10. April 2018

Kultur der Siebenbürger Sachsen kennengelernt

„Es war wie ein längere Geschichtsstunde und das war sehr schön“, so ein Schüler-Kommentar zur Projektwoche „Schule anders“, die an der Brukenthalschule vom 26.-30. März stattfand. Elf Schüler der Klasse 6D hatten in diesem Rahmen die Möglichkeit, tiefer in die „Kultur der Siebenbürger Sachsen in Theorie und Praxis“ (so der Titel) einzutauchen. Das taten sie beispielsweise in der Kirchenburg Heltau, wo sie am Montag, angeleitet vom Küster Herrn Bell, auf Erkundungstour gingen. Vorbereitet worden war diese durch einen von Ruth Istvan und Aurelia Brecht (Stiftung Kirchenburgen) gestalteten Stationen-Workshop in der Brukenthalschule.
Anhand einer Karte mit deutschen und rumänischen Ortsnamen sollten die Kleingruppen die Dörfer zu den ausgewählten Kirchenburgen suchen. An einer anderen Station wurde erprobt, wie Grundrisse und Gebäudezeichnung zusammenpassen – die Schüler ordneten insgesamt zehn Isometrien, die dem Grundlagenwerk von Hermann Fabini entnommen sind, ihren Kirchenburgen zu. Eine dritte Station veranschaulichte die verschiedenen Kirchenburgenarten und deren Charakteristika zu verschiedenen Zeiten. Auch das bereits bestehende Kirchenburgen-Memory sowie das Kirchenburgen-Quartett wurden in das Stationenlernen integriert (Näheres unter kirchenburgen.org).

Roxana Birlea, Adelina und Laurentiu Constantinescu, Antonia Dancu, Mara Frincu, Stefan Maxim, Sorana Mitricel-Sirbu, David Panaiot, Larisa Petru, Sara Toma-Thal und Denisa Iuga fuhren am Dienstag nach Alzen, wo Stefan Vaida einen Keramikworkshop vorbereitet hatte, bei dem die Jungen und Mädchen sächsische Kacheln säubern, zusammensetzen und zusammenkleben konnten. Der junge Restaurator hat auf einem Grundstück am Rübengraben (sächs. Riepengruawen) ein altes Bauernhaus restauriert und dort das „Interethnische Museum des Harbachtals“ errichtet. In den drei Stuben, die von den Schülern besichtigt wurden, hat er einen Teil jener Exponate arrangiert, die er zusammen mit seinem Bruder Eugen in 15 Jahren Sammlertätigkeit aus 25 bis 30 Dörfern des Harbachtals zusammengetragen hat. Jede Stube ist einer Volksgruppe gewidmet. Es gibt ein sächsisches, ein rumänisches, ein ungarisches und ein Roma-Zimmer. Die meisten Exponate – darunter Stollentruhen, Kästen, Spinngerätschaften, Handwerkszeug, Fotos und Trachten – haben die beiden gekauft, nur ein kleiner Teil stammt aus Schenkungen.
Die Schüler in Alzen beim Ordnen der Kacheln ...
Die Schüler in Alzen beim Ordnen der Kacheln (vorne: David Panaiot). Foto: Hugo-Alexander Frohn
Mittwochmorgen forschten die Schüler im „Museum der Geschichte der Siebenbürger Sachsen“ im Teutsch-Haus. Das Museum vermittelt (laut Eigendarstellung) einen detailreichen Gesamteindruck der Geschichte der Evangelischen Kirche A. B. im heutigen Rumänien sowie des Gemeinde- und des gottesdienstlichen Lebens der Siebenbürger Sachsen. Nach einer Einführung von Museumsdirektorin Heidrun König beschäftigten sich die Schüler in Kleingruppen mit dem Aufbruch der Sachsen nach Transsilvanien, den Kirchenburgen, der Reformation, dem kirchlich begleiteten Leben, der Schule, den Pfarrern und Lehrern, der sakralen Kunst sowie mit der Zeit von der Gegenreformation bis ins späte 20. Jahrhundert. Im Zentralarchiv der evangelischen Landeskirche (das sich ebenfalls im Teutsch-Haus befindet) lösten die Teilnehmer einige Übersetzungsaufgaben „Sütterlin – Deutsche Normalschreibschrift“ bzw. „Fraktur – Deutsche Normaldruckschrift“. Von Archivar Andras Bandi erfuhren sie, dass das Zentralarchiv 2004 gegründet wurde, um das teilweise jahrhundertealte Schriftgut christlich-evangelischen Lebens in (Groß-)Rumänien, aber auch siebenbürgisch-sächsischen Lebens in Siebenbürgen zu sichern und zu bewahren. Infolge der massiven Auswanderung von Kirchenmitgliedern wurden Gemeindearchive in großer Zahl aufgelöst bzw. ungeschützt zurückgelassen. Im Archiv werden diese kulturhistorisch bedeutsamen Kulturgüter seitdem systematisch gesammelt, erschlossen und für die wissenschaftliche Arbeit zugänglich gemacht.

Eines der schönsten Erlebnisse war für viele Schüler der „Honigtag“ am Donnerstag in Hahnbach. Dort haben Willy Tartler und Anja Schneider das Pfarrhaus und die ehemalige Schule gepachtet und kümmern sich auch um die Kirche und den Friedhof. Im Garten gibt es eine Imkerei und die Schüler wurden mithilfe von Bienenbeobachtung, Honigverarbeitung und Honigernte für elementare ökologische Zusammenhänge sensibilisiert. Die Schüler erweiterten so ihr Wissen über die Honigbiene, es gab auch eine Honigverkostung, außerdem wurde das weitläufige, urige Gelände der Hahnbacher Kirchenburg ausgiebig durchkämmt.

Der Schauplatz des letzten Projekttages war das Historische Museum im Altemberger-Haus. Die Ausstellung, durch die die Teilnehmer geführt wurden, hat die Siedlungsgeschichte Südsiebenbürgens von der Steinzeit bis zum Mittelalter zum Inhalt. In chronologischer Reihenfolge erlebten sie von Saal zu Saal die Entwicklung menschlicher Habitate: eine Höhlenwohnung, die Rekonstruktion eines jungsteinzeitlichen Habitats, die Kupfersteinzeit, die Bronzezeit und frühe Eisenzeit. Saal 6 beherbergt die Nachbildung eines dakischen Heiligtums. Im Saal 7 wurde eine römische Wohnung aus Pappmaché nachgebildet, und im letzten Saal wird ein mittelalterlicher Wohnraum vorgestellt. Sergiu Chidesa und Florentin Pereanu vom Team des Museums hatten im Hof extra einen Sandkasten aufgebaut, in dem die Schüler (passend zum katholischen/protestantischen Osterfest) nach versteckten Tassen, Krügen, Scherben etc. suchen konnten, natürlich angeleitet auf archäologisch-wissenschaftliche Weise. „Mir hat es sehr gut gefallen und ich würde gern wieder an einer solchen Projektwoche teilnehmen“, so Antonia Dancu in ihrem Fazit.

Hugo-Alexander Frohn

Schlagwörter: Brukenthalschule, Projektwoche, Siebenbürgen, Kultur, Geschichte

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