23. Mai 2013

Bernd Fabritius: Aufruf zum Mitgestalten und zur Bewahrung der siebenbürgisch-sächsischen Identität

Der Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl stand unter dem Motto „Wir gehören dazu! Dank und Verpflichtung“. Von diesem Leitwort ging der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius in seiner Begrüßungsansprache am Pfingstsonntag, dem 19. Mai, aus, um für die Aufnahme der Siebenbürger Sachsen in Deutschland zu danken und um gleichzeitig deutlich zu machen, „dass wir Teil der deutschen Gesellschaft sind, dass wir hier Annahme und auch Unterstützung benötigen und dass wir dieser Gesellschaft dafür auch etwas zurückgeben können“. Bernd Fabritius forderte seine Landsleute auf, nicht gleichgültig oder bequem zu sein, sondern ihre Identität zu erhalten, ihr Kulturerbe zu pflegen und letztendlich ihre Gestaltungskraft zu erkennen: Ein besseres Miteinander entstehe nicht, wenn wir die Verantwortung nur bei anderen sehen, sondern durch Mitmachen und Gestalten. Der Bundesvorsitzende konnte seine Ansprache wegen einsetzenden Unwetters nur auszugsweise halten. Sie wird im Folgenden für die Leser der Siebenbürgischen Zeitung in voller Länge wiedergegeben.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich zum Heimattag der Siebenbürger Sachsen 2013 in Dinkelsbühl!

Dinkelsbühl ist zu Pfingsten die siebenbürgischste Stadt der Welt und damit die schönste, weil wir hier unseren Heimattag feiern. Unsere Partnerstadt bietet schon traditionsgemäß den Rahmen für unser Fest des Wiedersehens mit Landsleuten, mit Bekannten und Freunden, für das Erleben unserer Gemeinschaft. Der wunderbare Trachtenumzug ist einer der Höhepunkte unseres Treffens, ein herzliches Dankeschön allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Ich begrüße alle Ehrengäste, die uns an unserem Heimattag mit ihrer Anwesenheit beehren.

Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius während ...
Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius während seiner Begrüßungsansprache in Dinkelsbühl. Foto: Günther Melzer
Ganz herzlich begrüße ich den Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Herrn Horst Seehofer mit Gattin. Im letzten Jahr haben Sie unseren Heimattag eröffnet und spontan versprochen, in diesem Jahr unseren Trachtenumzug zu besuchen und am Pfingstsonntag zu uns zu sprechen, und: Horst Seehofer hält was er verspricht. Danke schön!

Als „Freundin unter Freunden“ begrüße ich die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Frau Barbara Stamm, herzlich willkommen! Ich gratuliere herzlich zu der heute verliehenen Honterus-Medaille, der höchsten Auszeichnung, die das Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen verleiht und mit welcher ihr seit 23 Jahren währender Einsatz in unserer Heimat gewürdigt wurde. Sie, Frau Präsidentin, sind die größte Konstante in den deutsch-rumänischen Beziehungen und für die Gemeinschaft der Deutschen aus Rumänien im Besonderen. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung!

Ich begrüße den Außenminister von Rumänien, Herrn Titus Corlățean, sehr herzlich in unserer Mitte. Anfang Februar hatten wir in München am Rande der Sicherheitskonferenz schon die Möglichkeit, ein Anliegen unseres Verbandes miteinander zu besprechen. Da hatten Sie Herr Minister gesagt, Sie würden sich dieses Themas annehmen und dann nach Dinkelsbühl kommen, wenn Sie etwas für uns erledigt hätten. Heute sind Sie da. Wir sind gespannt, was Sie uns sagen werden!

Wir grüßen die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen in unserer Mitte, herzlich willkommen Frau Erika Steinbach.

Ich grüße seine Exzellenz den Botschafter von Rumänien in Berlin, Lazăr Comănescu mit Gattin, und alle weiteren Vertreter des diplomatischen und konsularischen Corps.

Ebenfalls aus Rumänien begrüße ich die Staatssekretärin Christiane Cosmatu und den Bürgermeister der Stadt Bistriz, Ovidiu Crețu, sehr herzlich.

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Ich grüße alle Vertreter aus dem deutschen Bundestag und den Landtagen, stellvertretend für alle den Abgeordneten Thomas Göppel aus dem Bundestag, den Abgeordneten Werner Jostmeier aus dem Landtag unseres Patenlandes Nordrhein-Westfalen sowie aus dem Bayerischen Landtag die vertriebenenpolitischen Sprecherinnen der SPD, Christa Naaß, sowie der CSU, Christa Matschl, herzlich willkommen allen Abgeordneten!

