5. Januar 2006

Weihnachten 1989 hat die ersehnte Freiheit gebracht

Weihnachten 1989 war für Siebenbürger Sachsen und andere Bürger Rumäniens überschattet von Sorgen, Ängsten und Unsicherheiten. Der Sturz des Diktators Nicolae Ceaușescu brachte ihnen jedoch die ersehnte Freiheit und Chance auf einen Neunanfang. Brigitte Benning, heute bei Heilbronn lebend, erinnert sich.
Die unvergessliche Weihnacht 1989, in der alten Heimat, in Hamruden (Homorod) in Siebenbürgen, war überschattet von Sorgen, Ängsten und Unsicherheiten. Keine Spur von Glanz und Glimmer, geschweige denn von teuren Geschenken. Die Verunsicherung ging so weit, dass wir uns nicht einmal trauten zum Weihnachtsgottesdienst in die Kirche zu gehen. Bei uns war nämlich die Revolution, oder was wir dafür hielten, ausgebrochen. Jeder fürchtete sich vor dem Feind, obwohl niemand wusste, wer die Feinde oder die angeblichen Terroristen waren. Wir vermuteten sie in jedem fremden Gesicht und hörten in jedem Geräusch einen feindlichen, uns bedrohenden Hubschrauber. Wir hörten den ganzen Tag Schauernachrichten von aufgebrachten Menschenmassen, Schießereien, von Toten und Verletzten.

Unsere größte Sorge galt unserem Sohn, der gerade unter Waffen stand. Es sollte sich herausstellen, dass diese Sorge nicht unbegründet war. Jochen stand Heilig Abend vor der Militäreinheit Wache, wobei ihm die Gewehrkugeln um die Ohren sausten, als er, vor Müdigkeit am Boden liegend, eingenickt war und der Strauch über ihm zerfetzt wurde. Das erfuhren wir allerdings nur später aus seinem Brief, den er uns nach dem Umsturz schrieb. Die alljährlichen, üblichen Weihnachtsvorbereitungen, wurden uns diesmal unwichtig angesichts der vermeintlichen Gefahr, der Spannung, der Angst, die uns gefangen hielt.

Und doch war es für uns eine unvergessliche Weihnacht. Die Nachbarn und Freunde kamen zusammen, weil sie sich zu Hause fürchteten. Jeder trug mit einer Kleinigkeit zum Festessen bei. Wir zündeten die Kerzen am Weihnachtsbaum an und lauschten den alten Weihnachtsliedern, welche die Kinder auf der Flöte spielten. Die Kinder trugen ihre Gedichte vor und wir vernahmen das Weihnachtsevangelium, von einem Nachbarn vorgelesen.

Wir blieben noch beisammen, bis sich die Angst in ein Gefühl der Geborgenheit, der Gemeinschaft verwandelte und jeder nach Hause gehen konnte, getragen von der Gewissheit, nicht alleine zu sein, und von der Hoffnung, dass uns Gott beistehen werde. Damals ahnten wir noch nicht, dass unser Diktator nur noch einen Tag zu leben hatte. Nicolae Ceausescu wurde samt seiner Frau am 25. Dezember 1989 erschossen.

Das Geschenk dieser unvergesslichen Weihnacht war unsere Freiheit und die Chance auf eine bessere Zukunft, wofür wir sehr dankbar sind. Ja, es gibt noch viele Weihnachten, an die ich mich erinnere: schöne und traurige, reiche und arme, geheimnisvolle und aufgeklärte, weiße und graue. Ich bin dankbar für alle, die ich erleben durfte und vielleicht noch erleben darf.

Brigitte Benning, Weinsberg

Schlagwörter: Zeitgeschichte, Umbruch 1989

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  • 24.09.2009, 09:02 Uhr von dietrun.konnerth@gmx.de: Hi Armin, hast Du nur den einen Teil gesehen? es sind nämlich mehrere episoden...einfach nur noch ... [weiter]
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