17. April 2008

Unermüdliche Hilfe für Siebenbürgen

Wenige Landsleute wissen, wo Neheim liegt. Die kleine Stadt gehört zu Arnsberg im Sauerland, hat aber seit 1974 eine große Bedeutung für die Kreisstadt Karlsburg (Alba Iulia) in Sie­benbürgen. Noch unter der kommunistischen Regierung, am 18. Mai 1974, schlossen Arnsberg und Karlsburg eine Partnerschaft – die inzwischen längste und intensivste deutsch-rumänische Städtepartnerschaft in ganz Deutschland.
Zwischen den beiden Städten entwickelte sich eine große Freundschaft, die in den Zeiten des Kalten Krieges nicht immer einfach war. Der erste Parteisekretär des Kreises Alba, Homoș­teanu (später Innenminister), war einige Male zu Besuch in Arnsberg und mehrere Sport­vereine besuchten sich gegenseitig. Im Rahmen eines Austausches waren 13 rumänische Ärzte aus Karlsburg eine Woche lang verteilt in mehreren Krankenhäusern in der Stadt Arnsberg zu Gast. Begrüßt wurden sie vom heute 83-jährigen Heinz Heppelmann, Gründer und Initiator dieser Partnerschaft, dem damaligen Stadt­direktor von Arnsberg. Der Hermannstädter Thomas Nikolaus war als Dolmetscher bei je­dem Treffen dabei.
Bürgermeister Vogel (rechts) überreicht Thomas ...
Bürgermeister Vogel (rechts) überreicht Thomas Nikolaus die Bürgermedaille für Bürgerschaftliches Engagement.
In den ersten Jahren wurden viele medizinische Geräte nach Karlsburg gebracht, unter anderem eine komplette Einrichtung für eine chirurgische Arztpraxis sowie Diagnosegeräte und ein Computertomograf, außerdem sanitäre Einrichtungen und Babynahrung. In den ersten Jahren gab es viel Papierkram und lange Abfertigungszeiten an der ungarischen und rumänischen Grenze. Die Begleiter der Hilfs­transporte erzählen, sie könnten einen Roman schreiben über die Schikanen der rumänischen Grenzer und Zöllner. Nach dem Sturz Ceau­șescus veränderte sich alles, und es gab weniger Ärger beim Zoll. Seit dem EU-Beitritt Ru­mäniens ist das zum Glück Vergangenheit. Nach der Wende wurde in Neheim ein Förderverein gegründet, der die Städtepartnerschaft unterstützt. Heinz Heppelmann ist Vorsitzender, Thomas Nikolaus Cheforganisator der Trans­porte.

Anfang März ging der 55. Lkw nach Karls­burg los. Wenn man 55 mal 20 Tonnen Lade­gewicht zusammenrechnet, reicht ein großer Marktplatz wie der Große Ring in Hermann­stadt für diese Menge nicht aus. Der Gesamt­wert der Spenden wird auf ungefähr zwei Millionen Euro geschätzt, die Transportkosten belaufen sich auf etwa 100 000 Euro. Die Presse hat viel über diese Aktion berichtet. Über 50 Mal wurden Bilder vom Verladen der Lkws veröffentlicht.

In Karlsburg werden die Sachspenden vom Pfarrerehepaar Wagner, das mehrere Kirchen­gemeinden betreut, übernommen und im Sinne der Spender gerecht und zweckmäßig verteilt. Das Pfarrerehepaar führt auch das Diakonische Werk in Karlsburg, das eng mit dem Förder­verein zusammenarbeitet. 100 Mitarbei­ter der Diakonie sortieren die Kleider und Sachspenden für Kinderheime, Altenheime, Jugendheime von Behinderten und die evangelischen Kirchen­gemeinden. Die Diakonie Karlsburg hat eine Schreinerei, eine Autowerkstatt, eine Mühle und produziert in einer Bäckerei täglich 600 Brote. Ferner betreibt sie eine Küche, die mit den aus Neheim erhaltenen Lebensmitteln täglich eine warme Mahlzeit für Arme herrichtet.

Die schwerste Arbeit leisten Siebenbürger Sachsen

Auch die Kirchengemeinden der Partner­städte besuchten sich gegenseitig, um festzustellen, was an Hilfsgütern dringend gebraucht wird. Pfarrer Gerhard Wagner war mit seiner Ehegattin zu Besuch in Arnsberg. Zum Gegenbesuch fuhr Dechant Schnütgen. Auch der Förderverein mit seinem Vorsitzenden Heinz Heppelmann, Bürgermeister Vogel und drei Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft besuchten Karlsburg und waren auch in der Kulturhauptstadt Hermannstadt. Die Sachspen­den­freudigkeit ist weiter ungebrochen und wird vom Förderverein, vom Deutschen Roten Kreuz und vom Samariterbund unterstützt. Die schwerste Arbeit leisten jedoch vier Siebenbürger aus Hermannstadt, Petersdorf bei Mühlbach und Urwegen, die in Neheim ihre zweite Heimat gefunden haben: Karin und Thomas Nikolaus, Heidi Schunn und Maria Popa. Unermüdlich sortieren und verpacken sie zwei Mal pro Woche in einer großen Halle die Hilfsgüter, die gesammelt und einzeln in die Hand genommen werden. Seit 18 Jahren stellen sie Transporte zusammen. Es werden jedes Jahr drei Lkw à 20 Tonnen geschickt. Unsere vier Landsleute arbeiten ohne Entgelt und opfern ihre Freizeit, um Gutes zu tun.

Thomas Nikolaus war Straßenmeister bei der Stadt Neheim und so in enger Verbindung mit der Stadtverwaltung, die auch beim Verladen der Lkws behilflich ist. Nikolaus sagt: „Ich habe mir geschworen zu helfen, solange ich kann und solange ich gebraucht werde.“ Seit 18 Jahren ist der 68-Jährige mit seinem Fahrzeug für den Förderverein ehrenamtlich unterwegs und sammelt Hilfsgüter. Bei jedem Verladen ist auch Heinz Heppelmann dabei und koordiniert die Arbeit. Dem 83-Jährigen gebührt Lob und Dank für seinen Einsatz. Wir wünschen ihm Gesund­heit, damit er noch viele Jahre helfen kann.

Beladen mit Anhänger fährt Familie Nikolaus jedes Jahr nach Karlsburg, um sich vor Ort zu erkundigen, was am dringendsten gebraucht wird. Pfarrer Gerhard Wagner erklärt: „Wenn die Hilfe aus Neheim (Arnsberg) nicht mehr kommt, sind viele Behinderte und Arme betroffen und wir müssten 108 Arbeiter entlassen, die sich bei uns das Brot verdienen.“ Werdet nicht müde Gutes zu tun. Wo du Liebe verteilst, wo du Hilfe schenkst, bist du Gott näher als du denkst.

Hans Schuller

Schlagwörter: deutsch-rumänische Beziehungen, Städtepartnerschaft

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