Ich grüße den Landrat dieses schönen Landkreises, Dr. Jürgen Ludwig, und die Vertreter unserer Partnerstadt Dinkelsbühl, allen voran Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer, ich grüße die Mitglieder des Stadtrates und alle Bürgerinnen und Bürger Dinkelsbühls, die uns heute die Ehre erweisen.

Ganz besonders freue ich mich, bei diesem Heimattag den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Deutschland, Peter Leber mit Gattin, zu begrüßen, mit ihm die banat-schwäbische Tanzgruppe aus Crailsheim, die unserem Heimattag in diesem Jahr die Ehre erweisen.

Aus den befreundeten Verbänden in unserer weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen begrüße ich den neu gewählten Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Prof. Dr. Paul Jürgen Porr, stellvertretend für alle weiteren Vertreter unseres Bruderverbandes in Siebenbürgen und die Tanzgruppe des Regionalforums Bistritz, die ebenfalls Gast unseres Heimattages sind.

Als Vertreter unserer Heimatkirche begrüße ich Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli und danke für das geistliche Wort.

Ein Gruß geht letztlich an alle Vertreter der Verbände und Organisationen innerhalb unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft, an den Ehrenvorsitzenden unseres Verbandes, Dr. Wolfgang Bonfert, das älteste Ehrenmitglied unseres Verbandes, Peter Handel (93), an den Vorsitzenden des Kulturrates, Dr. Christoph Machat, alle anwesenden Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises, an den Vorsitzenden des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen, Dr. Johann Kremer, den Vorsitzenden der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, Dekan i.R. Hermann Schuller, die Vorsitzenden des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, Karl-Heinz Brenndörfer und Werner Henning, den Vorsitzenden der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland, Elmar Wolff, den Geschäftsführer der Carl Wolf Gesellschaft als Netzwerk unserer wirtschaftlichen Leistungsträger, Reinhold Sauer, sowie den Vorsitzenden der Michael-Schmidt-Stiftung, Herrn Michael Schmidt, herzlich willkommen!

Gemeinsam mit der Peter Maffay Stiftung und der Michael-Schmidt-Stiftung gestalten wir im Sommer in Siebenbürgen die Kulturwoche Haferland, zu deren Veranstaltungen ich Sie alle namens aller Mitveranstalter herzlich einladen darf. Nur durch den Einsatz und die Unterstützung durch unsere wirtschaftlichen Leistungsträger können wir kulturelle Veranstaltungen wie diese durchführen, dafür sei an dieser Stelle auch einmal herzlich DANKE gesagt.

Ich begrüße letztlich Sie alle, liebe Landsleute, zu unserem Heimattag 2013 in Dinkelsbühl.

Zum Motto des Heimattages: „Wir gehören dazu! Dank und Verpflichtung“

Gemeinsam mit der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen und der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) als Mitausrichter präsentieren wir Ihnen die große Bandbreite unseres Wirkens und die Schönheit und Besonderheit unserer Kultur.

Dieser ist vorrangig auch das diesjährige Motto gewidmet: „Wir gehören dazu! Dank und Verpflichtung“. Dieses ist Bekenntnis und Forderung zugleich. Damit gedenken wir nicht nur des vor 60 Jahren in Kraft getretenen Bundesvertriebenengesetzes. Wir machen auch deutlich, dass es gefruchtet hat, dass wir angekommen sind – mitten in Deutschland und Europa!

Wir zeigen Dankbarkeit und weisen gleichzeitig auf Verpflichtungen hin, die diese Zugehörigkeit mit sich bringt: für uns und für die Gesellschaft, deren Teil wir sind. Wir machen damit deutlich, dass wir Teil der deutschen Gesellschaft sind und angenommen werden wollen. Und dass wir dieser Gesellschaft dafür auch etwas zurückgeben können: Es ist unser kulturelles Erbe als Teil der deutschen Kultur, das wir hier einbringen.

Wir wollen unsere Traditionen, Bräuche und Werte – unser immaterielles Erbe – leben und pflegen und so weitergeben, dafür benötigen wir beherzte Unterstützung.

