1. Juni 2010

Siebenbürgische Zeitung im Fokus: Podiumsdiskussion erörtert journalistische Fragen

Als der Moderator in das Thema einführend vom Sinn und Unsinn von Jahrestagen sprach und dabei, gemäß der Themensetzung der Podiumsdiskussion, das 60-jährige Jubiläum der Siebenbürgische Zeitung und das 10-jährige des Internetportals www.siebenbuerger.de meinte, konnte er sich nicht sicher sein, ob sich am Podium und später mit dem Publikum im Kleinen Schrannensaal eine lebhafte Diskussion entwickeln würde. Dass es am Pfingstmontagvormittag doch so kam, war mit das Verdienst des Fragenstellers und Infragestellers, des Anregers und Stichwortgebers Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch.
Der Leiter des Wissenschaftsbereichs Geschichte des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa gab gelegentlich auch den „Agent Provocateur“, bediente sich dabei (mit sichtlichem Vergnügen) nicht selten des Stilmittels der Ironie. Gündisch stellte die Podiumsteilnehmer vor und etikettierte sie schon gleich als „Macher“: den Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung (SbZ), Siegbert Bruss, Robert Sonnleitner, Webmaster von Siebenbuerger.de und Internetreferent des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, sowie den Betreuer der SbZ-Beilage „Kirche und Heimat“ und Vorsitzenden des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben, Dekan i.R. Hermann Schuller; als die „Konkurrenz (?)“ die Chefredakteurin der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien (ADZ), Rohtraut Wittstock; als „Meinungsbildner“ schließlich den langjährigen Südosteuropa-Korrespondenten des Ersten Deutschen Fernsehens in Wien, Prof. h.c. Peter Miroschnikoff.

Öffentlichkeitsarbeit braucht Medienkompetenz

Auf die Frage des Moderators hin, ob die SbZ den 60. Jahrestag als Anlass zur Selbstdarstellung und Eigenwerbung genutzt habe, erläuterte Chefredakteur Siegbert Bruss das für das Zeitungsjubiläum entwickelte Konzept. So habe das Redaktionsteam eine Sonderausgabe mit vielfältigen Autorenbeiträgen herausgebracht „als Geschenk an unsere treuen Leser“ und in der Intention, auf bedeutende verbandsgeschichtliche Entwicklungen und Ereignisse der vergangenen 60 Jahre schlaglichtartig hinzuweisen. Diese achtseitige Festgabe wurde der Folge 8 vom 20 Mai 2010 beigelegt; überdies sind 11 5000 zusätzliche Exemplare gedruckt worden. Hinzu komme, als ein weiterer Höhepunkt in diesem Jubiläumsjahr, diese der SbZ und der Verbands-Webseite Siebenbuerger.de gewidmete Podiumsdiskussion am Heimattag in Dinkelsbühl.
Podiumsdiskussion am Pfingstmontag, von links: ...
Podiumsdiskussion am Pfingstmontag, von links: Hermann Schuller, Rohtraut Wittstock, Konrad Gündisch, Peter Miroschnikoff, Siegbert Bruss und Robert Sonnleitner. Foto: Christian Schoger
Seit 1949 erscheint die als Neuer Weg gegründete Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien. Folglich konnte die deutschsprachige Zeitung bereits im vergangenen Jahr ihr 60-jähriges Bestehen feiern. Wie Rohtraut Wittstock in Erinnerung rief, sei dies vor allem in Form einer zweitägigen Festveranstaltung und einer Wanderausstellung geschehen. Der Jahrestag habe die Funktion erfüllt, „sich über sich selbst Gedanken zu machen, um sich neu zu positionieren“, betonte die ADZ-Chefredakteurin. Die ADZ begreife sich keineswegs, wie vom Moderator provokant in den Raum gestellt, als Konkurrenz zur SbZ, vielmehr würden sich beide Zeitungen ergänzen als jeweils spezifisches Angebot für die Leser – zumal die ADZ als Tageszeitung auch gänzlich anderen Produktionsbedingungen unterliege. An ein digitales Zeitungsarchiv, über das die SbZ-Online seit wenigen Monaten verfügt, sei bei ihrer Zeitung angesichts des hierfür erforderlichen Arbeitsaufwandes nicht zu denken.

Erinnerungskultur – im Zeichen eines Jahrestages - als Problem, das konnte Dekan i.R. Hermann Schuller nur verneinen. Im Gegenteil erachte er Erinnerungskultur als eine „grundlegende Kultur“, die das Erinnern verknüpfe mit der „Verantwortlichkeit für das, was gewesen ist“. Die von ihm verantwortete SbZ-Beilage „Kirche und Heimat“ sei in diesem Sinne immer wieder mit Herausforderungen konfrontiert. Das mache ein journalistisches Profil erforderlich, unterstrich Schuller.

