute).

Ralf Sudrigian


(Erstveröffentlichung in der Karpatenrundschau, Beilage der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien, 9. Februar 2017)

Schlagwörter: Marienburg, Renovierung

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