Zur Bewahrung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes

Nicht minder großer Kraftanstrengungen bedarf es für die Bewahrung und Konservierung unser materiellen Kulturschätze. Die Aussiedlung aus unserer angestammten Heimat hat uns keinesfalls enterbt, meine Damen und Herren, wir müssen uns der Verantwortung als Erben dessen, was unsere Vorväter für uns geschaffen und bewahrt haben, bewusst werden.

Wir tun es! Gemeinsam mit unserer Heimatkirche in Siebenbürgen, mit dem Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, dem Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen, dem Sozialwerk, unseren Stiftungen und unseren Bruderverbänden in der weltweiten Föderation und allen anderen landsmannschaftlichen Organisationen wollen wir an dem von Bischof Reinhart Guib vorgeschlagenen Masterplan zur Bewahrung unseres Erbes tatkräftig mitarbeiten. Ich lade jeden dazu ein, sich nach Kräften zu beteiligen.

Bischof Guib hat uns Sachsen in Deutschland eingeladen, UNSER Erbe auch in Siebenbürgen anzutreten, denn: wir gehören dazu, auch dort.

Es ist eine weitere Dimension unseres Mottos, das uns an eine VERPFLICHTUNG erinnern soll, an unser Erbe in Siebenbürgen.

Gleichzeitig wollen wir uns den Aufgaben widmen, die unser mitgebrachtes kulturelles Erbe von uns fordert: das Kulturkonzept 2020 zur Sicherung unserer Kultureinrichtungen in Deutschland. Sei es unser Museum in Gundelsheim, das Siebenbürgen-Institut, die Siebenbürgische Bibliothek oder das Archiv – sie alle fordern uns in gleichem Maße.

Ich danke an dieser Stelle jedem, der im letzten Jahr durch eine Zuwendung, einen Aufruf zur Spende statt Geburtstagsgeschenken oder statt Blumenschmuck für unsere Kultureinrichtungen etwas Gutes getan hat. Unsere Kultur, meine Damen und Herren, umfasst Blumen, die niemals welken!

Ich danke an dieser Stelle allen Verantwortlichen von Bund und Ländern, die uns in unseren Bemühungen unterstützt haben und uns weiter unterstützen. Stellvertretend für alle danke ich Ihnen, Herr Ministerpräsident Seehofer, für die tatkräftige Mithilfe des Freistaates Bayern. Nicht zuletzt kann das Programm dieses Heimattages auch dank der finanziellen Unterstützung des Freistaates Bayern und des Hauses des Deutschen Ostens in München so vielfältig angeboten werden.

Unsere Erfahrungen bereichern Deutschland und Europa

Wir geben gerne auch etwas zurück: Unsere Erfahrung des Miteinanders über ethnische, konfessionelle und kulturelle Grenzen hinweg macht uns erfolgreich und zukunftsfähig – sie ist eine Bereicherung für Deutschland und für Europa.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben im letzten Jahr Bayern als das „5-Sterne-Land“ und uns als dessen fünften Stern bezeichnet. Sie haben uns bescheinigt, „goldene Brücken“ in den Osten Europas zu bauen. Sie haben Recht, wir bauen diese Brücken aus Überzeugung. Es sind tragfähige Brücken mit Fahrspuren in beide Richtungen. Dieses sage ich,
  • auch wenn die eine Spur manchmal stockt und nicht so schnell ist, wie viele von uns sich das gerne wünschen würden,
  • oder wenn es Fahrspuren geben muss, deren Zweck wir heute noch nicht erahnen. Aber ohne Brücke gibt es gar keine Verbindungen, weder dorthin noch zu uns!
Wir werden den Weg des konsens- und ergebnisorientierten Dialogs mit unserem Herkunftsgebiet weiter führen, auch wenn einige Landsleute uns deswegen angreifen. Denn dieser Weg ist richtig, er ist alternativlos. Ja, es gibt noch Stau und auch Baustellen auf unseren Brücken! Den Abschluss einer davon kann ich heute mit etwas Erleichterung – und trotzdem auch mit etwas Wehmut – vermelden: Die rumänische Regierung hat vor wenigen Wochen die Entschädigung der heute in Deutschland noch lebenden deutschen Zwangsarbeiter auf den Weg gebracht. Am 14. Mai, vor wenigen Tagen, wurde die von unserem Verband angeregte Gesetzesänderung vom rumänischen Senat EINSTIMMIG beschlossen. Das belegt einen parteiübergreifenden Konsens, mit dieser dunklen Seite der eigenen Geschichte in Rumänien aufzuräumen. Das entsprechende Gesetz Nr. 89/2013 befindet sich auf dem Wege der endgültigen Verabschiedung und dürfte in wenigen Wochen in Kraft treten!