In seinen Ausführungen ging der Internetreferent Robert Sonnleitner auf übergeordnete strategische Aspekte, thematische Schwerpunktsetzungen, marginal auch auf technische Aspekte der höchst öffentlichkeitswirksamen Angebote von www.siebenbuerger.de ein. Zielgruppe des seit zehn Jahren bestehenden Internetportals sei, neben den landsmannschaftlich verbundenen Lesern, „die breite Öffentlichkeit, die sich für siebenbürgisch-sächsische Themen interessiert“. Diese Inhalte liefere vornehmlich die Zeitung. Zudem verschicke Siebenbuerger.de allmonatlich einen Newsletter. Weitere wichtige, von Internetnutzern rege in Anspruch genommene Angebote seien der täglich aktualisierte Pressespiegel, das Ortschaftenportal, die online präsentierten siebenbürgisch-sächsischen Institutionen, das Spracharchiv, nicht zu vergessen die Luftbildaufnahmen, Fotostrecken und das Siebenbürger-Sachsen-Quiz. Nach Sonnleitners Angaben verzeichnet Siebenbuerger.de täglich 4 000 Besuche und 25 000 Seitenzugriffe. Gefragt nach dem Geheimnis dieses Erfolges, antwortete der Internetreferent selbstbewusst: „Wir haben Fachleute, die wissen, wie das zu machen ist.“

Der international renommierte Journalist Peter Miroschnikoff warb mit Verve dafür, das Thema Siebenbürgen noch weitaus stärker in das öffentliche Bewusstsein zu tragen. Begrifflich seien Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen eindeutig positiv besetzt, allein deren Bekanntheitsgrad sei steigerungsfähig. Das gelte insbesondere für die in den Schulen verwendeten Geschichtsbücher, worin Siebenbürgen „weniger als nicht“ thematisiert sei. Dieses Jubiläum zum Anlass nehmend, solle der Verband daher „in die Schulen gehen und Öffentlichkeitsarbeit betreiben“. Der ehemalige Südosteuropa-Korrespondent der ARD in Wien und selbsterklärte „Siebenbürgen-Fan“ ermunterte dazu, die Öffentlichkeitsarbeit durchaus „populistischer“ anzugehen. Im Sinne einer wirkungsvolleren Selbstdarstellung sollten attraktive „Aufhänger-Themen“ gewählt und offensiv genutzt werden. Miroschnikoff schlug einige der Imagewerbung dienende Aktionen vor, beispielsweise eine für sämtliche deutschen Minderheiten aus Rumänien organisierte Großveranstaltung.

Der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Dr. Bernd Fabritius, ergriff in seiner Funktion als Herausgeber der SbZ das Wort. Es habe in der Vergangenheit durchaus vorzeigbare Erfolge in der Öffentlichkeitsarbeit an den Schulen gegeben, so etwa diverse Zeitzeugenprojekte. Die angeregte Einflussnahme auf die Schulbücher betreffend äußerte der Bundesvorsitzende seine Skepsis angesichts der Hoheit der Länder für die Bildung. Darüber hinaus habe die Zeitung immer wieder „Aufhänger“ genutzt, um verbandspolitische Belange öffentlichkeitswirksam zu vermitteln (z. B. das Thema der Russlanddeportation anlässlich des an Herta Müller verliehenen Literaturnobelpreises).

Ähnlich argumentierte auch Siegbert Bruss. Indem die Zeitung diese Aufgabe erfülle, verstärke sie die Bindung zu den Landsleuten. In Abhebung von der nach außen zielenden Öffentlichkeitsarbeit betonte der SbZ-Chefredakteur, dass es vorrangig wichtig sei, den Interessen der Verbandsmitglieder Rechnung zu tragen.

Meinungsvielfalt ist Ausweis demokratischer Kultur

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung nutzte das Publikum die Gelegenheit, sich in die Diskussion aktiv einzubringen. In lebhaftem Austausch mit dem Podium kam ein Bündel an Fragen und Anmerkungen, auch kritisch-konstruktiv artikulierten Einwürfen zur Sprache. So wurde gefragt, weshalb die SbZ verhältnismäßig wenige Leserbriefe veröffentliche. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass der Redaktion selten Lesermeinungen zugingen, erklärte Bruss. Beanstandet wurde die gelegentliche Überlänge von Beiträgen in der SbZ. Im Sinne einer gesteigerten Leserfreundlichkeit sollte die Redaktion den Autoren strengere Vorgaben (Anzahl der Zeilen) machen. Diese Anregung von Gudrun Schuster wurde kontrovers erörtert. Apropos Kontroverse: Konrad Gündisch erblickte in der Meinungsvielfalt, die in den Diskussionsforen des Verbandsportals Platz finde, „einen nicht hoch genug zu schätzenden Ausweis demokratischer Kultur“.

Zu der Frage des Moderators, ob und in welchem Maße der Herausgeber die Zeitung beeinflusse, äußerte sich der ehemalige SbZ-Chefredakteur Hannes Schuster. Mit Hinweis auf seine langjährige Berufserfahrung, 24 Jahre journalistische Tätigkeit in Rumänien inbegriffen („Damals habe ich unter den Zwängen der Zensur gearbeitet.“), bekräftigte Schuster, dass er in den zwölf Jahren als Redakteur der SbZ diesbezüglich „keine schlechten Erfahrungen“ gemacht hätte.

Weitere Wortmeldungen folgten. Nach Ansicht des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alfred Mrass könnten humoristische Beiträge eine noch höhere Attraktivität der SbZ bewirken. Die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter würdigte die identitätsstiftende Wirkung der Zeitung. „Die Zeit ist um!“, damit schloss der Moderator Konrad Gündisch die dem SbZ-Jubiläum angemessen inhaltsreiche, bemerkenswert lebendig verlaufene Podiumsdiskussion.

Christian Schoger

Schlagwörter: Siebenbürgische Zeitung, Medien, Siebenbuerger.de, Heimattag 2010

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