13. Juli 2018

Bayerischer Gedenktag 2018: Innenminister Herrmann erinnert an Opfer von Flucht und Vertreibung

München - 2014 hat Bayern zum ersten Mal die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation offiziell mit einem Bayerischen Gedenktag gewürdigt, in einer gemeinsamen Veranstaltung der Staatskanzlei mit dem Bund der Vertriebenen in Bayern, der Beauftragten der Staatsregierung für Vertriebene und Aussiedler und den Vertriebenensprechern der Landtagsfraktionen. In diesem Jahr hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann in Stellvertretung des Bayerischen Ministerpräsidenten an der Veranstaltung am 24. Juni in der Bayerischen Staatskanzlei in München teilgenommen und an der Gedenktafel für die Opfer von Flucht und Vertreibung einen Kranz niedergelegt, u. a. im Beisein der Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Herta Daniel.
Vor der Kranzniederlegung eröffnete die Siebenbürger-Banater Blaskapelle Ingolstadt auf der Freitreppe der Staatskanzlei zur Hofgartenseite das rund eineinhalbstündige Rahmenprogramm mit Tanzvorführungen von Trachten-, Tanz- und Singgruppen. Dabei trat seitens der Siebenbürger Sachsen die Jugendtanzgruppe Ingolstadt auf. Nach der Kranzniederlegung durch Innenminister Herrmann an der Gedenktafel am Treppenaufgang zum Westflügel der Bayerischen Staatskanzlei legte auch der Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) in Bayern, Christian Knauer, ein Gebinde nieder.
Die Siebenbürger-Banater Blaskapelle (Leitung ...
Die Siebenbürger-Banater Blaskapelle (Leitung Hermann Mattes) und die Jugendtanzgruppe Ingolstadt (Leitung Ingrid Mattes) gestalten das Rahmenprogramm des Bayerischen Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 24. Juni in der Bayerischen Staatskanzlei in München mit. Foto: Leore Rothemund
Um 12 Uhr fand im Kuppelsaal der Staatskanzlei die Festveranstaltung mit einer Ansprache des stellvertretenden Ministerpräsidenten Herrmann statt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bezeichnete den Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg als „maßgeblichen Teil unserer bayerischen Erfolgsgeschichte“. Die rund drei Millionen Heimatvertriebenen, die durch Flucht und Vertreibung in den Freistaat gekommen sind, hätten sich aktiv am Wiederaufbau der neuen Heimat beteiligt und beherzt mit angepackt sowie mit äußerster Disziplin und aus eigener Anstrengung heraus eine neue Existenz geschaffen. „Und das nicht in Abgrenzung, sondern im Miteinander mit der heimischen Bevölkerung“, betonte der bayerische Innenminister. Rückblickend erscheine die zügige soziale wie ökonomische Integration der ungeheuren Zahl an Flüchtlingen und Vertriebenen, die nur durch ihre enorme Anpassungs- und Leistungsbereitschaft möglich gewesen sei, sogar als das eigentliche „Nachkriegswunder“. Trotz des Leids und des ungeheuren Verlusts, den die Vertriebenen erfahren mussten, hätten sie früh Versöhnung gesucht, menschliche Brücken in ihre alte Heimat gebaut und damit tiefe Gräben in den Köpfen und Herzen überwunden. „So haben Sie“, unterstrich der Redner vor den Vertretern des Vertriebenenverbandes, „in ganz besonderer Weise den Glauben an die Völkerverständigung gestärkt und ein tragfähiges Fundament für Versöhnung und Neuanfang gelegt.“ Herrmann erinnerte daran, dass die Zahl der Menschen, die weltweit vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen, einen traurigen Negativrekord erreicht habe, und mahnte, aus der Geschichte zu lernen: „Vertreibung war, ist und bleibt ein gravierendes Unrecht, jede Vertreibung, jede ethnische Säuberung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Hermann schloss seine Ansprache mit dem Appell: „Nur wenn wir aus dem Geschehenen die Lehren ziehen und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, können wir unsere Zukunft besser gestalten.“

