1. Juni 2009

Ein wirklicher Gewinn: Treffen der Mundartautoren in Nürnberg

Am 26. April 2009 fanden sich im Haus der Heimat in Nürnberg ein neuerliches Mal siebenbürgisch-sächsische Mundartautoren und einige an der Mundart und deren Schreibung Interessierte aus verschiedenen Gebieten Deutschlands zu einem Seminar mit anschließender Lesung ein. Gefördert wurde diese Veranstaltung vom Haus der Heimat Nürnberg und vom Kreisverband Nürnberg der Siebenbürger Sachsen.
Doris Hutter begrüßte die Anwesenden und ganz besonders jene, die zum ersten Mal dabei waren. Zur Einstimmung gab Bernddieter Schobel Bedenkenswertes aus seinen Erfahrungen mit dem Gestalten der Rubrik Sachsesch Wält in der Siebenbürgischen Zeitung zum Besten, zum Thema Sprechen – Schreiben in heiterer Verpackung: „Die Sache mit dem Vögelchen oder: Wie soll man sächsisch schreiben“. Da man nämlich automatisch - nach der sogenannten Eifler Regel - e Vijeltchen sagt, sollte man auch so schreiben und nicht en Vijeltchen!
Mundartautorentreffen in Nürnberg: sitzend die ...
Mundartautorentreffen in Nürnberg: sitzend die Singgruppe, in ihrer Mitte Autorin Hilda Femmig; stehend von links: die Autoren Doris Hutter, Katharina Kessel, Bernddieter Schobel, Dietrich Weber, Martha Wachsmann, Günther Schuster, Hans Otto Tittes, Wilfried Römer, Hilde Juchum, Martin Hedrich und Seminarleiterin Hanni Markel. Foto: Annette Folkendt
Mundartschreiben ist eine Identitätssache, aber bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Siebenbürgisch-Sächsisch birgt besonders viele Eigenheiten, daher gibt es nach wie vor keine Einheitsformel. Es zeigt sich, dass Übungen mehr bringen als Abhandlungen zu einem Problem. So haben wir also mit Hanni Markel Dehnung und Kürzung von Vokalen, die Behandlung der Konsonanten am Wortende, spezielle Wortfolge im Dialekt, auch den n-Ausfall geübt und wurden auf Unterschiede aller Art und deren Schreibung je nach Ortsmundart aufmerksam gemacht (etwa mehrere, mitunter komisch wirkende Entsprechungen für „sehr“: sihr, stark, hårt, anjem usw.). Die daraus resultierende Resonanz war reges Interesse aller Seminarteilnehmer.

„Es war ein wirklicher Gewinn, dass neue Mundartautoren dabei waren!“, meint Hanni Markel: „Ich vermutete z. B., dass die Lautung in Schirkanyen schon in Richtung Burzenland geht, konnte aber nicht sicher sein, bis ich es gehört habe. Wasserflasche hätte deshalb im Programm Woßerfloosch geschrieben werden müssen.“ Es erscheint auch irgendwie befremdlich, Frää (Frau) mit doppeltem ä geschrieben zu sehen; doch wie in Åålder (Alter) ist die Verdopplung des Selbstlauts besonders bei Abweichungen vom Schriftdeutschen die bessere Lesehilfe und entspricht darüber hinaus oft einem vertrauten Zwielaut (Frau, ault). Nach längerem Üben fällt es plötzlich leichter, die Wörter Froch (Frage), Woch (Woche) und Wooch (Waage), aber auch froģen (fragen), Wooģen (Waagen) beziehungsweise Wochen (Wochen) richtig zu schreiben.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen, nach Kuchen und Kaffee hatten wir die Freude, an einer öffentlichen Lesung teilzunehmen. Es trugen vor: Katharina Kessel (Nürnberg) „Mat dem Fraihjohr an dem Harz“ und „Wiër dreet de Huse häit“, Martha Wachsmann (Nordheim bei Heilbronn) „Fliercher schneden“ und „De Trenj aus aser Gass“, Hilde Juchum (Rohrenfels bei Neuburg) „Dem Trenj en Dinkmol“, Bernddieter Schobel (Crailsheim) „Der Getz uch de drå Åcher“, Dietrich Weber (Augsburg) „Der Pali öüs der Woßerfloosch“ und „De kaputt Schlätz“, Hans Otto Tittes (Drabenderhöhe) „Der traurich Mån“, „Fraaen-Taktik“ und „Iejän Ziëhlweis“, Doris Hutter (Herzogenaurach) „Emanzipiert Frääen 2009“, „Ta uch?“ und „Fräh am Johr“ sowie Hilda Femmig (Heilbronn) „Em wid modern“. Wie die meisten Titel erkennen lassen, überwog die Frauenthematik, die anlässlich des Frauenwahlrechts 1919 vorgegeben worden war. Ewige Spannungen Männlich-Weiblich, angestrebte Moderne und Emanzipation in pointenreicher Gestaltung sicherten den Vortragenden ein aufmerksames Publikum, das sich dankbar zum Mitgehen und Mitlachen animieren ließ. Vorgetragen von Wilfried Römer (Augsburg), verdeutlichte „Der Stammbuum“ Verborgenes, Verschwiegenes und gab somit manch streng gehütetes Familiengeheimnis preis. Martin Hedrichs (Höchberg bei Würzburg) Gedicht „Vu Fraenderf bäs Nimesch“ hat mich in gewisser Weise zur Bereitschaft gebracht, öfters als Touristin nach Siebenbürgen in die alte Heimat zu reisen.

Zu Gast waren bei der Lesung auch Kinder der von Rosel Potoradi geleiteten Sing- und Spielgruppe Nürnberg. Als Übergang von der Lesung zum kulturellen Teil hat Günther Schuster aus „Medwescher Tramiter“ die „Walpurgisnuecht“ vorgelesen. Die Kinder hörten gespannt zu, um anschließend vom Heimatort ihrer Eltern zu erzählen. Die Idee zu dieser Kreativveranstaltung war im Rahmen des Bayerischen Schülerwettbewerbs „Europa im Karpatenbogen“ entstanden. Passend zum Frühling und den Fliercheren spielte der Nachwuchs auch mit Rosel Potoradi einstudierte Lieder auf der Blockflöte.

Krönender Abschluss dieser siebenbürgisch-sächsischen Zusammenkunft war eine Darbietung der in Trachten gekleideten Frauensinggruppe, ebenfalls unter der Leitung von Rosel Potoradi. Die Lieder „Hiemwih“, „Um Bränntchen“, Hochzetlied“ und „E Streïßken“ haben Erinnerungen geweckt, und die Einsicht, dass unser Dialekt ohne Schrift vielleicht nie genügend Reputation erlangen kann. Katharina Bota sang das Lied „De Gadliusekijjelcher“ (Die Pusteblumen) von Josef Beer.

Ich durfte als Gast an diesem gelungenen Treffen teilnehmen und werde auch nächstes Mal gerne wiederkommen. Ein herzlicher Dank gebührt der Organisatorin Doris Hutter, Referentin Hanni Markel, den Mundartautoren, der Sing- und Spielgruppe der Kinder, Hilde Juchums hervorragenden Kochkünsten, der Frauensinggruppe und natürlich der unermüdlichen Rosel Potoradi.

Roswitha Botradi

Schlagwörter: Mundartautoren

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  • 03.06.2009, 10:23 Uhr von der Ijel: Et wor wirklich e Gewänn--- Tea huest Riacht Roswitha. Mundartschreiben ist ... [weiter]

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