16. März 2009

Begegnungszentrum "Eutopia" in Hamlesch geplant

Für Hariet Wolff ist es ein Neuanfang. Der Weg in ein neues Leben. Seit Juni 2007 lebt die gebürtige Hermannstädterin wieder in ihrer Heimat. In dem kleinen Dorf Hamlesch (Amnaș) bewohnt sie das ehemalige Pfarrhaus. Hier, unterhalb der eindrucksvollen Kirche, möchte sie in den kommenden Jahren ein Begegnungszentrum einrichten. „Eutopia“ hat sie ihr Projekt genannt: der schöne Ort, so steht es auf ihrer Internetseite.
Jetzt, am Ende des Winters, vermitteln die einsamen Straßen des Dorfes und die vielen leerstehenden Häuser keinen anheimelnden Eindruck. Einen schönen Ort stellt man sich anders vor. Am Tor des Pfarrhauses empfängt den Besucher Hundegebell. Eingehüllt in eine dicke Fleecejacke, dazu eine lilafarbene Wollmütze auf dem Kopf, weist Hariet Wolff die Tiere zurecht, bevor sie öffnet.
Unter dem Namen „Eutopia“ will Hariet Wolff (hier ...
Unter dem Namen „Eutopia“ will Hariet Wolff (hier vor dem Pfarrhaus) in Hamlesch ein Be­geg­nungsprojekt realisieren. Foto: Holger Wermke
Gäste sind willkommen, ja sogar ein elementarer Bestandteil ihres Projektes. „Ich möchte einen Ort schaffen, an dem die verschiedensten Menschen zusammenkommen mit unterschiedlichen Meinungen. Die Leute sollen hier reden, sich austauschen und diskutieren. Auch Handfestes will sie künftig anbieten. Sie könne sich vorstellen, Seminare zu Handwerk, Religion, Natur anzubieten, ebenso wie Koch-, Musik- und Malkurse. Auch Theater, ihre große Leidenschaft, möchte sie in das 370 Seelen zählende Dorf am Fuß des Zibinsgebirges bringen. Mit ihrer Idee konnte sie auch den Regisseur Radu Gabrea und die Schauspielerin Victoria Cocias begeistern. Beide unterstützen Wolff, die sie während der Dreharbeiten zu „Der geköpfte Hahn“ kennengelernt haben. Im Namen der Firma S.C. Total TV S.R.L. hat Cocias den Mietvertrag für das Pfarrhaus unterschrieben.

Seit drei Jahren lebt die ehemalige Schau­spielerin Wolff schon im ehemaligen Pfarrhaus. Dass die Wahl der aus München nach Sieben­bürgen heimgekehrten Frau auf Hamlesch fiel, ist dem Zufall zu verdanken. „Ich bin durch alle Dörfer in Siebenbürgen gefahren. Am Ende bin ich dann in Hamlesch hängen geblieben“, erzählt sie. Zum Grundstück gehört nicht nur das ehemalige Pfarrhaus, sondern auch die alte Kirchendienerwohnung, wo heute die sonntäglichen Gottesdienste stattfinden, sowie der Pfarr­garten mit seinen alten Obstbäumen.

„Ich will mich einsetzen für eine nachhaltige Nutzung alten Kulturgutes und die Bewahrung herkömmlichen bäuerlichen Wissens“, erklärt die gebürtige Hermannstädterin ihre Faszina­tion für eine naturbezogene Lebensweise. Ihr Essen stellt sie weitgehend selbst her, angefangen vom Käse über Wurst und Speck bis zum Gemüse kommt alles aus eigener Produktion. Das ist nichts Besonderes, wenn man in Ru­mänien auf dem Land lebt. Für Hariet Wolff, die lange Jahre in Deutschland gelebt hat, ist es die Wiederentdeckung des Ursprünglichen, eines naturbezogenen Lebens. Für ihr Projekt muss sie vorerst jedoch erst einmal den richtigen Rahmen schaffen, das heißt, die vorhandenen Gebäude und das Land, die jahrelang nur provisorisch erhalten wurden, wieder herrichten. „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie das hier aussah“, beschreibt sie ihre ersten Ein­drücke vom Haus. Überall habe es Dreck und alte Sachen gegeben, die sich im Laufe der Jah­re angesammelt hatten. Mittlerweile sieht es im Haus passabel aus. Fenster wurden repariert, die elektrischen Leitungen und die Hei­zung erneuert und das Gebäude renoviert. Doch noch immer ist nicht alles so, wie sie es sich vorstellt.
Als dieses Bild Anfang Januar entstand, lag der ...
Als dieses Bild Anfang Januar entstand, lag der Pfarrhof von Hamlesch noch im Winterschlaf. Rechts das frisch renovierte Pfarrhaus, links die ebenfalls 2008 sanierte neuromanische Kirche (siehe Siebenbürgische Zeitung vom 15.12.2008). Foto: Konrad Klein
Die ehemalige Schauspielerin des Hermann­städter Staatstheaters will beispielsweise die alte Schule, die sich derzeit in einem traurigen Zustand befindet, wiederherrichten und darin Künstlerateliers und Proberäume etablieren. Etwa 150 000 Euro wären für die Sanierung nötig, schätzt sie. Geld, von dem sie allerdings nicht weiß, woher es kommen soll. Deshalb sei sie auf Sachspenden angewiesen. Jeder, der will, könne für Kost und Logis am Projekt mitarbeiten. Demnächst soll ein Verein gegründet und EU-Gelder beantragt werden. All das braucht Zeit. In Anlehnung an frühere Zeiten hat sie ihren persönlichen Fünf-Jahres-Plan aufgestellt. Da die intensive Arbeit vor anderthalb Jahren begonnen hat, liegen also noch dreieinhalb weitere Jahre vor ihr. Wenn alles nach Plan läuft. Für die sympathische, tatkräftige Frau ist das Leben in Hamlesch trotz aller Unwägbarkeiten ein Schritt in die richtige Richtung, wie sie selbst sagt. Noch vor wenigen Jahren litt sie an den Folgen einer schweren Krankheit, war depressiv und unfähig, ein normales Leben zu führen. Ein Arzt empfahl ihr damals, einen Ausbruch aus dem damaligen Leben zu wagen. Das hat sie getan. Es scheint ihr gut zu tun.

Holger Wermke

Schlagwörter: Kirche und Heimat

Bewerten:

46 Bewertungen: ++

Neueste Kommentare

  • 11.04.2009, 09:29 Uhr von Christian Döge: Hallo! Die website war etwas verwaist in letzter Zeit, dafür entschuldige ich mich... Jetzt ... [weiter]
  • 21.03.2009, 14:18 Uhr von der Ijel: Scheint keine Utopie mehr zu sein dieses Projekt-- ganz schön mutig ist Frau Wolf. Dazu bleibt ... [weiter]
  • 20.03.2009, 21:31 Uhr von bosurog: ... und ihre Website unter www.eutopia.in [weiter]

Artikel wurde 4 mal kommentiert.

Alle Kommentare anzeigen.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.