20. November 2024

Kirchenburg Almen: drei Europa-Nostra-Preise für den Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes

Kulturerbe bewegt und verpflichtet! Diese Erfahrung machten alle Anwesenden am 7. Oktober 2024 bei der Preisverleihung für Europäisches Kulturerbe. Insbesondere das Team der Mihai Eminescu Stiftung (anwesend waren Caroline Fernolend, Mihaela Türk und Alexandru Neagu) wurde als Gewinner der Europa-Nostra-Preise 2024 bei dieser hochkarätigen Veranstaltung im Athenäum in Bukarest für ihren unermüdlichen Einsatz wertgeschätzt, geehrt und gefeiert (diese Zeitung berichtete).
Ansicht der Wehrkirchenburg Almen vom Südwesten ...
Ansicht der Wehrkirchenburg Almen vom Südwesten aus, aufgenommen im August 2024 von Eduard Eitel
Die Zeremonie wurde gemeinsam von Europa Nostra und der Europäischen Kommission organisiert. Durch das Abendprogramm führte Sneska Quaedvlieg-Mihailovic, Generalsekretärin von Europa Nostra. Die Veranstaltung fand unter der Schirmherrschaft des rumänischen Staatspräsidenten Klaus Werner Johannis statt. Präsidentenberater Sergiu Nistor überbrachte die Botschaft des Staatspräsidenten.

Die Kulturministerin von Rumänien, Raluca Turcan, nannte die Nationalen Programme für Restaurierung in Rumänien. Prof. Dr. Hermann Parzinger, ehrenamtlicher geschäftsführender Präsident von Europa Nostra, hob den weiten europäischen Kontext im Bereich des europäischen Kulturerbes hervor und beglückwünschte die Gewinner der Preise. Er betonte den identitätsstiftenden Wert, der durch Kultur möglich ist. Die beiden für Rumänien nominierten Europa-Nostra-Projekte sind die Wehrkirchenburg Almen und die Michaelskirche in Klausenburg. Europaweit wurden 2024 insgesamt 26 Gewinner Projekte ausgezeichnet. Als Gastgeber begrüßte der Bürgermeister von Bukarest Nicușor Dan die Gäste. Für das „Kreativ Europa Programm“ der Europäischen Kommission richtete Iliana Ivanova, Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, ihre Grüße an die Gäste.

Den Europa-Nostra-Preis 2024 erhielten neun Projekte aus sechs europäischen Ländern. In der Kategorie „Erhalten und angepasste Nutzung“ gingen ein Preis an das Team der Mihai Eminescu Stiftung (Projekt: Restaurierung der Wehrkirchenburg Almen). Der Große Preis wurde in dieser Kategorie an fünf Organisationen vergeben, darunter ein weiterer Preis an das Team der Mihai Eminescu Stiftung (MET) für Almen. Sichtlich bewegt nahm Caroline Fernolend, die Direktorin der Mihai Eminescu Stiftung Rumänien, den Preis entgegen. Sie dankte Europa Nostra und der Europäischen Kommission, insbesondere aber ihrem Team, und widmete den Preis der Gemeinschaft und allen Generationen von Erbauern der Kirchenburg, den Erben und der heute aktiven Almer Gemeinschaft.

Den mit 10.000 Euro dotierten Publikumspreis erhielt auf Platz eins ebenfalls die MET mit den meisten Stimmen. Den hohen Stimmenanteil erhielt das Projekt in Almen aus den mehr als 10.000 online abgegebenen Stimmen. Das erste Mal in der 61-jährigen Geschichte von Europa Nostra errang eine Organisation drei Preise. Das Preisgeld wird für die Restaurierungsarbeiten im inneren Chorbereich der Wehrkirche in Almen verwendet. Vizepräsident von Europa Nostra und Vorsitzender der Preisjury Professor Jacek Purchla überreichte in dieser Kategorie die drei Preise, darunter einen für die Michaelskirche in Klausenburg und einen für ein Projekt in Armenien.

Bereits 2008 startete die Mihai Eminescu Stiftung mit einem ersten Projekt in Almen. Damals wurden die vielen Holzbrücken am Nebenlauf des Kaltbaches erneuert. Das Projekt „Satul de sine stătător“ (Selbstversorgerdorf), ein Modell der ländlichen Entwicklung durch die Erhaltung des kulturellen Erbes, hat die Ortsbewohner von Almen in die Aktivitäten im Ort eingebunden.

