2. Juni 2015

Modell der Glückssuche und Liebe zu Gott

Sergiu Nistor, Berater für Kultur von Staatspräsident Klaus Johannis, hat bei der Eröffnung des Heimattages am 23. Mai in Dinkelsbühl Grüße des Staatsoberhauptes Rumäniens an die Siebenbürger Sachsen übermittelt. Er würdigte die siebenbürgisch-sächsische Zivilisation als Vorbild für Europa und „originelles Paradigma der Wahrnehmung des Kulturerbes als Ursprungs- und Entwicklungsmodell“. Das multikulturelle Erbe Siebenbürgens bezeichnete Präsidialberater Sergiu Nistor als großen Segen für Rumänien und einen Schatz, der beim Heimattag in Dinkelsbühl „in seiner ganzen Lebendigkeit zum Ausdruck gebracht“ werde. Die Ansprache wird im Folgenden leicht gekürzt wiedergegeben.
Über Ihr Treffen in Dinkelsbühl habe ich bereits mehrfach gehört, das können mehrere Personen, die heute hier anwesend sind, bezeugen. Seit mehreren Jahren habe ich mir gewünscht, an einem Heimattag teilzunehmen, da es sich um ein Ereignis von großer Bedeutung sowohl für die Sachsen als auch für die Rumänen, aus Deutschland und aus Rumänien gleichermaßen, handelt. Dieser Wunsch geht heute in Erfüllung, ausgerechnet an meinem Geburtstag. Präsident Johannis hat mir diese Aufgabe übertragen und mir dadurch auch ein schönes Geschenk gemacht.

Im Gedächtnis der Völker gibt es verschiedene Mythen, wie beispielsweise den Mythos der Gründung eines Landes, den Mythos des Gelobten Landes oder den Mythos des Goldenen Zeitalters. Die Rumänen und die Siebenbürger Sachsen sind dabei keine Ausnahme, und in Siebenbürgen haben sich die Gründungsmythen der beiden Kulturen dadurch geäußert, dass ein Raum des Dialogs und des multiethnischen Zusammenlebens resultierte. Darin bestand die besondere Anziehungskraft, die ich verspürte, als ich als Student vor 35 Jahren zum ersten Mal das Harbachtal und auch das Zwischenkokelgebiet durchwanderte.

Präsidialberater Sergiu Nistor übermittelte Grüße ...
Präsidialberater Sergiu Nistor übermittelte Grüße von Staatspräsident Klaus Johannis.
Ich bin geboren und aufgewachsen im Herzen von Bukarest, und der Kontakt mit der Zivilisation der Siebenbürger Sachsen Anfang der achtziger Jahre bedeutete für mich zugleich das Kennenlernen eines bedeutenden Beitrags zur europäischen Kultur und die Wahrnehmung der brutalen Realität Rumäniens zur Zeit des Kommunismus, einer Gesellschaft ohne Zukunftsperspektive, die seine eigenen Werte mit Füßen trat. Für dieses Erwachen, das Folgen für meine berufliche und öffentliche Karriere von heute hat, fühle ich mich den evangelischen Pfarrern verbunden, in Holzmengen, Alzen, Schönberg, Meschen, durch die Kenntnis ihrer Traurigkeit, ihrer Unruhe und ihrer inneren Spannung zwischen der Pflicht für die Gemeinschaft und für die Zukunft ihrer Kinder.

Nach der Revolution von 1989 hatte ich die Möglichkeit, Siebenbürgen zu durchwandern, um die Inventur der sächsischen Kulturgüter vorzunehmen und um erste aktive Maßnahmen zur Restaurierung (Instandsetzung) der siebenbürgisch-sächsischen Kulturdenkmäler in Hermannstadt und Umgebung zu initiieren und anzuregen. Diese haben ihren Höhepunkt gefunden im Restaurierungsprogramm der Kulturdenkmäler aus der Innenstadt Hermannstadts in den Jahren 2005 bis 2007, das gemeinsam mit Seiner Exzellenz Herrn Klaus Johannis, damals Oberbürgermeister von Hermannstadt, durchgeführt worden ist.

Das Programm der Europäischen Kulturhauptstadt Hermannstadt 2007 hat sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene das multikulturelle Erbe Siebenbürgens hervorgehoben, welches Teil eines der größten Segen ist, dessen sich Rumänien erfreut, und zwar seine kulturelle, religiöse und ethnische Vielfalt. Dieser Schatz wird heute hier in Dinkelsbühl in seiner ganzen Lebendigkeit zum Ausdruck gebracht.

Je mehr wir das Kulturgut schätzen, das durch die sächsische Zivilisation hervorgebracht wurde, desto schwieriger ist es, leider, jene zu finden, die diese heute verkörpern.

In den Kirchenburgen der Sachsen aus Siebenbürgen ertönen immer die Glocken zu Ehren jener, die tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt aus dem Leben scheiden. In den Türmen der Kirchenburgen hängt hie und da immer noch ein Stück Speck. In den Museen aus Kronstadt, Hermannstadt, Bistritz oder Klausenburg finden sich die Zeugnisse Jahrhunderte alter sächsischer Zivilisation sowie von deren traurigem Schicksal in der kommunistischen Zeit. Das Sein der Identität der sächsischen Gemeinschaft ist heute geteilt zwischen einem ruhenden Kulturerbe, tausende Kilometer entfernt, und einer lebendigen, aktiven Erinnerung, die durch die Feste hier in Dinkelsbühl deutlich zum Ausdruck gebracht werden.

Die Anerkennung des Beitrages Ihrer Vorfahren zur europäischen Chance Rumäniens ist heute Realität, denn die sächsische Zivilisation ist ein Beispiel für Europa und ein originelles Paradigma der Wahrnehmung des Kulturerbes als Ursprungs- und Entwicklungsmodell. Letzten Endes und am wichtigsten ist es, darin ein Modell der Suche nach dem Glück und eine Form der Liebe zu Gott zu erkennen.

Schlagwörter: Heimattag 2015, Rumänien

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