Wiedergutmachung für Opfer der Zwangsverschleppungen

Das ist einzigartig in Europa und ein bemerkenswertes Zeichen der Rehabilitierung unserer Gemeinschaft! Und es ist ein Versuch unseres ehemaligen Heimatlandes, etwas unglaublich Schreckliches an uns wieder gutzumachen.

Es geht gar nicht primär um die konkrete Zahlung an einzelne Opfer in Deutschland, meine Damen und Herren, weil Geld die verlorenen Jahre nicht zurückbringt und Leid nicht ungeschehen macht. Es geht aber um den offenbaren Willen etwas gutzumachen und damit grenzüberschreitend Verantwortung zu übernehmen!

Wehmut verspüre ich, wenn ich an all jene Opfer denke, die dieses Zeichen der Rehabilitierung nicht mehr erleben durften. Den Schmerz der Nachkommen können wir aus den zahlreichen Briefen entnehmen, die an unseren Verband gerichtet sind. Doch bei einem bin ich mir sicher: Auch diejenigen Opfer, die dieses Zeichen nicht mehr erleben durften, hätten den Willen Rumäniens, etwas gutzumachen, angenommen und sich mit ihrem eigenen Schicksal versöhnt. Auch DAS ist aus diesen Briefen zu entnehmen, die nicht selten Dankbarkeit aufzeigen. Dankbarkeit für die gebauten Brücken, die ein solches Zeichen erst ermöglicht haben!

Gedenken an vergangenes Unrecht, Handeln für die Zukunft

Derartige Brücken wollen alle landsmannschaftlichen Verbände bauen, die ähnliche Schicksalsschläge in ihren kollektiven Lebensläufen verzeichnen mussten. Hier – und ich bin mir diesbezüglich mit der Präsidentin des BdV, mit Ihnen liebe Frau Steinbach, absolut einig – sehen sich alle Verbände der Deutschen aus Mittel- und Osteuropa als ein natürliches Bindeglied zwischen Deutschland und unseren Herkunftsländern. Die Erinnerung an Vertreibungen und besonders auch an die Vertreibung der Deutschen nach dem verursachten Krieg ist und bleibt eine gemeinsame Aufgabe – im Sinne eines „Nie Wieder!“ und im Sinne eines „Rache ist und wird durch nichts gerechtfertigt!“.

Unser Aufgabengebiet und unser Personenkreis haben sich inzwischen deutlich weiter entwickelt. Anknüpfungspunkt für unsere Zusammengehörigkeit sind nicht mehr nur die in unserem Lebenslauf liegenden schrecklichen Ereignisse und deren Aufarbeitung, sondern – zukunftsorientiert – auch die gewachsene landsmannschaftliche Verbindung mit allen geschichtlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Facetten in ihrem grenzüberschreitenden Bezug.

Gerade diese eignen sich unter den Bedingungen eines modernen und freien Europas bestens als Brücke, die wir – dem von uns verfolgten modernen, europäischen Ansatz entsprechend – der Gesellschaft anbieten. Wir Siebenbürger Sachen haben vor über 60 Jahren die Charta der Heimatvertrieben, das vielleicht älteste Instrument europäischer Verständigungspolitik, mit unterzeichnet. Wir reichen seither jeden Tag aufs Neue die Hand, ganz besonders auch heute, und erneuern unser Angebot: Nutzt uns als Brücke zur Verwirklichung der europäischen Idee, der wir uns von Anfang an verschrieben haben und die wir als Deutsche aus Mittel- und Osteuropa weiter verfolgen.

Rumänien muss Rechtsstaatlichkeit achten, Kritik am Restitutionsgesetz

Aus diesem Grund befürwortet unser Verband eine baldmöglichste Einbeziehung unseres Herkunftsgebietes Rumänien in den Kreis der Vollanwenderstaaten des Schengenrechts. Bestehende Einschränkungen tangieren uns darin, uns als grenzüberschreitende Gemeinschaft auszuleben und zu gedeihen. Und sie widersprechen dem europäischen Grundgedanken. Wir appellieren daher zuerst an Rumänien, endlich die zu Recht geforderten beherzten Schritte gegen Korruption und für die Festigung der Rechtsstaatlichkeit nach europäischem Muster abzuschließen und z.B. damit auch das von uns schon lange kritisierte System der Rückgabe von zu Unrecht enteigneten Vermögen zu reformieren. Das kürzlich in Bukarest verabschiedete Gesetz zur Reform des Restitutionsrechtes wird europäischen Anforderungen nicht gerecht. Das Zuwarten darauf, immer wieder von Gerichten zum Richtigen verpflichtet werden zu müssen, ist keine Ruhmestaktik, das gilt sowohl für europäische als auch für nationale Fragen.