Das Gebäude der alten Schule wurde restauriert. Hier finden Lernprojekte und Kinderfreizeiten in den Sommermonaten statt. 2012 reichte MET-Projektleiter Alexandru Neagu die Unterlagen für die Restaurierung des Almer Kirchenburgen-Ensemble ein. Nachdem 2013 die Finanzierungszusage von EEA Grants, Iceland-Lichtenstein-Norway zugesichert war, wurden die Arbeiten sorgfältig ausgeführt. Die Mihai Eminescu Stiftung koordinierte das multidisziplinär angelegte Restaurierungsprojekt unter ­Beteiligung unterschiedlicher Fachdisziplinen in Forschung, Architektur, Restaurierung und Archäologie. Ein gutes Beispiel für die gute Partnerschaft bei den archäologischen Grabungen im Kirchhof, die im Vorfeld der Drainage und Entwässerungsarbeiten notwendig waren, ist die Zusammenarbeit des Bukarester Archäologischen Institutes – Vasile Pîrvan und dem norwegischen Forschung Institut NIKU unter der Leitung von Regin Meyer.

Die Restaurierungsarbeiten in der ersten Phase 2015 bis 2017 umfassten die vier Türme: Norden: Eissturm 1541, Westen: Getreideturm 1539, Osten: Torturm (Speckturm) 1557, Süden: Glockenturm 1559, die Ringmauer und die Burghüter-Wohnung. Unter ausschließlicher Verwendung traditioneller Baumaterialien (z.B. Eichenholz aus dem Almer Gemeindewald) und von bewährten restauratorischen Methoden führten Fachfirmen diese umfangreichen Arbeiten durch. In den Etagen der Türme wurden thematisch unterschiedliche Ausstellungsräume einer Dauerausstellung integriert. 2019 erhielt die Stiftung nach mehreren Anträgen die Finanzierungszusage von der Vereinigung der Amerikanischen Botschaften Weltweit. Nun startete die zweite Phase mit der Restaurierung der Wehrkirche. Die besonderen baulichen Herausforderungen bestanden hier im nördlichen Mauerbereich, an der Nordseite am steinernen Triumphbogen und an der Sakristei. Im Dachbereich lagen die Herausforderungen an den Pfetten oberhalb des westlichen Kirchenschiffes und in den Wehrgeschossen oberhalb des Chorbereiches, aber auch an der besonders aufwendigen Dachdeckung. Der Kirchenraum wurde mit Hilfe der niederländischen Horizon Stiftung restauriert. Hierbei wurden nach der Trockenlegung schadhafte Bereiche des Wandputzes durch mineralischen Kalkputz ersetzt, das dreijochige barocke Tonnengewölbe und die Wände gereinigt, der Kirchenboden bis zu einer Tiefe von 400 mm durch Kiesschüttung erneuert und ein Holzboden eingebracht. Abschließende Restaurierungsarbeiten im Inneren des Chorbereiches stehen noch aus.

Den Kirchenraum mit westlicher und nördlicher Empore, erhellen drei große gotische Südfenster und zwei Westfenster. Ein kleines Rundbogenfenster an der Südseite ist etwas tiefer angebracht, es zeugt von der ursprünglichen Höhe des Gotteshauses. Aus der Anfangsphase im 13 Jahrhundert stammt der Triumphbogen aus behauenem Sandstein. Zwei rechteckige Aussparungen zeugen von dem einst eingebrachten Querbalken, auf dem sehr wahrscheinlich ein Triumphkreuz (crux Triumphalis) stand. An der rechten Seite finden wir einen stilisierten Marienstern als Weihesymbol der Kirche. Dieses Indiz und die Umschrift in gotischer Minuskelschrift „o got perot maria hilf uns aus not das ich heit pegin das ein guet.“ im Schulterbereich der vorreformatorischen Glocke (Hermannstädter Gießer 1496 bis 1505) deuten auf das Patrozinium einer Marienkirche hin.

Die kleine Kirche von Almen hat die vielen baulichen Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte gut überstanden, fast beschaulich fügt sie sich in das Dorf- und Landschaftsbild ein. Die Kirchenburg kann vom Frühjahr bis zum Spätherbst täglich zwischen 10.00 und 18.00 Uhr besucht und besichtigt werden. Alexandra Lăcătuș bereitet bei zeitiger Vorbestellung auch ein leckeres Essen oder auch nur Kaffee und Kuchen vor. Im Sommer 2023 beherbergte der Kirchenraum die Ausstellung „Blumenvase“ des Künstler Stefan Câltia, im Sommer 2024 fand die Ausstellung „Bruchstücke“ der Künstler Ilfoveanu statt. Zu Almen: 1289 wird der Priester Henricus de Alma unter den Priestern des Mediascher Kapitels genannt. Die freie Königsbodengemeinde wurde nach dem Mongolensturm von 1242 gegründet, ab 1315 war das Andreanum (Goldener Freibrief) von 1224 auch für Almen gültig. Im Namen der Heimatortsgemeinschaft und aller Almer, wo immer sie in der Welt Heimat gefunden haben, möchte ich den Mitarbeitern der MET unseren innigsten Dank für die Arbeit und das Engagement in Almen aussprechen!

Eduard Eitel, HOG Almen

Schlagwörter: Almen, Kirchenburgen, Europa, Fernolend

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