In der Festveranstaltung wurden Filmeinspieler zu mehreren grenzüberschreitenden Projekten, darunter auch Ausschnitte des Sachsentreffens 2017 und Statements der Vertriebenensprecher der Fraktionen gezeigt. Im Anschluss daran moderierte die Redakteurin Heidi Wolf vom Bayerischen Rundfunk ein Gespräch zum Thema „Vertriebene als Brückenbauer“, an dem neben der
Gesprächsrunde zum Thema "Vertriebene als ...
Gesprächsrunde zum Thema "Vertriebene als Brückenbauer", von links: Bundesvorsitzende Herta Daniel, Moderatorin Heidi Wolf, die Beauftragte der Staatsregierung für Vertriebene und Aussiedler, Sylvia Stierstorfer, und der Landesvorsitzende der Landsmannschaft der Donauschwaben, Hermann Schuster. Bildquelle: BdV Bayern
und die Bundesvorsitzende Herta Daniel teilnahmen.
Gefragt nach Beispielen für den Brückenbau zu unserem Herkunftsgebiet hob Daniel hervor, dass wir Siebenbürger Sachsen beim Brückenbau das Verbindende respektierten und uns nicht auf das Trennende fokussierten. Die Bundesvorsitzende erwähnte zwei inzwischen abgeschlossene Beispiele, die Hilfe zur Selbsthilfe darstellten, Arbeitsplätze nach der Wende schafften und sich nach kurzer Zeit selbst trugen: zum einen die 1992 gegründete Saxonia Stiftung, zum anderen die seit 1991 bestehende Honterusdruckerei. Die Moderatorin fragte Herta Daniel zudem, welche Hoffnung sie beim Brückenbau in die Jugend setze. „Ich bin der festen Überzeugung“, sagte Daniel, „dass die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland im zusammenwachsenden Europa die Chancen nutzen wird, ihren Beitrag zu leisten, um in versöhnter Verschiedenheit nicht gegeneinander, sondern miteinander zusammenzuwachsen.“ Dass sich die jungen Leute ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht bewusst seien, gehe auch aus ihren bisherigen Aktivitäten hervor: Die Bundesvorsitzende verwies beispielhaft etwa auf den vorbildlichen Beitrag der Jugend beim Sachsentreffen 2017, der großen Volkstanzveranstaltung 2014 in Wels oder beim alljährlichen Heimattag in Dinkelsbühl. Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland fördere das grenzüberschreitende Bewusstsein seiner Jugend bereits seit den 70er Jahren mit den Föderationsjugendlagern, die dem Entstehen von Freundschaften, gegenseitigem Kennenlernen und weltweiter Vernetzung dienen sollen.

Es folgte das Schlusswort des Landesvorsitzenden des BdV Bayern. Christian Knauer unterstrich darin, dass in einer Zeit, in der wieder verstärkt über den Begriff Heimat diskutiert werde, die Erinnerung an Flucht und Vertreibung der Deutschen am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg wichtiger denn je sei: „Gerade, weil durch diese Erinnerung der Wert der eigenen Heimat erfahrbar gemacht werden kann, verdienen die Schicksale der Menschen, die entwurzelt wurden, weil sie ihre angestammte Heimat verlassen mussten, heute eine besondere Aufmerksamkeit.“

Insbesondere weil immer weniger Zeitzeugen lebten, trügen der Bund und die Länder „eine besondere Verantwortung dafür, diese Erinnerung auf unterschiedlichste Art und Weise wachzuhalten und zu fördern“. Auch der Bayerische Gedenktag leiste hierfür einen wichtigen Beitrag, sagte Knauer und fügte an: „Daher danken wir der Bayerischen Staatsregierung und allen im Landtag vertretenen Parteien, dass der heutige Gedenktag erneut in dieser würdigen Form und in Eintracht begangen werden kann.“

Die diesjährige Gedenkveranstaltung klang mit einem Empfang aus, den der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Herrmann in der Staatskanzlei gab.

CS

Schlagwörter: Bayern, München, Gedenktag, Opfer, Flucht und Vertreibung, Herrmann, Herta Daniel, BdV

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