Wir appellieren andererseits an Deutschland und die anderen europäischen Länder, bei den nötigen genauen Beobachtungen der Situation in unserem Herkunftsgebiet Rumänien zwar den Finger deutlich in die Wunde zu legen, dann aber auch die Fortschritte zu erkennen und so zum Weitermachen zu ermutigen.

Sie, Herr Ministerpräsident Seehofer, haben sich bei Ihrem Staatsbesuch in Rumänien vom Verband der Siebenbürger Sachsen begleiten lassen und unsere Anliegen dort zu Ihren Anliegen gemacht. Sie haben damit wesentlichen Anteil an errungenen Lösungen, dafür danken wir Ihnen. Unsere im Vergleich zu diesem Maßstab kleine siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft wird bei allen Vorhaben umso erfolgreicher sein, je besser sie unterstützt wird. Politik und Gesellschaft können uns unterstützen, indem sie uns annehmen und fördern. Nichts anderes fordern wir durch unser Motto ein.

Jeder Einzelne kann durch den Beitritt zum Verband der Siebenbürger Sachsen konkret dazu beitragen, dass wir als Gemeinschaft bestehen bleiben und als Siebenbürger Sachsen wahrgenommen werden.

Joachim Gaucks Europarede gilt auch für die Siebenbürger Sachsen

Joachim Gauck hat in seiner bemerkenswerten Europarede im Februar dieses Jahres einen berühmten Satz John Fitzgerald Kennedys abgewandelt und dazu aufgefordert: „Frage nicht, was Europa für dich tun kann, frage vielmehr, was du für Europa tun kannst!“ Er hat festgestellt, dass eine solche Einstellung uns gewaltig voranbringen würde.

Das gilt auch für uns Siebenbürger Sachsen, daher: „Frage nicht dauernd, was unsere Gemeinschaft für dich tun kann, sondern was du für alle Siebenbürger Sachsen tun kannst!“

Der Europäer Gauck hatte danach ein paar Wünsche aufgezählt, denen ich mich ebenfalls anschließe und die ich – leicht abgewandelt – gerne weitergeben möchte:

Erstens: Sei nicht gleichgültig!

Wir leben heute als Siebenbürger Sachsen mehrheitlich in Deutschland, aber genau so auch in Siebenbürgen, in Österreich, sogar in Kanada und den USA. Es darf uns nicht gleichgültig sein, ob wir dieses weiterhin als Siebenbürger Sachsen tun, oder ob wir uns von der jeweiligen Gesellschaft assimilieren lassen – und damit unsere kulturelle Identität verlieren. Das wäre sicher der falsche Weg und widerspräche auch der europäischen Idee, die sich ein Europa der Kulturen vorstellt, auch unserer siebenbürgisch-sächsischen Kultur. Denn wir gehören dazu!

Zweitens: Sei nicht bequem!

Die Möglichkeiten, die uns das moderne Europa und damit auch Deutschland als unser Hauptsiedlungsgebiet im 21. Jahrhundert bieten, verlocken zu Gleichgültigkeit.

Unser Fortbestand auch und gerade unter diesen neuen Rahmenbedingungen, die wir uns gewünscht und die viele als Hauptgrund für eine Aussiedlung gesehen haben, hat es verdient, dass wir Interesse zeigen und uns beteiligen.

Unser Fortbestand als Gemeinschaft mit eigener kultureller Prägung hängt wesentlich auch von den Bedingungen ab, die wir in den Gesellschaften vorfinden, in denen wir heute leben.

Für Rumänien wurde im letzten Jahr ein neues Parlament gewählt. Viele von uns hätten dort mitbestimmen können, weil sie bei Aussiedlung nach der Wende die rumänische Staatsangehörigkeit behalten durften und so auch für Rumänien wahlberechtigt sind. Die Zahl der Stimmen, die unsere Landsleute in Rumänien von uns aus Deutschland bekommen haben, war jedoch ernüchternd! Ich rufe Sie daher auf: Überwinden Sie die Gleichgültigkeit und unterstützen Sie unsere Landsleute in Rumänien bei kommenden Wahlen.

2013 ist ein entscheidendes Wahljahr auch in Deutschland. Wir wählen einen neuen Bundestag und damit das Gremium, welches durch grundsätzliche Entscheidungen die Rahmenbedingungen für unsere weitere Entwicklung festlegt – für jeden Einzelnen und für uns als Gemeinschaft. Entscheidungen des Gesetzgebers können uns gedeihlich sein oder aber dramatische Fehlentwicklungen verursachen: Die einseitigen Rentenkürzungen für unsere Eltern und Großeltern um 40% im Jahr 1996 waren eine solche Fehlentwicklung, die unsere Eltern und Großeltern zu Bittstellern und uns Beitragszahler zu Nettozahlern gemacht hat. Generationensolidarität sieht anders aus!

Auch die Diskussion über das längst überfällige Zeichen des Gedenkens an unser Nachkriegsschicksal in der nationalen Erinnerungskultur Deutschlands, sei es bei Errichtung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung oder bei der bis heute nicht umgesetzten Einrichtung eines nationalen Gedenktages in Deutschland, haben gezeigt: Es ist nicht gleichgültig, wer und mit welcher Grundüberzeugung in Berlin, in München, in Straßburg oder in Brüssel für uns verbindliche Rahmenbedingungen schafft! Parteien, die uns als Migranten und Fremde verstehen und uns auch so behandeln, sollten wir nicht wählen, meine Damen und Herren! Wir Siebenbürger Sachsen und unser Schicksal nach dem zweiten Weltkrieg wollen Teil der gesellschaftlichen Wahrnehmung in Deutschland sein. Wir fordern gemeinsam mit allen anderen Vertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern UNSEREN Gedenktag gegen Vertreibungen.

Vor vier Tagen hat die bayerische Staatsregierung die Einführung eines Gedenktages in Bayern für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation beschlossen – ab 2014 alljährlich am zweiten Sonntag im September – und so abermals gezeigt, dass wir hier willkommen und angenommen sind. Und dass wir dazu gehören! Dafür danken wir. Ich wünschte mir einen parteiübergreifenden politischen Konsens zu dieser Frage auch in Berlin, und wir werden nicht aufhören, uns dafür einzusetzen.

Unser Motto ist auch ein Aufruf zu politischer Mündigkeit:

Unser Verband ist als Interessenvertretung überparteilich. Er tritt auch nicht – wie das Forum unsere Landsleute in Rumänien – selbst bei politischen Wahlen an. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass wir uns alle darum bemühen müssen, in der bestehenden demokratisch orientierten politischen Landschaft vertreten zu sein und mitzubestimmen. Denn wir gehören dazu! In Deutschland leben etwa 300 000 Siebenbürger Sachsen, etwa gleich viele Banater Schwaben, sowie Sathmarer Schwaben und Berglanddeutsche, Dobrudschadeutsche und andere Landsleute, zusammen eine knappe Million Deutsche aus Rumänien. Im Bundestag oder in einem der deutschen Landtage ist kein einziger davon vertreten! Dieses zu ÄNDERN LIEGT AN UNS!

Daher drittens: Erkenne deine Gestaltungskraft!

Ein besseres Miteinander entsteht nicht, wenn wir die Verantwortung dafür immer nur bei anderen sehen. Selbst mitmachen und gestalten gehört dazu. Das gilt jeden Tag aufs Neue, im Alltag und im gesellschaftlichen Miteinander. Im Siebenbürgischen und darüber hinaus:

Mitmachen und Mitgestalten schafft Zugehörigkeit! Ich rufe Sie daher auf: Machen Sie mit und gehören Sie dazu: in Ihren sächsischen Nachbarschaften und Kreisgruppen genau so wie in den örtlichen Vereinen, in der Gesellschaft und Politik.

Wenn wir es schaffen, Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit zu überwinden, mitzumachen und zu gestalten, dann gehören wir dazu!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen schönen Heimattag und frohe Pfingsten!

Vielen Dank!

Schlagwörter: Heimattag 2013, Fabritius, Identität, Kulturerbe, deutsch-rumänische Beziehungen

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